Windhauch und Wein. Georg Schwikart
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Читать онлайн книгу Windhauch und Wein - Georg Schwikart страница 6

Название: Windhauch und Wein

Автор: Georg Schwikart

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783429065386

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      Ich sagte mir: „Dann schaffe ich mir ein angenehmes Leben und genieße das Gute.“ Doch ich erkannte, dass auch darin kein Sinn liegt. „Es ist unsinnig zu lachen“, sagte ich mir. „Was für einen Nutzen hat es, sich zu freuen?“ In meinem Herzen nahm ich mir vor, mich mit Wein zu berauschen, aber so, dass ich noch besonnen über die Weisheit nachdenken könnte. Ich wollte so leben wie die Dummen, um herauszufinden, welche Lebensart für die Menschen während ihrer Zeit hier auf der Erde am besten sei. Ich vollbrachte Großartiges: Ich baute mir Häuser und pflanzte Weinberge. Ich legte Gärten und Parks an und ließ alle Sorten Obstbäume setzen. Ich sammelte das Wasser in Teichen, um damit meine vielen Bäume zu bewässern. Ich kaufte Sklaven und Sklavinnen, und weitere Sklaven wurden in meinem Haus geboren. Ich besaß größere Schaf- und Viehherden als irgendjemand vor mir in Jerusalem. Ich häufte Gold und Silber in meiner Schatzkammer an, die Schätze vieler Könige und Provinzen. Ich holte Sänger und Sängerinnen an meinen Hof und nahm mir viele Frauen – das Höchste, was sich ein Mann nur wünschen kann! Auf diese Weise wurde ich berühmter und reicher als alle Könige, die vor mir in Jerusalem geherrscht hatten. Neben all dem besaß ich meine Weisheit. Wenn mir etwas ins Auge stach, was ich haben wollte, nahm ich es mir. Ich versagte mir keine einzige Freude. Und ich freute mich bei all den Mühen, die ich hatte – das war gleichsam ein Nebenlohn meiner Anstrengungen. Doch als ich alles prüfend betrachtete, was ich mir mit meinen Händen erworben hatte, und die Mühe dagegenhielt, die ich darauf verwendet hatte, merkte ich, dass alles sinnlos war. Es war so unnütz wie der Versuch, den Wind einzufangen. Es gibt keinen bleibenden Gewinn auf dieser Welt. (Prediger 2,1–11)

      Kohelet wird wohl nie etwas von Buddha gehört haben, aber die Parallelen in der Erkenntnis der beiden sind offensichtlich. Doch ist die weise Einsicht kompatibel mit unserer Wirklichkeit? „Haste was, biste was“, warb früher eine Bank im Fernsehen, und die Girlgroup Tic Tac Toe sang folgerichtig: „Haste was, biste was! Haste nichts, biste nichts!“ Das scheint dem menschlichen Naturell zu entsprechen, sich über das Haben zu definieren. Haben oder Sein, formuliert Erich Fromm.

      Bei einem Besuch in Kevalis Kloster durfte ich mich von der Ernsthaftigkeit des buddhistischen Weges überzeugen. Wie die Mönche stand ich morgens um drei Uhr auf, denn dann sind die Temperaturen noch erträglich. Um halb vier ist „chanting“; eine halbe Stunde lang rezitieren die Mönche heilige Verse, dann wird eine Stunde still meditiert. Um sechs Uhr beginnt der Almosengang durch die nahegelegenen Dörfer. Die Bewohner spenden täglich Lebensmittel: Reis, Obst, Süßigkeiten, Getränke und andere Sachen. Auch Geld, aber das darf ein Mönch nicht annehmen, das kann nur im Tempel in einen Opferstock gegeben werden. Um acht Uhr gibt es die einzige Mahlzeit am Tag. (Am Nachmittag wird Tee oder Saft gereicht.) Im Tagesverlauf folgen Belehrung, Arbeit, Ruhephasen und am Abend noch einmal Rezitation und Meditation.

      Über allem liegen ein großer Frieden, heilige Ernsthaftigkeit und heitere Gelassenheit. Bei Ausflügen in weitere Klöster wurde mir die Ehre zuteil, andere Äbte kennenzulernen. Sie leben ein so anderes Leben als ich, und doch verstanden wir uns als Menschen wunderbar. Einmal erzählte ich einen alten Witz: Ein Busfahrer und ein Pfarrer kommen gleichzeitig an die Himmelspforte. Petrus winkt den Busfahrer rein, der Pfarrer muss warten und ist deshalb empört. Petrus erklärt: „Wenn du gepredigt hast, haben die Leute geschlafen. Aber wenn der Busfahrer gefahren ist, dann haben sie gebetet.“ Und die Mönche lachten! (Wie ich lernte, dürfen sie das in Thailand durchaus, nicht aber im benachbarten Burma, da gilt in aller Strenge Lachen als unpassend für einen Mönch.)

