Zapfenstreich für Österreich. Ralos Znarf
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Читать онлайн книгу Zapfenstreich für Österreich - Ralos Znarf страница 11

Название: Zapfenstreich für Österreich

Автор: Ralos Znarf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750238565

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СКАЧАТЬ oblige, sie verstehen; aber Graz? Die woll'n halt immer so progressiv sein. Dabei is' ja dort nix los! Kaum Kultur! In der Oper spieln's nur falsch und im Schauspielhaus zieh'n sie sich jetzt auf der Bühne auch schon aus! Da fahr ich lieber nach London; oder nach New York!"

      Sonja wollte schon erwidern, dass sie Graz sehr gut kenne und dass es dort doch eine unglaublich lebendige Kulturszene gäbe. Phantastische Musiker könne man dort ebenso treffen, wie großartige Architekten; erstklassige Schriftsteller, wunderbare Sänger und vor allem...hervorragende Schauspieler!

      Sie wollte aber keinen weiteren kunstsinnigen Monolog provozieren, da der Graz-stämmige Banker einen unangenehmen Mundgeruch verströmte.

      Zum Glück gesellte sich jetzt der Gastgeber hinzu, der Konsul.

      Er war der beste Kunde jener Bank, deren Vorstandsmitglied eben so offen seine Meinungen dargelegt hatte.

      Sonja war überrascht, wie sympathisch sie den Konsul fand. Im dezenten grauen Dreiteiler wirkte er äußerst smart; mit aufmerksamen Augen und herzlichem Wesen begrüßte er die beiden Damen und Herren. Auch präsentierte er sich unerwartet witzig, ja geradezu provokant.

      Hofrat Weisungsknecht war inständig bemüht, ein geistreiches Gespräch in Gang zu bringen. Nachdem er dem ´Konsul´ ein übertriebenes Kompliment im Hinblick auf dessen Krawatte gemacht hatte (der Rippenrempler seiner Frau ließ nicht lange auf sich warten), konfrontierte er den Gastgeber mit der originellen Frage, was denn für ihn 'Kunst' sei.

      Ein lebendiges Funkeln glitzerte in dessen Augen auf.

      „Wissen Sie", begann er, „wir Menschen laufen ja alle durch die Welt und glauben, dass alles so ist, wie es zu sein scheint. Das Wesen der Kunst liegt im Rütteln an kollektiven Gewissheiten. Das kann durchaus unangenehm sein; und ist oft auch nicht 'schön' im herkömmlichen Sinn.“

      Hofrat Weisungsknecht und der Bankier nickten eifrig und nuschelten zustimmend.

      Der 'Konsul' fuhr fort: „Aber was mich ganz persönlich so fasziniert, ist Folgendes...."

      Er verfiel während des Redens in immer größere Emphase und damit einhergehend in ein immer schnelleres Sprechtempo: „Durch jedes Individuum oder jedes Ding, mit dem man in Interaktion tritt, verändert sich das persönliche Empfinden. Wenn ich zum Beispiel mit Ihnen hier rede, befinde ich mich in einem ganz speziellen 'Seins-Kosmos'; und wenn ich mit jemand anderem rede, dann schaut mein 'Seins-Kosmos' wieder ganz anders aus – und ich b i n dann auch anders. Unsere Gedanken und unser Verhalten verändern sich mit der Umgebung. Das führt zum Grundgedanken dieser Ausstellung - 'Kunst-Brücke'. Sie werden hier lauter Kontraste finden. Nehmen sie nur da vorne das Bild 'Madonna mit Kind' von Giovanni Bellanoni, einem Renaissancemaler. Ich stehe davor und trete ein in eine Welt von weiser Mutterliebe...einer klugen Wärme, die mich sofort in eine humanistische Verbundenheit mit allem versetzt...“

      Sonja hörte fasziniert zu. Gleichzeitig drängte sich ihr allmählich aber auch der Gedanke auf, dass dieses ungebremste Empfinden des Gastgebers vielleicht auf die Wirkung illegaler Substanzen zurückzuführen sei. Doch sie verwarf diese Vermutung.

      Wir aber wissen, dass sie damit voll ins Schwarze getroffen hatte.

      Vorgestern erst hatte der Konsul Besuch von seinem Neffen Klaus bekommen. Dieser kannte die gewissen Begehrlichkeiten seines Onkels sehr gut. Klaus brachte auch einen Freund mit - Bertl. Und dieser Bertl beehrte den Onkel mit einer ganz besonders erfreulichen Überraschung: in einem kleinen Plastiksäckchen befand sich die nennenswerte Quantität eines grasig harzigen Blütenzaubers. Die Sorte hieß so ähnlich wie 'KissiSticky' oder 'Sissilicki'. Und sie tat dem Onkel sehr gut. So hatte er sich noch vor Ausstellungsbeginn in einem separaten Raum auf eine Begegnung der lustigen Art eingelassen.

