Название: BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil
Автор: Harm Peter Westermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schwerpunkte Pflichtfach
isbn: 9783811453562
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Nach § 337 Abs. 1 ist die Draufgabe – anders als der Wortlaut nahelegt – im Zweifel auf die von dem Geber geschuldete Leistung anzurechnen. Das gilt auch, wenn der Empfänger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt (§ 338 S. 2). Nach § 337 Abs. 2 muss sie nach Vertragsaufhebung zurückgegeben werden. Das gilt nach § 338 S. 1 nicht, wenn die vom Geber geschuldete Leistung infolge eines Umstands, den er zu vertreten hat, unmöglich wird oder wenn der Geber die Wiederaufhebung des Vertrags verschuldet.[7]
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Nach § 336 Abs. 2 gilt die Draufgabe im Zweifel nicht als Reugeld. Das Reugeld ist in § 353 geregelt: Vertraglich kann vereinbart sein, dass ein Rücktritt unter Zahlung eines Reugelds möglich ist (also „erkauft“ werden muss). Aus der Draufgabe folgt im Zweifel kein Rücktrittsrecht: Weder kann der Geber unter Verzicht auf die Rückzahlung der Draufgabe zurücktreten, noch kann der Empfänger unter Verzicht auf die Draufgabe zurücktreten. Freilich können die Parteien etwas anderes vereinbaren.[8]
Teil I Grundlagen › § 4 Die Entstehung von Schuldverhältnissen › II. Kontrahierungszwänge
1. Allgemeine Charakteristiken
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Wenn Kontrahierungszwänge eingreifen, sind die Parteien durch Gesetz dazu verpflichtet, einen Vertrag zu schließen (Einschränkung der Abschlussfreiheit).[9] Auch der Inhalt der jeweiligen Verträge ist häufig weitgehend durch das Gesetz vorgegeben (Einschränkung der Inhaltsfreiheit). Kontrahierungszwänge dienen oft dem Schutz Schwächerer und ermöglichen in Teilbereichen deren materielle Freiheit. So ermöglicht etwa das Basiskonto nach den §§ 31 ff ZKG auch Obdachlosen, ein Girokonto zu erhalten und so am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Oft geht es bei Kontrahierungszwängen um Allgemeinwohlbelange: Sie sichern beispielsweise allen Menschen Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen (wie Wasser oder Energie).
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Kontrahierungszwänge kann man aus einem eher formalen Verständnis der Vertragsfreiheit heraus[10] als Eingriff in die Vertragsfreiheit charakterisieren.[11] Kontrahierungszwänge beschneiden das formale Ablehnungsrecht der verpflichteten Partei und schränken insofern deren Freiheitssphäre ein. Insoweit kann man auch davon sprechen, dass Kontrahierungszwänge die Vertragsfreiheit aufheben. Auf der anderen Seite erweitern Kontrahierungszwänge die rechtlichen Befugnisse der begünstigten Partei und fördern insoweit deren materiell verstandene Freiheit. Insoweit verwirklichen sie materielle Selbstbestimmung: Ohne die Möglichkeit, Verträge über die Versorgung mit Wasser oder Energie abzuschließen, wäre die formale Freiheit, ein Haus zu kaufen, wenig hilfreich. Kontrahierungszwänge sind ein besonders deutlicher Ausdruck der Verteilungsgerechtigkeit im Vertragsrecht.[12] Denn sie berücksichtigen vertragsfremde Aspekte und lassen sich normativ nur mit Blick auf die ökonomischen und sozialen Kontexte erklären.
