Название: Die Genehmigung der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung
Автор: Marius Leven
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht
isbn: 9783811438613
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Literaturverzeichnis
A.Verzeichnis unveröffentlichter Quellen
B.Verzeichnis veröffentlichter Quellen
C.Verzeichnis der Internetquellen
Teil 1 Einleitung und Gang der Untersuchung
Teil 1 Einleitung und Gang der Untersuchung
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Die Bestechungsdelikte der §§ 331 ff. StGB stehen seit jeher im besonderen Interesse der Strafrechtswissenschaft. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung reicht von dem bis heute umstrittenen Schutzgut der §§ 331 ff. StGB[1], über den Amtsträgerbegriff des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, bis hin zu den Voraussetzungen der zwischen Vorteilsgeber und -nehmer zu schließenden „Unrechtsvereinbarung“[2]. Genährt wurden die Diskussionen in der Vergangenheit durch das wiederholte Bestreben des Gesetzgebers nach einer möglichst effektiven und vor allem umfassenden Korruptionsbekämpfung. Die §§ 331 ff. StGB unterliegen deshalb bis heute einer steten gesetzgeberischen Fortentwicklung.[3] Beispielhaft für die letzte Erweiterung der §§ 331 ff. StGB steht das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997.[4] Der Gesetzgeber erweiterte die Straftatbestände der §§ 331-334 StGB auf Tatbestandsebene zunächst um sog. „Drittvorteile“, also um solche Vorteile, die der Amtsträger nicht für sich, sondern für einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Weiter wurden im Rahmen der §§ 331, 333 StGB die Anforderungen an die zwischen Vorteilsgeber und -nehmer zu schließende Unrechtsvereinbarung gelockert. Ein Vorteil muss seitdem nicht mehr für eine bestimmte Diensthandlung, sondern nur noch allgemein für die Dienstausübung bestimmt sein. Zudem stellt § 333 StGB nunmehr spiegelbildlich zu den Tathandlungen der Vorteilsannahme die entsprechenden Formen der Vorteilsgewährung, also neben der Gewährung auch das Anbieten oder Versprechen eines Vorteils für die Dienstausübung unter Strafe. Gleichzeitig wurde der Strafrahmen der §§ 331-334 StGB verschärft. Statt mit bis zu zwei werden die Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung (§§ 331 Abs. 1, 333 Abs. 1 StGB) heute mit bis zu drei, im Fall eines Richter oder Schiedsrichters (§§ 331 Abs. 2, 333 Abs. 2 StGB) sogar mit bis zu fünf statt bislang bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Allerdings hat nicht nur der Gesetzgeber die Diskussionen über die §§ 331 ff. StGB lebendig gehalten. So kam dem Bundesgerichtshof mehrfach die Aufgabe zu, die legislatorisch zu weit geratenen Strafbarkeitsgrenzen der §§ 331 ff. StGB neu zu ziehen und ein allgemein für nicht strafwürdig oder -bedürftig erachtetes Verhalten aus dem weit geratenen Anwendungsbereich tatbestandsmäßigen Verhaltens wieder auszuschließen.[5]
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Angesichts dieser Entwicklungen überrascht es, dass die in den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB geregelte Genehmigungsmöglichkeit bislang wenig Beachtung erfahren hat. Die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB enthalten die einzige gesetzlich geregelte Ausnahme von dem Verbot der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung. Die Vorschriften wurden bereits durch das EGStGB vom 2. März 1974[6] in das Strafgesetzbuch aufgenommen und sind in der Folge nicht wieder in das Interesse des Gesetzgebers gerückt. Im Hinblick auf die in der Zwischenzeit ergriffenen Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen des Gesetzgebers ist dieser Umstand beachtenswert. Überhaupt fällt auf, dass der in den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB statuierte Genehmigungsvorbehalt in der Rechtsprechung sowie in der strafrechtlichen Literatur nur vereinzelt zu Diskussionen geführt hat. Dabei hätte insbesondere die Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs[7] in der sog. Poullain Affaire vom 10. März 1983 den Anstoß zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den Genehmigungsvorschriften liefern können. Die an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs geäußerte Kritik[8] beschränkt sich jedoch weitgehend auf die rechtliche Behandlung der irrigen Annahme einer erlaubten Vorteilsannahme. Zu einer Debatte über die objektiven Voraussetzungen einer solchen Erlaubnis hat sie – soweit erkennbar – nicht geführt. Mehr Resonanz haben die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB schon im Rahmen der sog. „Drittmittelfälle“ erfahren.[9] In das Zentrum der Diskussion sind sie aber auch hier nicht gerückt, weil § 331 Abs. 3 StGB jedenfalls die Genehmigungsmöglichkeit für den Fall eines durch den Vorteilsnehmer geforderten Vorteils ausschließt, die hochschulrechtlich erwünschte Einwerbung von Drittmitteln jedoch vielfach eine ebensolche Forderung darstellt. Umso größer ist deshalb Hardtungs[10] Verdienst zu bewerten, der die grundlegenden Strukturen der §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB erstmals einer umfassenden wissenschaftlichen Analyse unterzogen hat.
