Название: Die neue Medizin der Emotionen
Автор: David Servan-Schreiber
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783956140846
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Ziel natürlicher Methoden, die ich in den folgenden Kapiteln vorstellen will, ist es, dies zu ermöglichen. Im Gegensatz zum IQ, der sich in Verlauf eines Lebens kaum höher entwickelt, kann man die emotionale Intelligenz in jedem Alter pflegen und weiterentwickeln. Es ist nie zu spät zu lernen, wie man besser mit seinen Gefühlen und mit seiner Beziehung zu den Mitmenschen umgeht. Der erste hier beschriebene Ansatz ist zweifelsohne der grundlegendste. Es geht darum, den Herzrhythmus zu optimieren, um dem Stress standzuhalten, die Angstgefühle unter Kontrolle zu bringen und die Vitalität, die in uns steckt, zu maximieren. Dies ist der erste Schlüssel zur emotionalen Intelligenz.
I Heute gibt es antipsychotische Medikamente, deren Auswirkungen ausgewogener sind und mit denen man Halluzinationen und Wahnvorstellungen unter Kontrolle bringen kann, ohne das Gefühlsleben der Patienten derart einzuschränken.
II Natürlich verschwanden gleichzeitig einige charakteristische Merkmale, etwa die Behaarung, das Gesicht mit vorspringenden Vorderzähnen sowie Kiefer und so fort.
3 HERZ UND
VERNUNFT
Adieu, sagte der Fuchs. Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine PrinzI
HERBERT VON KARAJAN HAT EINMAL ERKLÄRT, er lebe nur für die Musik. Zweifelsohne war ihm selber gar nicht klar, in welchem Maße dies zutraf: Er starb in eben dem Jahr, in dem er nach dreißig Jahren an der Spitze der Berliner Philharmoniker in den Ruhestand trat. Am erstaunlichsten ist jedoch, dass zwei österreichische Psychologen dies hätten voraussagen können. Zwölf Jahre zuvor hatten sie untersucht, wie das Herz des Maestro auf dessen verschiedene Betätigungen reagierte.1 Die größten Schwankungen hatten sie verzeichnet, wenn er eine besonders gefühlsgeladene Passage der dritten Leonoren-Ouvertüre Beethovens dirigierte. Es genügte sogar, dass er diese Takte hörte, und schon konnte man die gleiche Beschleunigung des Pulses regelrecht beobachten.
Es gibt in dieser Komposition Passagen, die für einen Orchesterchef körperlich weit anstrengender sind. Karajans Herz ließen sie jedoch nur geringfügig schneller schlagen. Was seine anderen Aktivitäten anging, so schien er sie sich weniger zu Herzen zu nehmen, wenn man so sagen kann. Ob er mit seinem Privatflugzeug zur Landung ansetzte oder gar einen Fehlstart hinlegte, sein Herz schien dies kaum zur Kenntnis zu nehmen. Das Herz Karajans gehörte ganz und gar der Musik. Und als der Maestro die Musik aufgab, spielte sein Herz nicht mehr mit.
Wer hat noch nie die Geschichte von einem betagten Nachbarn gehört, der wenige Monate nach seiner Frau gestorben ist? Oder von einer Großtante, die nach dem Tod ihres Sohnes das Zeitliche segnete? Der Volksmund spricht in solchen Fällen von einem »gebrochenen Herzen«. Lange Zeit hat die medizinische Wissenschaft derlei Vorfälle verächtlich abgetan und sie auf das Konto bloßer Zufälle verbucht. Erst seit etwa zwanzig Jahren haben mehrere Kardiologen- und Psychiaterteams sich ernsthaft mit diesen »Anekdoten« befasst. Wie sie entdeckten, ist Stress, was Herzkrankheiten betrifft, ein noch größerer Risikofaktor als Rauchen.2 Man ist auch dahintergekommen, dass eine Depression nach einem Herzinfarkt den Tod des Patienten innerhalb des nächsten halben Jahres präziser vorhersagt als jede Messung der Herzfunktion.3 Wenn das emotionale Gehirn aus den Fugen gerät, leidet das Herz darunter und gibt schließlich auf. Die überraschendste Beobachtung ist jedoch, dass dieses Verhältnis umkehrbar ist. Das Gleichgewicht unseres Herzens beeinflusst ständig unser Gehirn. Manche Kardiologen gehen sogar so weit, von einem untrennbaren »Herz-Hirn-System« zu sprechen.4
Gäbe es ein Medikament zur Harmonisierung dieser engen Beziehung zwischen Herz und Gehirn, hätte es wohltuende Auswirkungen auf den Organismus als Ganzen. Es würde den Alterungsprozess verlangsamen, Stress und Müdigkeit abbauen, Angstgefühle beseitigen und uns vor Depressionen bewahren; nachts würde es uns helfen, besser zu schlafen, und tagsüber, entsprechend unseren Fähigkeiten zur Konzentration und Genauigkeit zu funktionieren. Vor allem würde es uns dann leichter fallen, jenen Zustand des Flow, der gleichbedeutend mit Wohlbehagen ist, herzustellen. Es wäre ein Mittel gegen Bluthochdruck, Angstzustände und Depressionen, »alles in einem«. Gäbe es eine solche Arznei, jeder Mediziner würde sie verschreiben. Vielleicht würden letztlich die Regierungen sie sogar dem Trinkwasser beimengen, so wie in manchen Ländern das Fluor für die Zähne.
