Völkerrecht. Bernhard Kempen
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Название: Völkerrecht

Автор: Bernhard Kempen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Grundbegriffe des Rechts

isbn: 9783811441316

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СКАЧАТЬ de facto). Das lässt sich damit erklären, dass durch das Abstellen auf die Binnengrenzen einerseits das Publizitätserfordernis gewahrt war, andererseits aber das Entstehen staatsfreier Räume (terra nullius) vermieden werden konnte. In diesem Sinne war die Uti possidetis-Regel dem Effektivitätskriterium überlegen.

      Die vorstehend behandelten Beispiele betrafen sämtlich Fälle, in denen das Völkerrecht den faktischen Veränderungen neutral gegenüberstand: Nach allgemeinem Völkerrecht ist die Sezession eines Staates grds. nicht verboten. Auch ein Regierungswechsel, selbst wenn er auf revolutionäre Art und Weise erfolgt, verstößt grds. nicht gegen das Völkerrecht. Die Entstehung neuen Völkergewohnheitsrechts ist völkerrechtlich ebenfalls nicht verboten, wenngleich die Staaten in einer Übergangsphase (d. h. vor Etablierung der neuen Gewohnheitsrechtsnorm) gegen das bestehende Völkerrecht verstoßen. Schließlich erlaubte das klassische Völkerrecht die Kriegführung zur Durchsetzung eigener Interessen, ein damit einhergehender Gebietserwerb war daher ebenfalls nicht rechtswidrig. All dies kann als Beleg für den traditionell wertneutralen Charakter des Völkerrechts angesehen werden.

      Bereits eingangs wurde indes darauf hingewiesen, dass in neuerer Zeit eine wertmäßige Aufladung des Völkerrechts erfolgt ist. Damit stellt sich die Frage, wie sich das Völkerrecht gegenüber Situationen, die unter Verstoß gegen die genannten Rechtswerte zustande gekommen sind, verhält. Hier gewinnt nun die Maxime „ex iniuria ius non oritur“ an Bedeutung: In dem Maße, wie das Völkerrecht mit materiellen Werten aufgeladen wird, erfolgt zugleich eine Zurückdrängung des Effektivitätsprinzips. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der gegenwärtig noch nicht abgeschlossen ist und den das bestehende Spannungsverhältnis zwischen Legalitäts- und Effektivitätsprinzip kennzeichnet.

      Zu den zentralen Errungenschaften des modernen Völkerrechts gehört die Überwindung des Kriegführungsrechts (ius ad bellum) durch die Statuierung des → universellen Gewaltverbots. Zwar setzt die Natur des Gewaltverbots als nicht allein vertraglich (Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch.), sondern auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtsgrundsatz voraus, dass er von den Staaten akzeptiert und jedenfalls im Regelfall auch befolgt wird. In diesem Sinne stellen Verstöße gegen das Gewaltverbot keine Relativierung des Effektivitätsprinzips dar. Vielmehr bestätigt sich insoweit die über eine bloße Hinnahme des rein Faktischen hinausgehende Normativität des Völkerrechts.

      Seine entscheidende Relativierung erfährt das Effektivitätsprinzip jedoch bei der Frage nach dem Umgang mit unter Verstoß gegen das Gewaltverbot herbeigeführten Rechtszuständen, also etwa hinsichtlich der Anerkennung gewaltsamer Gebietsveränderungen. Nach der Regel „ex iniuria ius non oritur“ folgt aus dem Verstoß gegen das Gewaltverbot ein umfassendes Anerkennungsverbot auch für Dritte. Dieser Gedanke kam in der sog. Stimson-Doktrin (1932) zunächst als politische Absichtserklärung der USA zum Ausdruck, wurde aber später durch → Friendly-Relations Declaration und Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung verstetigt und hat heute nach (freilich nicht unumstrittener) Ansicht den Status von Völkergewohnheitsrecht. Je länger der unter Verstoß gegen das Gewaltverbot herbeigeführte Zustand andauert, umso problematischer wird es allerdings, an der Nichtanerkennung uneingeschränkt festzuhalten. Beispiele hierfür sind die Frage der Fortdauer der baltischen Staaten nach ihrer Eingliederung in die Sowjetunion 1940 bis zur (Wieder-)Erlangung der Unabhängigkeit 1989/90, die Behandlung der von Israel im Sechstagekrieg von 1967 besetzten Palästinensergebiete oder des von China 1950 annektierten Tibet.

      In einem weiteren Sinne ist die materielle Aufladung des Völkerrechts durch die Anerkennung der Figur des ius cogens erfolgt. Das Konzept des ius cogens hat sich zwar zunächst im Völkervertragsrecht durchgesetzt (Art. 53, 64 WVRK), wird aber heute umfassend im Sinne eines völkerrechtlichen ordre public verstanden, also von Rechtswerten, die im Interesse der Rechtsgemeinschaft insgesamt geschützt werden und von denen daher nicht abgewichen werden darf. Art. 41 Abs. 2 der ILC-Artikel über die Staatenverantwortlichkeit statuiert ein allgemeines Anerkennungsverbot für Situationen, die unter schwerwiegendem Verstoß gegen ius cogens zustande gekommen sind. Als Beispiel ist die Nichtanerkennung von Staaten zu nennen, die unter Verstoß gegen das → Selbstbestimmungsrecht der Völker (Südrhodesien), das Apartheidsverbot (südafrikanische Homelands) oder – abermals – das Gewaltverbot (Türkische Republik Nordzypern) entstanden sind.

      E › Eigentumsschutz (Markus Perkams)

       I. Allgemein

       II. Historische Entwicklung

       III. Schutz ausländischen Eigentums im Fremdenrecht

       IV. Eigentumsschutz in Investitionsförderungsverträgen

       V. Menschenrechtlicher Eigentumsschutz

      Lit.:

      R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985; J.A. Kämmerer, Der Schutz des Eigentums im Völkerrecht, in: O. Depenheuer (Hrsg.), Eigentum – Ordnungsidee, Zustand, Entwicklung, 2005, 131; B. Kempen, Eigentum: ein universelles Menschenrecht?, WiVerw2 2009, 19; Chr. Ohler, Der Schutz privaten Eigentums als Grundlage der internationalen Wirtschaftsordnung, JZ 2006, 875; M. Ruffert, The Protection of Foreign Direct Investment by the European Convention on Human Rights, GYIL 43 (2000), 116; B. Schöbener, Der menschenrechtliche Schutz des privaten Eigentums – eine Zwischenbemerkung, FS für K. Stern, 2012, 901.

      Der Schutz von Eigentum ist schon seit langem Bestandteil des Völkerrechts. Dennoch kann man aus zwei Gründen nicht von einem ausgeprägten völkerrechtlichen Eigentumsrecht sprechen. Erstens hat das Völkerrecht keine wirtschaftliche Gestaltungs- und Ordnungsfunktion, sondern dient lediglich der Koordinierung der Rechte und Pflichten der → Völkerrechtssubjekte. Dementsprechend beschäftigt sich das Völkerrecht nur mit solchen eigentumsrechtlichen Fragen, für die Koordinierungsbedarf besteht. Hier ist insbesondere die Behandlung von Enteignungen ausländischer Vermögenswerte (→ Enteignungsrecht, internationales) zu nennen. Zweitens gibt es im Völkerrecht verschiedene Rechtsgrundlagen für den Eigentumsschutz. Diese СКАЧАТЬ