Einführung Somatoforme Störungen, Somatische Belastungsstörungen. Annabel Herzog
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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Am Ende des aktuellen Kapitels wird auf Suizidalität als schwerste begleitende Komplikation bei somatoformen Störungen eingegangen. Die wichtigsten Differentialdiagnosen werden in Kap. 5 dargestellt.

      2.2.1 Psychische Komorbidität bei somatoformen Störungen

      psychische Komorbidität häufig

      Eine ganze Reihe von Studien belegt die hohe Komorbidität von somatoformen Körperbeschwerden und verschiedenen anderen psychischen Erkrankungen (Fröhlich et al. 2006). Eine „reine“ somatoforme Störung ist selten und die psychische Komorbidität stellt eher die Regel als die Ausnahme dar. Komorbide psychische Erkrankungen können dabei in einem (möglicherweise wechselseitigen) ursächlichen Zusammenhang mit den Körperbeschwerden stehen. Die einzelnen Störungsbilder entstehen aber nicht notwendigerweise gleichzeitig oder verlaufen parallel. Manchmal liegen viele Jahre zwischen dem Erstauftreten der somatoformen und einer weiteren komorbiden psychischen Symptomatik, wobei sich in einigen Fällen zuerst die somatoforme Störung und in anderen Fällen zuerst die andere psychische Störung entwickelt (Hiller / Rief 1997).

      Am häufigsten berichten Patientinnen und Patienten mit somatoformen Störungen zusätzlich belastende angstbezogene oder depressive Symptome (Kohlmann et al. 2016), wobei dies nicht bedeutet, dass immer die vollen Diagnosekriterien für eine Angststörung oder Depression erfüllt sind. Die Komorbidität ist so hoch, dass lange diskutiert wurde, ob funktionelle und somatoforme Körperbeschwerden überhaupt eigene Krankheitsentitäten sind oder eigentlich nur Manifestationen einer depressiven oder Angststörung darstellen (Kleinstäuber et al. 2016). Dagegen spricht, dass sich, trotz hoher Komorbiditätsrate, bei ca. 20 % der Patientinnen und Patienten mit somatoformen Körperbeschwerden keine affektive Symptomatik findet, wobei die Raten hier je nach Art, Dauer und Schweregrad der Beschwerden und dem jeweiligen Versorgungssetting schwanken (Henningsen et al. 2007). Darüber hinaus sprechen hohe Komorbiditätsraten zwischen psychischen Störungen nicht grundsätzlich gegen das Vorliegen distinkter klinischer Entitäten, sondern können auch durch die zum Teil wenig spezifisch formulierten Diagnosekriterien selbst verursacht werden (Maj 2005).

      Das vermehrte gleichzeitige Auftreten von somatoformen, angstbezogenen und depressiven Symptomen wird in der Primärversorgung auch als so genannte „Somatisierungs-Angst-Depressions-Triade“ beschrieben (Hänel et al. 2009).

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      Somatisierungs-Angst-Depressions-Triade

      Es wird geschätzt, dass jede / r zweite Patient / in mit einem der SAD-Syndrome (Somatisierung, Angst oder Depression) unter mindestens einem weiteren leidet (Löwe et al. 2008; Abb. 2.2). Da die entsprechenden Untersuchungen zwar einerseits eine hohe Überlappung dieser Phänomene, gleichzeitig aber auch deren Unabhängigkeit belegen (Henningsen et al. 2003; Löwe et al. 2008), wird weiterhin davon ausgegangen, dass es sich bei somatoformen Störungen, Angststörungen und Depressionen jeweils um eigenständige Krankheitsentitäten handelt. Diagnostisch wird dabei vorgeschlagen, Komorbiditäten ohne Hierarchien nebeneinander zu diagnostizieren (und auch zu verschlüsseln; Stein / Müller 2008; Kap. 5).

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      Eine große epidemiologische Studie aus der deutschen Allgemeinbevölkerung kam zu dem Schluss, dass Komorbidität bei insgesamt 44 % aller Fälle bei Patientinnen und Patienten mit einer psychiatrischen Diagnose vorhanden ist. Die Kombination aus somatoformen, Angst- und depressiven Störungen fand sich dabei in 4,7 % der Fälle (Jacobi et al. 2014).

