Название: Internal Investigations
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811442757
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(1) Was wird überwacht?
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Nach § 111 Abs. 1 AktG ist die Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung zu überwachen.[68] Innerhalb der Geschäftsführungsmaßnahmen sind insbesondere die Leitungsmaßnahmen der Geschäftsführung zu überwachen.[69] Hat der Aufsichtsrat also den Verdacht, dass der Vorstand im Rahmen der Geschäftsführung gegen Gesetze oder unternehmensinterne Richtlinien verstößt, so hat er hiergegen einzuschreiten. Überwacht wird auch das Risikomanagement des Vorstands nach § 91 Abs. 2 AktG.[70] Da es Teil der Leitungsaufgabe des Vorstands ist, bei Unregelmäßigkeiten Untersuchungen und Nachforschungen einzuleiten, obliegt dem Aufsichtsrat die Überwachung darüber, ob der Vorstand diese Aufgabe erfüllt und seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung nachkommt
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Der Aufsichtsrat hat im Rahmen der Untersuchungen die primäre Verantwortung und den eigenverantwortlichen Ermessensspielraum des Vorstands zu respektieren.[71] Allerdings besteht für ihn eine Überwachungsverantwortung, die abhängig vom Risikopotential begleitender, unterstützender oder gestaltender Natur sein sollte.[72]
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Bei Verdachtsfällen mit geringen Gefahren für die Lage der Gesellschaft reicht es in der Regel zu prüfen, ob Verdachtsfälle ordnungsgemäß ermittelt und aufgeklärt, festgestellte Verstöße angemessen sanktioniert und entdeckte Aufklärungsdefizite beseitigt wurden.[73]
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Besteht bei einem Verdachtsfall eine erhebliche Gefahr für die Lage der Gesellschaft, muss der Aufsichtsrat den Vorstand aktiv unterstützen, indem er alle im Rahmen der Untersuchung getroffenen Führungsentscheidungen einer konkreten Verlaufs- und Ergebniskontrolle unterzieht.[74]
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Im Falle einer schwerwiegenden Gefahr, wie z.B. dem Verdacht systematischer Korruption oder Wettbewerbsverstöße, muss der gesamte Aufsichtsrat gem. § 90 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AktG über den Sachverhalt informiert werden. Im Anschluss daran sollte der Aufsichtsrat gestaltend tätig werden, indem er nicht nur seine Kontroll- sondern darüber hinaus auch eine Beratungsfunktion ausübt.[75]
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Haben nur einzelne Vorstandsmitglieder Verstöße gegen Gesetze oder interne Richtlinien begangen, bzw. wird dies zumindest vermutet, so besteht prinzipiell eine doppelte Zuständigkeit. Zum einen ist der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan des Vorstands zum Einschreiten verpflichtet, zum anderen besteht eine horizontale Pflicht der Vorstandsmitglieder zur gegenseitigen Leistungskontrolle.[76] Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass vermutet wird, dass durch Mitarbeiter gegen Gesetze oder Richtlinien verstoßen wird, der Vorstand hiergegen nicht vorgeht und der Aufsichtsrat sich daher zum Einschreiten berufen fühlt.
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Aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen den beiden genannten Formen der Überwachung können diese nach einer Auffassung in der Literatur parallel nebeneinander bestehen.[77] Nach anderer Auffassung wird hingegen eine vorrangige Aufklärungspflicht der restlichen Vorstandsmitglieder angenommen. Der Aufsichtsrat könne sich auf die Überwachung des Gesamtvorstands beschränken, solange die Aufklärung innerhalb des Vorstands funktioniere.[78] Sofern der Aufsichtsrat dagegen Anlass sehe, das Handeln eines einzelnen Vorstandsmitglieds näherer Prüfung zu unterziehen, so habe er seine Fragen und Beanstandungen primär an den Gesamtvorstand zu adressieren.[79] Erst wenn dieses Vorgehen zu keiner Beseitigung der gerügten Mängel führe, müsse sich der Aufsichtsrat an das einzelne Vorstandsmitglied wenden.[80]
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Die letztgenannte Auffassung erscheint vorzugswürdig. Da die Leitungsverantwortung der Gesellschaft beim Vorstand liegt und sich – wie dargestellt – auf den Gesamtvorstand erstreckt, ist es nur folgerichtig, dem Vorstand eine vorrangige Aufklärungspflicht zuzusprechen. Hat der Aufsichtsrat hingegen Bedenken, dass der Vorstand seiner Aufklärungspflicht nicht oder nicht ausreichend nachkommt, muss er zum Handeln verpflichtet sein. Insbesondere muss der Aufsichtsrat überprüfen, ob die vom Vorstand unternommenen Maßnahmen angemessen und ausreichend sind. Ist dies nicht der Fall, ist der Aufsichtsrat zum Einschreiten verpflichtet.
