Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz. Christoph Heizler
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СКАЧАТЬ (in actu esse).“345 Der temporale Aspekt einer hervortretenden Gegebenheit, zumal einer menschlichen, ist somit implizit mitausgesagt, wo der Begriff „Existenz“ in jüngeren Publikationen Verwendung findet.

      Die solcherart anthropologisch formulierte menschliche Verfasstheit erfährt in der „Existenzphilosophie“ betontes Augenmerk. Diese „ist seit Ende der zwanziger Jahre eine Sammelbezeichnung für eine Mehrzahl philosophischer Ansätze und Ausbildungen. Sie sind dadurch gemeinsam kennzeichenbar, dass sie die philosophische Frage nach dem Sein und dem Seienden im Ganzen festmachen am menschl. Dasein […], dem das Wirklichkeitsganze als naturaler und soz. Bedeutungszusammenhang nicht nur z. Nach- u. Mitvollzug schon schlechthin vorgegeben, sondern als zu Entwerfendes im ursprüngl. Vollzug seiner endlich-geschichtlichen Freiheit je aufgegeben ist.“346 Bei den Vertretern dieser Denkrichtung sind die geschichtliche Aufgegebenheit des menschlichen Daseins, und die Anforderung zu je individueller Aneignung derselben ebenso im Blick, wie die grundlegende Transzendenzmöglichkeit und -tendenz des Menschen. Nach Alois Halder „steht“ die Existenzphilosophie „in einer Traditionslinie der neuzeitl. Philos. der sich überantworteten Subjektivität, betont aber in deren Verfassung radikaler das Handlungsbewußtsein u. die Tat d. Entscheidung in jeweil. Situation vor dem Erkenntnisbewußtsein und dem objektivierenden und bleibende Gültigkeit suchenden Wissen, insg. die konkrete menschliche Individualität mit ihrer unabnehmbaren Last, sich u. ihre eigene Lebens- u. Weltgestalt ‚echt‘ selbst zu gewinnen oder zu verfehlen, worin zugleich ihr ausgezeichneter Rang begründet ist.“347 Das Transzendieren des Menschen stößt jedoch angesichts des Uneinholbaren des Seins im Ganzen (sowie gleichermaßen seines eigenen In-der-Welt-seins) an eine unüberwindliche Grenze, von der der Mensch unausweichlich und bleibend angegangen wird. An dieser Grenze öffnet sich ihm die Möglichkeit des bleibenden Scheiterns seiner Transzendenzbemühungen und seiner Suche nach Gelingen des aufgegebenen Lebens (K. Jaspers).348 Andere Vertreter der Existenzphilosophie, oder solche, die von ihr Anregungen aufnehmen, sehen aber die Möglichkeit, sich in Form der Hoffnung (G. Marcel)349 auf die Grenze zu beziehen, an die das menschliche Tranzendieren stößt; oder es besteht die Möglichkeit, dem „ursprünglichen Geheimnis“, das an den Menschen in seinem Über-sich-hinaus-verwiesensein rührt, in Form der „Andacht“ und der „Anbetung“ zu begegnen und zu entsprechen (B. Welte).350

      Die Aufnahme des Begriffs „Existenz“ in eine phänomenologisch sensibilisierte Beschreibung der Gebetsäußerungen Edith Steins kann somit existenzphilosophisch eine Hoffnungs- und Anbetungsdimension in den Blick heben, die aus den Bedingungen des Menschseins als Möglichkeit ableitbar ist. Wo von Existenz die Rede ist, dort ist philosophisch einschlussweise intellektuell möglich und verantwortbar, von der Denkbarkeit und der Möglichkeit einer Daseinsaktualisierung zu sprechen, die dem Moment des hoffnungsbereiten Gebets Raum gibt. Insofern scheint eine entschiedene Justierung der Optik auf das Gebet bei Edith Stein mithilfe von Begriffen der phänomenologisch orientierten Existenzphilosophie erhellend und sinnvoll zu sein.

      Guggenberger unterscheidet diesbezüglich neben dem Zugang zu „Existenz“ in „metaphysischer Sicht“ denjenigen in „phänomenologischer Auslegung“.351 Dabei weist er darauf hin, dass letztere von der erstgenannten den Bezug auf die Bedingtheit der eigenen Existenz und den Verweis auf eine „absolute Existenz“ zu beachten habe, wolle die phänomenologische Sicht nicht dazu genötigt sein, die „Bedingtheit und Endlichkeit“ der menschlichen Existenz zu verabsolutieren, wie das bei Sartre gegeben sei. Die phänomenologische Sicht und ihr Denken „verlegt sich mit aller Anstrengung darauf, aufzudecken, wie sich die in den Raum des Zeitlichen und Endlichen gestellte, die ‚geworfene‘ Existenz, die der Mensch ist, von sich aus zeigt.“ Das Moment des Zeitlichen findet betonte Beachtung: „Der Mensch, der existiert, ist ein ständig ‚Sich-Zeitigender‘. Als solcher ist er immer nur bei sich im jeweiligen Augenblick.“352 Dieser Augenblick ist, wo er betend geschieht, Ausdruck der geistlichen Existenz eines Menschen. Der Abfolge, Form und inhaltlichen Prägung dieser Augenblicke gelten die nachfolgenden Erkundungen der Konturen des Betens im Leben der Edith Stein.

