Название: Atemlos in Hannover
Автор: Thorsten Sueße
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783827184146
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„Meine Eltern waren nicht verheiratet, wenn du das wissen willst“, sagte er forsch. „Ist doch nicht schlimm, oder?“
Seine Stimmung schien zu kippen.
„Ist absolut okay“, äußerte Andrea beschwichtigend.
„Meine Eltern haben aber viele Jahre zusammengewohnt“, brummelte er.
Andrea verkniff sich eine weitere persönliche Frage.
Zwischen ihnen trat eine merkwürdige Stille ein, die Raffael unvermittelt unterbrach: „Hattest du das auch schon mal? Du rufst im Beerdigungsinstitut an – sind alle Leitungen tot.“ Er lachte.
„Wie …?“, murmelte Andrea erstaunt. „Was soll das denn?“
„Kleiner Scherz“, strahlte ihr Gegenüber.
Der Kollege hat eine merkwürdige Art von Humor.
Sie erreichten die Robert-Enke-Straße und die HDI-Arena. Raffael wollte einiges zu Hannover 96 wissen.
Am Nordwestufer des Maschsees setzten sie sich in der Nähe des Courtyard Hotels in einen Biergarten, der schon gut besucht war. Andrea hatte für sie zwei Gläser Bier besorgt. Sie saßen sich gegenüber, die Gäste auf der Bank neben ihnen waren in ihre eigenen Gespräche vertieft.
„Störtebeker zapfen sie hier leider nicht“, grinste Andrea, und Raffael lächelte zurück.
„Ist eh nicht meine Marke.“
Andrea hatte einige Sätze zu ihrer eigenen privaten Situation erzählt. Sie lebte allein in einer Mietwohnung eines Mehrfamilienhauses, hatte noch zwei Geschwister und Eltern, die alle in der Region Hannover wohnten. Das Verhältnis zu ihnen war weitgehend „okay“, wobei sich der Kontakt in Grenzen hielt.
Sie lenkte das Gespräch mit einem unverfänglichen Thema wieder in Raffaels Richtung: „Du kommst aus einer tollen Stadt wie Hamburg. Was reizt dich an Hannover, dass du dich hast hierher versetzen lassen?“
„Niemand aus meiner Familie lebt mehr in Hamburg.“ Er machte eine kurze Pause. „Hamburg ist mir auch zu groß und unübersichtlich. Und nennenswerte Kontakte, die mich halten würden, hatte ich dort nie.“
„Deine Familie ist auch aus Hamburg weggezogen?“
„Mein Vater ist nach Italien zurückgekehrt, seine Heimat Südtirol. Meine Tante ist nach Lüneburg umgezogen. Großeltern habe ich nicht mehr.“
„Und deine Mutter?“
„Die hat Hamburg ebenfalls vor Jahren verlassen.“ Er schaute betrübt. „Sie lebt in der Schweiz.“
„Bist du nie verheiratet gewesen?“
„Doch, früher.“ Er umfasste mit beiden Händen sein Bierglas und wechselte freudestrahlend das Thema: „Ich finde es toll, wie ich hier in Hannover aufgenommen worden bin. Die Arbeitsatmosphäre ist super, und du hast die letzte Woche viel dazu beigetragen. Die Kollegen sind sehr nett. Ich bin total zufrieden.“
Andrea war überrascht von diesem positiven Statement. Nach ihrer Einschätzung hatte es noch gar nicht so viele persönliche Berührungspunkte zwischen Raffael und den anderen Kolleginnen und Kollegen gegeben.
Aber ist ja prima, wenn er sich bei uns wohlfühlt.
„Und warum hast du dich ausgerechnet nach Hannover versetzen lassen?“
„Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, in Hannover zu wohnen und zu arbeiten“, erklärte er mit fester Stimme. „Ein Cousin von mir lebt schon seit Langem in der Region Hannover und hat oft davon geschwärmt, was Hannover alles landschaftlich und kulturell zu bieten hat.“
Andrea grinste erneut: „So, so, und du hast die Schwärmereien deines Cousins für bare Münze genommen …? Hoffentlich bist du hinterher nicht enttäuscht.“
„Du wirst es nicht glauben“, sagte Raffael freundlich lächelnd, „aber ich habe mich bereits seit Längerem intensiv mit der Region Hannover beschäftigt. Vereinzelt hab ich in Hamburg sogar schon die Hannoverschen Nachrichten gelesen. Ihr habt hier viel zu bieten, was ich sehr schätze.“
„Finde ich klasse, wenn sich ‚Auswärtige‘ für Hannover begeistern. Das sind wir hier gar nicht gewohnt. Aber du hast recht. Was interessiert dich denn besonders?“
Er musste kurz überlegen, dann erklärte er: „Burg Dankwarderode. Davon habe ich zum Beispiel gelesen.“
Andrea musste schlucken: „Burg Dankwarderode liegt nicht in der Region Hannover, sondern in Braunschweig.“
„Sorry, ich hab mich versprochen“, meinte er kopfschüttelnd. „Ich meinte natürlich die andere Burg bei Hannover.“
„Schloss Marienburg …?“
„Genau.“
„Davor kann ich dich nur warnen“, meinte Andrea mit gespielter Ernsthaftigkeit. „Du solltest hier nie Hannover mit Braunschweig verwechseln.“
„Schon klar, war nur ein Versehen.“ Er lachte. „Und mit deiner Hilfe werde ich hier schon schnell Fuß fassen.“
Kapitel 4
Freitag, 11. Mai
Die letzten Tage waren ihm die Bilder nicht aus dem Kopf gegangen: Nadine Odem, und was er mit ihr anstellen wollte. Sollte er es tun? Und wenn ja – wo und wann?
An diesem Abend wich er von seinem üblichen Tagesprogramm ab und fuhr mit dem Rad erneut nach Kirchrode. Jetzt kannte er bereits die Strecke und die wichtigsten Details im Umfeld des Hauses.
Es war mäßig warm und sollte am Wochenende so bleiben. Fürs Radfahren günstige Temperaturen. Er konnte problemlos eine Sommerjacke tragen, die seine Körperkonturen verdeckte.
Auf der Straße, die an ihrem Haus vorbeiführte, aber in einiger Entfernung, spielten zwei jüngere Kinder mit einem Ball.
Er stellte sein Fahrrad in der Nähe von Nadines Haus ab, behielt den Schutzhelm auf, als er zur seitlichen Umzäunung ihres Hauses ging. Eine ältere Frau, einen Hund an der Leine, entfernte sich mit dem Rücken zu ihm auf dem Gehweg. Als er zwischen den Büschen in den Garten spähte, durchfuhr ihn plötzlich ein eisiger Schreck. Nadine Odem stand mit einer kleinen Schaufel auf dem Rasen und schaute ihm fast direkt ins Gesicht.
Er spürte den Adrenalinschub, der durch seinen Körper schoss. Abhauen, bloß weg hier!, war sein erster Gedanke. Und dann: Zu spät!
Wenn er sich jetzt übermäßig auffällig verhielt, war sein Plan endgültig undurchführbar. Unter gewaltiger innerer Anspannung blieb er wie angewurzelt stehen.
Nadine kam langsam auf ihn zu.
Wahrscheinlich habe ich es gleich verkackt!
*
Nadine Odem liebte die Abwechslung. Bei einer verantwortungsvollen Arbeit wie ihrer, die viel mit Sitzen in Räumlichkeiten zu tun hatte, war ein entsprechender Ausgleich СКАЧАТЬ