      In einer Studie von Rief et al. (1992) fand sich bei 47 % der untersuchten Patientinnen und Patienten mit einer Somatisierungsstörung zusätzlich auch eine depressive Störung (Lebenszeit-Diagnosen). Seltener fand sich eine Komorbidität mit einer Agoraphobie (17 %), Panikstörung (13 %), Zwangsstörung (10 %), Essstörung (17 %) oder Alkoholabusus (20 %). Nur bei 7 % der Patienten mit somatoformer Störung bestand in dieser Studie keine andere zusätzliche Störung (Hiller / Rief 1997). Auch Traumafolgestörungen treten gehäuft zusammen mit somatoformen Störungen auf. Für die Posttraumatischen Belastungsstörungen finden sich Zahlen zwischen 8 % bis 19 % (Spitzer et al. 2009; Lieb et al. 2007). In einer Studie, die im Hausarztsetting durchgeführt wurde (n >10.000), zeigten diejenigen Patientinnen und Patienten mit einer Somatisierungsstörung sechsmal häufiger ein erhöhtes Maß an Angst oder depressiven Symptomen als diejenigen ohne Somatisierung (30 % versus 5 %; Clarke et al. 2008).

      Risikofaktoren für Komorbidität

      Für das Vorliegen einer komorbiden Angstsymptomatik und / oder Depression bei somatoformen Störungen wurden zahlreiche Risikofaktoren identifiziert. Ein konsistent belegter Risikofaktor ist eine hohe Anzahl an somatischen Symptomen. So steigt mit zunehmender Anzahl körperlicher Symptome auch die Symptombelastung durch Angst- oder depressive Symptome. Die Art der körperlichen Symptome spielt dabei eine untergeordnete Rolle (Kroenke / Rosmalen 2006).

      Als weitere Risikofaktoren gelten eine erhöhte psychische Belastung im Zusammenhang mit den somatischen Symptomen, im Sinne von übermäßigen und dysfunktionalen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen in Bezug auf die Symptome (Dessel et al. 2016), aktuelles Stresserleben, sowie ein subjektiv als schlecht eingeschätzter eigener Gesundheitszustand (Croicu et al. 2014).

      Bei Patientinnen und Patienten mit somatoformen Störungen scheinen gleichzeitig vorliegende Angstsymptome und depressive Beschwerden auch mit einer größeren Funktionseinschränkung im Alltag (Leeuw et al. 2015) sowie mit einer verstärkten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen (Barsky et al. 2005) verbunden zu sein. Die komorbide Angst selbst kann außerdem ebenfalls weitere belastende somatische Symptome hervorrufen. Panikattacken sind beispielsweise durch Bauchschmerzen, Brustschmerzen, Diaphorese, Schwindel, Dyspnoe, Herzklopfen, Parästhesien und Zittern gekennzeichnet (Tavel 2015).

      Patientinnen und Patienten mit somatoformen Störungen zeigen auch ein erhöhtes Risiko für Persönlichkeitsstörungen.

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      komorbide Persönlichkeitsstörungen

      Eine Untersuchung ergab, dass bei Patientinnen und Patienten mit somatoformen Störungen komorbide Persönlichkeitsstörungen bei 66 % auftraten (Bass / Murphy 1995). In einer weiteren Studie wurden 94 Patientinnen und Patienten mit Somatisierungsstörung anhand strukturierter Interviews untersucht. Dabei erfüllten 61 % die Kriterien für mindestens eine Persönlichkeitsstörung. Die häufigsten Persönlichkeitsstörungen waren dabei die selbstunsicher-vermeidende, die paranoide und die zwanghafte Persönlichkeitsstörung (Rost et al. 1992).

      Bezüglich der psychischen Komorbidität bei somatischen Belastungsstörungen muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass das Ausmaß bislang weitestgehend unbekannt ist, da die Diagnosen in DSM-5 und ICD-11 erst 2013 bzw. 2018 veröffentlicht wurden und daher Untersuchungen zu Komorbiditätsraten bislang weitestgehend fehlen. Zum aktuellen Zeitpunkt sind ähnliche Komorbiditätsraten wie bei den somatoformen Störungen anzunehmen.

      2.2.2 Psychische Komorbidität bei funktionellen Syndromen

      Auch bei den meisten funktionellen Syndromen wurde die psychische Komorbidität untersucht. Für die Rate von Depressionen bei Chronic Fatigue Syndrome finden sich Werte zwischen 19-37 % (Prins et al. 2005), bei Fibromyalgie sind es 62—86 СКАЧАТЬ