      Wie? Und in dem Zustand wollte er vor der ganzen ´Haute Voleé´ repräsentieren?!

      Natürlich! Denn gerade das fand er ja so lustig!

      Er wollte die Leute verwirren. Sie mit Gedanken konfrontieren, die aller Voraussicht nach ihr Begriffsvermögen arg überfordern würden. Aber alle müssten es großartig finden; denn im Ranking der öffentlichen Meinung stand er ja auf der 'In-Liste' ganz oben. In Wirklichkeit natürlich wegen seines immensen Reichtums. Das war ihm bewusst.

      Er war in gewisser Weise ein schelmisch-boshafter Aufklärer. Irgendwie hatte er dabei die Hoffnung nicht aufgegeben, dass so Leute wie der bückelnde Hofrat und der kundige Banker doch noch irgendwann zu einem höheren Empfinden gelangen könnten.

      Er genoss das Gespräch. Und er leugnete auch nicht vor sich selber, dass ihn die Anwesenheit dieser interessanten Schönheit aus dem ´Ministerium zur Überwindung kultureller Gegensätze´ stark inspirierte.

      Er fuhr fort (sich immer noch auf das Renaissancebild 'Madonna mit Kind' beziehend):

      „Ich fühle also ganz stark die Verbundenheit mit humanistischen Wertvorstellungen...ich werde zum griechischen Philosophen....ich werde zum Müßiggänger, der am Strand sitzend sich der Frage hingibt, was denn die Welt im Innersten zusammenhält....ich bin gleichzeitig Schüler und Gelehrter, der in entspannter Gelassenheit seinen Mitmenschen Fragen stellt - und dem seinerseits gefinkelte Fragen gestellt werden, die er aber nie als Bedrohung, sondern als willkommene Antithese begrüßt!

      Und, aufgesogen in diesen Kosmos, erblicke ich dann das Bild das daneben hängt: eine stark abstrahierte, kaum zu identifizierende Darstellung des 'Kindermordes in Bethlehem' von Geoffrey Dark, einem bizarren Grübler der späten 1990er Jahre. Und sofort befinde ich mich auf dem Weg durch eine jahrhundertelange Menschheitsgeschichte: aus der willkommenen Geborgenheit Arkadiens gerissen, erlebe ich die Konsequenzen einer fragwürdigen Technisierung, die Folgen eines dogmatischen Nationalismus, die Auswirkung einer Liberalisierung der Werte, die Tödlichkeit des Konkurrenzprinzips - mit anderen Worten: die Vertreibung aus dem Paradies. Der Sündenfall wird durch meinen persönlichen Brückenbau zwischen den beiden Bildern von der abstrakten Vorstellung - zum wahrhaftig empfundenen Erlebnis."

      Der Grazer Vorstands-Banker sah nun die Notwendigkeit gekommen, auch etwas Kluges zu sagen:

      „Ja, ich verstehe genau was Sie meinen. Wenn zum Beispiel von einer Finanztransaktions-Steuer die Rede ist, erlebe ich auch ganz konkret die 'Vertreibung aus dem Paradies'."

      Er sagte das völlig ernsthaft und ohne Ironie.

      Als daraufhin der Gastgeber laut prustend auflachte und zwar im selben Moment wie Sonja auch, konnte der Hofrat die Situation nicht recht einordnen. Er war nicht in der Lage gewesen, den Gedankengängen des Konsuls zu folgen, da Sonjas Gerüche ihn verwirrten. Verlegen hatte er daraufhin seine Blicke ziellos durch den Raum schweifen lassen, was seine Frau als Suche nach dem Frl. von Mötzendorff missinterpretierte und daraufhin ihren teuflischen Oberarmzwicker zum Einsatz brachte. Seinen Schmerzensschrei tarnte der Hofrat nun als zustimmendes Lachen. Um der Situation eine mögliche Schärfe zu nehmen, bot er dem verdutzten Banker eine 'herrliche Winston' an, was dieser jedoch schroff ablehnte. Erst als der Konsul ihm jovial die Hand auf die Schultern legte und sagte:

      „Gehn'S, machen Sie mir doch die Freude und rauchen wir eine zusammen!" fand er wieder zu seiner Souveränität. Als dann der Konsul sein Feuerzeug nicht fand, reichte ihm der Banker jenes, das ihm vorhin der Hofrat überlassen hatte.

      Der Konsul sagte: „Na, da erkennt man halt den Mann von Welt; für jede Situation gerüstet!"

      Und der Banker antwortete: „So bin ich halt!" und steckte das Feuerzeug selbstgefällig in seine Hosentasche zurück. Der Hofrat grinste und seine Gattin versäuerte noch mehr.

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