(2) Anwendbarkeit der Business Judgement Rule, § 116 S. 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG
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Nach § 116 S. 1 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder sinngemäß § 93 AktG, mit Ausnahme des Abs. 2 S. 3. Bei Wahrnehmung seiner Kompetenzen unterliegt der Aufsichtsrat folglich dem gleichen Sorgfaltsmaßstab wie der Vorstand. So wie der Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters walten lassen muss, schulden Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Beraters bei der Überwachung und Beratung der Geschäftsführung.[81] Auch die Business Judgement Rule aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann dem Aufsichtsrat nach § 116 S. 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zugutekommen. Dies gilt allerdings auch nur im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung des Aufsichtsrats. Bei der vergangenheitsbezogenen Überwachung wird der unternehmerische Charakter, anders als bei präventiven Maßnahmen des Aufsichtsrats, allerdings grundsätzlich verneint.[82] Für die Einleitung von unternehmensinternen Untersuchungen findet die Business Judgement Rule daher wie beim Vorstand schon aus diesem Grund keine Anwendung. Bei hinreichenden Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen des Vorstandes ist der Aufsichtsrat somit zur Aufklärung verpflichtet, ohne dass ihm hinsichtlich des „Ob“ ein Ermessenspielraum zukommt.
bb) Instrumente zur Überwachung des Vorstands
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Dem Aufsichtsrat steht im Hinblick auf die Aufklärung von vermuteten Verstößen kein Initiativ- oder gar Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand zu.[83] Der Aufsichtsrat kann dem Vorstand also nicht explizit vorschreiben, dass er Untersuchungen gegen einzelne Vorstandsmitglieder oder gar Mitarbeiter der AG durchzuführen hat. Das Gesetz gibt dem Aufsichtsrat jedoch eine Reihe von anderen Handlungsinstrumenten an die Hand, um im Falle des Verdachts auf Verstöße einzuschreiten und Informationen hierüber zu sammeln. Namentlich sind dies, die aus den §§ 90 und 111 Abs. 2 AktG resultierenden Berichtsanforderungs-, Einsichts- und Prüfungsrechte. Hierbei handelt es sich um sog. Pflichtrechte. Das bedeutet, dass der Aufsichtsrat von seinen Rechten Gebrauch machen muss, sofern Anhaltspunkte für Gesetzesverstöße durch Vorstandsmitglieder bestehen.[84] Bzgl. der Auswahl der im Einzelfall anzuwendenden Mittel zur Aufklärung von Verstößen (das „Wie“) ist dem Aufsichtsrat ebenso wie dem Vorstand jedoch ein Ermessen zuzubilligen. Hierbei handelt es sich nämlich um ein klassisches Anwendungsgebiet der Business Judgement Rule.
(1) § 90 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 AktG: Sonderberichtspflicht des Vorstands
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Eine Überwachung des Vorstands ist nur dann sinnvoll möglich, wenn der Aufsichtsrat Informationen über die Tätigkeit des Vorstands einholen kann. Nach § 90 Abs. 1 S. 3 AktG obliegt dem Vorstand neben den in § 90 Abs. 1 S. 1 AktG aufgezählten Fällen auch „aus sonstigen wichtigen Anlässen“ die Pflicht, dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu berichten. Hierunter fallen z.B. Prozesse, bei denen wichtige Geschäftsinteressen auf dem Spiel stehen, oder ernsthafte Störungen in der СКАЧАТЬ