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Im Hinblick auf die in den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB geregelte Möglichkeit einer behördlichen Genehmigung gilt mittlerweile als gesicherte Erkenntnis, dass die Genehmigung sowohl das Verbot der Vorteilsannahme als auch das der Vorteilsgewährung suspendieren kann. Die Genehmigung gestattet nicht bloß die Annahme des Vorteils, sondern entfaltet über ihren Adressaten hinaus zusätzliche („Dritt“-)Wirkung gegenüber dem Vorteilsgeber. Nach wie vor ungeklärt ist jedoch die – vom Gesetzgeber bei Einführung bewusst offen gelassene – Frage nach ihrer Rechtsnatur. Die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB sehen zwei Möglichkeiten einer behördlichen Genehmigung vor. Die „vorherige Genehmigung“ der Behörde (§§ 331 Abs. 3 1. Var. , 333 Abs. 3 1. Var. StGB) erlaubt dem Nehmer die Annahme und dem Geber die Gewährung des Vorteils. Sie wird deshalb überwiegend als ein Rechtfertigungs- oder Tatbestandsausschließungsgrund qualifiziert.[11] Daneben existiert eine „nachträgliche Genehmigungsmöglichkeit“ (§§ 331 Abs. 3 2. Var., 333 Abs. 3 2. Var. StGB). Insoweit gilt es als gefestigte Erkenntnis, dass eine „nachträgliche Genehmigung“ die Strafbarkeit der Beteiligten nicht rückwirkend beseitigen kann. Die der Tatbestandsverwirklichung nachfolgende Genehmigung wird aus diesem Grund überwiegend als ein Strafaufhebungsgrund bewertet.[12]
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Die Frage nach der Rechtsnatur der Genehmigung wird im Folgenden allerdings keinen Schwerpunkt der Untersuchung bilden. Stattdessen wird der vorherigen Genehmigung der Behörde im Anschluss an die h.M. in der strafrechtlichen Literatur eine rechtfertigende Wirkung unterstellt. Eine tiefergehende Stellungnahme zur Rechtsnatur der Genehmigung soll schon deshalb unterbleiben, weil es in Bezug auf die vorherige Genehmigung vor dem Hintergrund der in der Literatur weithin anerkannten und in der folgenden Arbeit zugrunde gelegten sog. „Lehre vom Handlungs- und Erfolgsunrecht“[13] keinen Unterschied macht, ob die der tatbestandsmäßigen Handlung vorausgehende Genehmigung letztlich als ein Rechtfertigungs- oder aber als ein Tatbestandsausschließungsgrund qualifiziert wird. Zudem wird die Untersuchung im Hinblick auf die nachträgliche Genehmigungsmöglichkeit zeigen, dass die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB – entgegen der weitverbreiteten Ansicht in der strafrechtlichen Literatur – eine der Tatbestandsverwirklichung nachfolgende Genehmigung ausschließen. Die vorliegende Untersuchung wird aufzeigen, dass die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB bei genauer Betrachtung lediglich zwei Varianten einer der Tatbestandserfüllung vorausgehenden Genehmigungsmöglichkeit regeln. Schon deshalb sollen die in den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB aufgestellten Voraussetzungen einer erlaubten Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung in den Vordergrund gestellt werden. Die Analyse der §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB wird zeigen, dass die Genehmigung – unabhängig von ihrer Rechtnatur – bereits in ihren Voraussetzungen keinesfalls als geklärt angesehen werden kann.
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