Leider existiert dieses Wundermittel noch nicht. Dafür kennen wir seit kurzem ein einfaches und wirksames Verfahren, das jedermann zur Verfügung steht und offenbar genau die notwendigen Voraussetzungen für eine Harmonie zwischen Herz und Hirn schafft. Obwohl diese Methode erst vor kurzer Zeit entwickelt wurde, haben mehrere Untersuchungen bereits ihre günstigen Auswirkungen auf Körper und Gefühle derjenigen, die sie beherrschen, bewiesen, einschließlich einer Verjüngung ihrer Physiologie. Um zu verstehen, wie das möglich ist, müssen wir uns zunächst kurz die Funktionsweise des Herz-Hirn-Systems ansehen.
DAS HERZ DER GEFüHLE
Gefühle verspüren wir im Körper, nicht im Kopf – zumindest dies scheint selbstverständlich. Schon 1890 schrieb William James, Harvard-Professor und Vater der amerikanischen Psychologie, ein Gefühl sei vor allem ein körperlicher Zustand und erst dann eine Wahrnehmung im Gehirn. Seine Schlussfolgerungen leitete er daraus ab, wie wir normalerweise Gefühle empfinden. Sagt man nicht beispielsweise: »Mir steckt die Angst in den Knochen«, oder es sei einem »leicht ums Herz«, dass einem »die Galle überläuft«, oder auch, man sei »verbittert«? Es wäre falsch, in diesen Wendungen lediglich Stilfiguren zu sehen. Vielmehr sind es recht genaue Beschreibungen dessen, was wir in verschiedenen Gemütsverfassungen verspüren. In der Tat weiß man seit kurzem, dass Darm und Herz eigene Netzwerke von zigtausend Neuronen besitzen, die so etwas wie »kleine Gehirne« im Körper darstellen. Diese lokalen Gehirne können selber Dinge wahrnehmen, ihre Wirkungsweise in Abhängigkeit davon modifizieren und sich entsprechend ihren Erfahrungen sogar verändern, das heiß, in gewisser Weise eigene Erinnerungen ausformen.5
Doch das Herz verfügt nicht nur über ein eigenes, halbautonomes Nervensystem, sondern ist auch eine kleine Hormonfabrik. Es sondert Adrenalin ab, das es freisetzt, wenn es seine Kapazitäten voll ausschöpfen muss. Zudem schüttet es das Hormon Noradrenalin aus, das den Blutdruck reguliert, und kontrolliert dessen Freisetzung. Und es sondert sein eigenes Oxytocin ab, das Liebeshormon. Dieses wird ins Blut freigesetzt, beispielsweise wenn eine Mutter ihr Kind stillt, wenn ein Paar sich umwirbt oder auch bei einem Orgasmus.6 Alle diese Hormone wirken unmittelbar auf das Gehirn ein. Zu guter Letzt lässt das Herz den gesamten Organismus an den Veränderungen in seinem ausgedehnten elektromagnetischen Feld teilhaben, das man noch in einigen Metern Entfernung vom СКАЧАТЬ