a) Spezialgesetzliche Kontrahierungszwänge
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Kontrahierungszwänge sind in sehr vielen Spezialgesetzen vorgesehen, die spezifische Lebensbereiche betreffen. Man spricht insoweit auch vom „spezialgesetzlichen Kontrahierungszwang“. Solche Kontrahierungszwänge dienen dem Gemeinwohl. Oft geht es um den Zugang zu Ressourcen, die für uns alle lebenswichtig sind. So müssen etwa Energieversorger Letztverbraucher an die Energienetze anschließen (§§ 18, 36 EnWG), Postanbieter müssen grundlegende Postleistungen gewähren (§§ 12 und 18 PostG iVm § 3 Postdienstleistungsverordnung), Personenbeförderer müssen in Straßenbahnen, Omnibussen oder Kraftfahrzeugen jeden befördern (§§ 22, 47 PBefG, § 10 AEG und §§ 8, 9 EVO). Auch Sie selbst könnten betroffen sein, wenn Sie Anwältin werden: Für die Rechtsberatung besteht in den Grenzen der §§ 48 und 49 BRAO ein Kontrahierungszwang. Im Wirtschaftsrecht kann sich aus § 33 GWB iVm §§ 19, 20 GWB für marktstarke oder marktherrschende Unternehmen ein Kontrahierungszwang ergeben, wenn der Nichtabschluss eines Vertrages wettbewerbsrechtlich diskriminierend wäre.[13] Ein solch spezialgesetzlicher Kontrahierungszwang lässt sich mit Blick auf Fall 12 nicht finden. Sport ist für viele von uns wichtig, aber doch keine allgemein lebenswichtige Ressource.
b) Kontrahierungszwänge nach allgemeinen Regeln (§ 826 BGB, § 21 Abs. 1 AGG)
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Kontrahierungszwänge ergeben sich auch aus den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts – insbesondere aus § 826 BGB (teils wird auch § 826 iVm § 1004 Abs. 1 S. 2 bzw §§ 1004 Abs. 1, 862 analog als Anspruchsgrundlage genannt) und aus § 21 Abs. 1 AGG.
aa) Kontrahierungszwang auf Grundlage des § 826
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Schon vor Inkrafttreten des AGG hat die Rechtsprechung Kontrahierungszwänge vor allem auf Grundlage von § 826 entwickelt. Das mag auf den ersten Blick wegen der Rechtsfolge des § 826 erstaunen: Sie besteht ja im Schadensersatzverlangen. Schadensersatz wird indes gem. § 249 Abs. 1 in erster Linie dadurch geleistet, dass derjenige Zustand verwirklicht wird, der ohne das schädigende Ereignis bestünde (sog. Naturalrestitution[14]). Wenn aber die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gerade darin besteht, dass der Schädiger den Vertragsschluss verweigert, verwirklicht der Kontrahierungszwang eben den von § 249 Abs. 1 ins Auge gefassten Zustand, der ohne diese Schädigung bestünde. Voraussetzung des Kontrahierungszwangs ist, dass es um für den Berechtigten notwendige Güter geht, der Verpflichtete eine Art Monopolstellung innehält (so dass der Berechtigte keine ausreichende und zumutbare Möglichkeit hat, auf andere Anbieter auszuweichen) und dass er diese Monopolstellung missbraucht, indem er den Vertragsschluss ohne rechtlich gebilligten Sachgrund verweigert.
In Fall 12 mag der Betreiber tatsächlich daran interessiert sein, ein gewisses Geschlechtergleichgewicht innerhalb seines Fitnessstudios zu garantieren. Dieses Interesse wird hier indes nicht durch das Recht gebilligt: Bei solchen Fitnessstudioverträgen wird in der Regel das Geschlecht gerade nicht in den Blick genommen und eine Quotenregel ist nicht notwendig.
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Beispielsweise trifft nach der Rechtsprechung des BGH Vereine mit einer erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Machtstellung ein Zwang zur Mitgliederaufnahme, wenn die Bewerber auf die Mitgliedschaft angewiesen sind, um ihre Interessen zu wahren.[15] Den Vereinen muss freilich eine monopolartige Stellung zukommen, wofür allerdings eine erhebliche wirtschaftliche und soziale Machtstellung ausreichend ist. Wenn solche Vereine die Aufnahme verweigern, beeinträchtigen СКАЧАТЬ