      In den Gesprächen, die ich mit Kevali führen durfte, merkten wir immer wieder, dass die für uns so selbstverständlichen Begriffe unserer eigenen Religion der Übersetzung bedürfen. Es gibt zahlreiche Ähnlichkeiten und gravierende Unterschiede in den uns prägenden Glaubenssystemen. Am letzten Abend meines Besuchs war ich eingeladen, vor Mönchen und Laienanhängern über das Christentum zu sprechen. Ich erzählte die Lebensgeschichte Jesu.

      Kevali, der Jünger Buddhas, und ich, der Jünger Jesu, schätzen uns, weil wir wissen, wie aufrichtig wir beide versuchen, unseren Weg zu gehen. Wir machen uns gegenseitig nichts vor und bekennen einander die Schwierigkeiten und Herausforderungen, auf der Spur zu bleiben.

      Von wem stammt wohl dieser Spruch: „Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment“? Von Buddha, aber Kohelet hätte es genauso sagen können.

      Wenn ich in Thailand einen Tempel betrat, warf ich mich wie alle anderen je drei Mal vor der Buddha-Statue nieder. Buddha ist kein Gott. Buddha war überzeugt: Götter können nicht helfen, ein jeder Mensch ist sterblich und zuvor ist sein Leben leidvoll. Die letztendliche Befreiung muss jeder allein vollbringen. Das sehe ich anders. Ich vertraue auf die Gnade. Aber ich bin sehr angetan von der edlen Weisheit des Erhabenen. Er sucht nicht das Glück, sondern den Frieden. Für mich ein Name Gottes.

       Vom Segen des Vergessens

      Das vorweg: Die handelnden Personen sind weder verrückt noch dumm. Aber der Konflikt war es …, mindestens überflüssig, vor allem vermeidbar. Die Sache selbst ist kaum der Rede wert, sorgte aber für bitteren Nachgeschmack. Und der kann lange anhalten.

      Merle, eine Theologiestudentin, die sich auf das Pfarramt vorbereitet und in meiner Gemeinde einen Minijob innehat, ist an der Reihe mit dem „Gebet am Mittwoch“, einem kleinen Audio-Angebot auf der Homepage. Ich höre es mir vor dem Frühstück an und muss nach den ersten drei Worten auflachen: „Liebe Mutter Gottes!“, sagt Merle. Mir ist sofort klar, sie redet hier nicht Maria an (das Konzil von Ephesus im Jahre 431 verlieh ihr den Ehrentitel „Theotokos“ – „die Gottesgebärerin“). Für Merle ist Geschlechtergerechtigkeit selbstverständlich. Ich bin mir absolut sicher, sie spricht in Anlehnung an Gott Vater hier von Mutter Gott. Ein Grammatikfehler.

      So beschloss ich herauszufinden, was die Weisheit von der Verrücktheit und der Dummheit unterscheidet. Denn was wird der Mensch tun, der nach dem König kommen wird? Natürlich das, was man schon immer gemacht hat. Ich stellte fest, dass Weisheit wertvoller ist als Dummheit, genauso wie Licht besser ist als Dunkelheit. Denn der Weise hat Augen im Kopf und kann sehen, der Dummkopf dagegen ist blind und tappt im Dunkeln umher. Gleichzeitig erkannte ich aber, dass Weise und Dummköpfe am Ende das gleiche Schicksal ereilt. Da dachte ich mir: „Wenn es mir genauso ergehen wird wie dem Dummkopf – was hatte es dann für einen Sinn, dass ich mich so um Weisheit bemüht habe?“ Und ich sagte mir: „Das ist doch auch unnütz!“ Man erinnert sich an den Weisen ebenso wenig wie an den Dummen: Später, in der Zukunft, wird sowieso alles vergessen sein. Der Weise muss genauso sterben wie der Dummkopf!(Prediger 2,12–16)

      Nach dem Frühstück rufe ich Merle an. „Hast du ein inniges Verhältnis zur Gottesmutter?“, frage ich so beiläufig wie möglich, um mich zu vergewissern, ob ich wirklich richtigliege. Merle reagiert wie erwartet: „Hä?“ Dann kläre ich sie darüber auf, dass ihre Formulierung zu Missverständnissen führen könnte. Wir lachen beide.

      Das vergeht uns, als sich ein Ehepaar aufgeregt beschwert – per E-Mail an die gesamte Gemeindeleitung; immerhin haben die Leute die Adressen von 14 Mitgliedern des Presbyteriums in den Computer eingegeben. Im Kern lautet der Vorwurf, da würde von Merle zur Marienanbetung aufgerufen! Im Übrigen hätte ich das als Pfarrer ja schon in der Predigt an Heiligabend vorbereitet. Meine Textgrundlage war das Magnifikat gewesen, der Lobgesang Mariens.

      Was mit einer falschen Wortendung begonnen hatte, gewann eine absurde Dimension: Die Identität der evangelischen Gemeinde stand auf dem Spiel! Zu ihrem Selbstverständnis gehört offensichtlich, auf jeden Fall alles abzulehnen, was nur einen katholischen Hauch an sich haben könnte, wie das Thema Maria zum Beispiel. Martin Luther sah das entspannter.

      Aus der Gemeinde forderte jemand, Merle dürfe, wenn ihr so etwas passiere, nicht Pfarrerin werden. Einer Ehrenamtlichen СКАЧАТЬ