      228 Vgl. exemplarisch Rahner, K.: Artikel „Gebet. IV. Dogmatisch“, in: LThK, 2. Auflage, Freiburg 1960, Bd. 4, Sp. 542–545, sowie Schaller, H.: Artikel „Gebet. IV. Systematisch-theologisch“, in: LThK, 3. Auflage, Freiburg 1995, Bd. 4, Sp. 313–314, sowie die jeweils angegebenen weiterführenden Literaturangaben.

      229 Vgl. Lang, B.: Artikel „Gebet“ in: NHThG, Paderborn 1993, S. 469–486, sowie Wulf, F.: Artikel „Gebet“, in: HThG, München 1962, S. 424–436.

      230 Vgl. zum Ganzen das Standardwerk von Heiler, F.: Das Gebet: eine religionsgeschichtliche und religionspsychologische Untersuchung, Marburg 1923. Eine instruktive Zusammenfassung von Aspekten, unter denen das Beten theologisch im christlichen Raum bis zur Scholastik gesichtet wurde, findet sich bei Maidl, L.: Desiderii interpres. Genese und Grundstruktur der Gebetstheologie des Thomas von Aquin, Paderborn 1994, S. 65–120. Moderne Stimmen zum Gebet unter Einbezug antrophologischer Fragestellungen und interreligiöser Perspektiven sichtet Sudbrack, J.: Beten ist menschlich. Aus der Erfahrung unseres Lebens mit Gott sprechen, Freiburg 1973, besonders S. 116–139. Vgl. auch die im Abschnitt 2.1.1. dieser Studie angeführten Publikationen jüngeren Datums.

      231 Vgl. zu Rahners Gebetsverständnis Stolina, R.: Die Theologie Karl Rahners: Inkarnatorische Spiritualität. Menschwerdung Gottes und Gebet, Innsbrucker theologische Studien, Bd. 46, Innsbruck 1996, besonders S. 11–30 und S. 129–250, sowie Reisenhofer, J.: „Ich glaube, weil ich bete“. Zur Theologie des Gebetes bei Karl Rahner, in: Siebenrock, R. (Hg.): Karl Rahner in der Diskussion, Innsbruck 2012, S. 149–158, sowie Deutsch, T.: O-Ratio. Versuch einer Verhältnisbestimmung von Beten und Denken nach Karl Rahner, Hans Urs von Balthasar, Richard Schaeffler und Gerhard Ebeling, Trier 2010.

      232 Rahner, K.: Artikel „Gebet. IV. Dogmatisch“, in: LThK, 2. Auflage, Freiburg 1960, Bd. 4, Sp. 542–545. Diese bereits 1960 formulierte Wesensbeschreibung des Gebets spannt einen weiten Horizont aus, in dem der menschliche Grundakt des Betens sich zuträgt: „In seinem Wesen ist das Gebet die ausdrückliche und positive Realisierung unserer natürlich-übernatürlichen Bezogenheit auf den persönlichen Gott des Heils; es verwirklicht also das Wesen des rel. Aktes schlechthin; […] Alle positiven religiösen Akte, die sich erkennend und wollend direkt und ausdrücklich auf Gott beziehen, können als G. bezeichnet werden. Durch seinen responsorischen Charakter ist das (christl.) G. Annahme jener Transzendenz auf den Gott des ewigen Lebens hin, die durch Gottes Selbsterschließung allererst in der Gnade eröffnet ist.“ (ebd. Sp. 543). Zur Gebetstheologie hat sich der Jesuit wiederholt geäußert, sein glaubenserschließendes Anliegen wird dabei durchgängig erkennbar, vgl. dazu Rahner, K.: Von der Not und dem Segen des Gebetes, Freiburg 1958 sowie ders.: Vom Beten heute, in: GuL 42 (1969) S. 6–17, ders.: Über das Beten, in: GuL 45 (1972) S. 84–98, ders.: Vom Mut und der Gnade, sich auf das Ganze einzulassen. Beten als Grundvollzug menschlicher Existenz, in: GuL 56 (1983) S. 12–14.

      233 Schaller, H.: Artikel „Gebet. IV. Systematisch-theologisch“ in: LThK, 3. Auflage, Freiburg 1995, Bd. 4, Sp. 313–314. Hans Schaller kennzeichnet das christliche Beten in seiner trinitarischen Verfassung und als Teilhabe am Gebet Jesu. Christliches Beten ist wesentlich Beten mit der Kirche und zweckfreies Tun. (vgl. ebd. Sp. 313 f.).

      234 Vgl. dazu Lang, B.: Artikel „Gebet“, in: NHThG, 3. Auflage, München 2005, S. 469–486.

      235 vgl. dazu Gensichen, H. W.: Artikel „Gebet. Religionswissenschaftlich“, in: LThK, 3. Auflage, Freiburg 1995, Bd. 4, Sp. 308–309 sowie die dort aufgeführten Literaturangaben.

      236 Sudbrack, J.: Beten ist menschlich. Aus der Erfahrung unseres Lebens mit Gott sprechen, Freiburg 1973, S. 199.

      237 Dalferth, I. U./Peng-Keller, S. (Hg.): Beten als verleiblichtes СКАЧАТЬ