Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz. Christoph Heizler
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СКАЧАТЬ Triologie (Theologik) steht eine am Phänomen der ‚Herrlichkeitsgestalt‘ Jesu Christi abgelesene Logik Gottes. Sie ist aus keinem Apriori des Menschen ableitbar, gleichgültig, ob dieses Apriori als ‚tranzendentale Erfahrung‘ (Rahner) oder als ‚existentielle Betroffenheit‘ (Bultmann) beschrieben wird“.293

      Ilkamarina Kuhr umreißt die Bedeutung des Gestaltbegriffs bei Balthasar zusammenfassend: „Die Gestalt avanciert in Balthasars theologischer Ästhetik zur systematischen und hermeneutischen Grundkategorie. Sie unterstützt sowohl deren Sachanliegen, den Glanz der Herrlichkeitsgestalt Gottes in seiner Entäußerung am Kreuz aufscheinen zu lassen und als phänomenale Mitte der Offenbarung in Welt und Geschichte auszuweisen, als auch deren hermeneutischen Zugang, sich kontemplativ auf jenes von sich selbst her erscheinende Phänomen einzustimmen. In ihr fallen Inhalt und Methode der Offenbarungstheologie zusammen.“294 In die gleiche Richtung weisend formuliert Yves Tourennes: „Gestalt ist ein Umriß, eine feststellbare Form, tiefer noch eine ursprüngliche, fest bestimmte Einheit, die eine Vielzahl von Aspekten, Elementen oder Gliedern eint und einbezieht. Sie läßt sich sehen: Schau der Gestalt, das ist die Basis, worauf die ganze Theologie ruht; indem die Gestalt sich zeigt, liefert und ‚sagt‘ sie sich aus, verstrahlt das Innerlichste ihrer selbst.“295

      Zentral ist für Balthasar sein Verständnis der inklusiven Teilnahme der Gläubigen an der alle anderen Stellvertretungen begründenden, exklusiven Stellvertretung Jesu Christi, die ihm der Schlüssel zum Verständnis kirchlicher Existenz als Nachfolge Jesu Christi wird.296 In der Teilhabe an der exklusiven Stellvertretung Jesus Christi kommt das Geschehen der Eingestaltung in das Sein des Erlösers an ihr Ziel: „Balthasar beschreibt den Übergang vom ersten (Theo-Ästhetik) zum zweiten Teil (Theo-Dramatik) seines Hauptwerkes als Transformierung eines zweidimensionalen in ein dreidimensionales Bild. Indem er aus der Welt des Theaters Analogien für die Schilderung des einzigartigen Dramas zwischen Gott und Mensch erhebt, spricht er von einer Bühne für das Drama der Weltgeschichte. Gott ist in Christus nicht nur der Autor und Regisseur, sondern auch der Ausführende dieses Dramas. Dennoch ist der einzelne Mensch nicht seine Marionette. Christi Stellvertretung eröffnet den Spielraum für mitspielende Personen, und zwar so, daß diese in dem Maße nicht nur scheinbar, sondern wirklich frei sind, indem sie die Rolle spielen, die ihnen zugedacht ist. Jede Rolle ist eine je einmalige Explikation der Sendung des Erlösers. Balthasar spricht von der exklusiven Sendung und Stellvertretung des Erlösers und den vielen Sendungen und inklusiven Stellvertretungen der Erlösten.“297 Philosophisches und theologischen Denken konvergieren bei Balthasar in der beschriebenen Denkfigur der inklusiven Stellvertretung: „Denn als Stellvertreter verhält sich Jesus Christus zu jedem einzelnen Menschen so ähnlich wie der eingangs beschriebene actus essendi (das nichtsubsistente Sein) zu jedem einzelnen Seienden.“298 Insofern ist für den Basler Theologen jedwede Ekklesiologie immer nur als Entfaltung von Christologie denkbar: „Es gibt keine Ekklesiologie, die nicht Christologie wäre.“299 Da für Balthasar alles Kirchliche im Christusereignis bleibend fundiert und von dort her je und je neu getragen ist, plädiert er für eine grundlegende Selbstrelativierung beim Verstehen und Sprechen von der Kirche.300 Diese gründet nicht in sich, sondern in Christus: „Recht verstandene Ekklesiologie muß, um sich echt zu begründen, sich immer erst aufgehoben haben.“301 Nur wo ihre Bezogenheit auf Jesus Christus zu Gesicht kommt, kann eine adäquate Sicht auf die Kirche erlangt werden: „Die Kirche hätte, wollte man einen Augenblick von ihm absehen und sie als eigene Gestalt betrachten und zu verstehen versuchen, nicht die geringste Plausibilität. […] Sie verliert im Gegenteil so jede Glaubwürdigkeit, weshalb die Kirchenväter ihr Licht häufig mit dem von der Sonne geborgtem Licht des Mondes (das seine Relativität ab deutlichsten anzeigt) verglichen.“302

      Die derart begriffene Nachfolge Jesu Christi als Teilhabe an seiner Stellvertretung und Inklusion in seinen Sohnesgehorsam ist Balthasar Ausdruck und höchste Verwirklichungsform des menschlichen Seins als Liebe. Peter Henrici sieht darin den Schlüssel zum Werk Balthasars: „Sein ist nur als Liebe verständlich; Seinsphilosophie weist über sich hinaus auf eine Philosophie der Liebe […] Das alles ist mehr als ‚personale Ontologie‘ (oder gar oberflächlicher ‚Personalismus‘); es ist mehr als bloße Dialogik: Metaphysik der Liebe, die sich im Gegenlicht einer Liebestheologie abzeichnet. Liebe ist das einzig ‚Glaubhafte‘, weil sie das einzig wirklich Verstehbare, ja das einzig ‚Vernünftige‘ ist: ‚id quo majus cogitari nequit‘; denn ihr Wunder liegt je schon über alles Erdenkliche hinaus und ist doch nicht weniger wirklich, ja der Grund zu allem Wirklichsein. Hier liegt, offen-verborgen, der Schlüssel zu Balthasars Werk und deshalb auch zu seiner Philosophie. Erst wenn es gelingt, das Sein als Liebe zu verstehen – und zwar ineins als Armut des Eros und als selbstloses Sich-Verschenken –, erst dann ordnen sich die Perspektiven dieses kaum überschaubaren Denkens zu einer schlichten und eindrücklichen Gestalt. Weil das Sein Liebe ist, deshalb steht im Zentrum der Triologie nicht die Ästhetik, sondern die Dramatik.“303 Im Zentrieren der theologischen Diktion auf das in Jesus Christus unüberbietbar anschaulich-konkrete und universal bedeutsame Phänomen „Liebe“ ist ein wesentlicher Beitrag Balthasars für die Fragestellung nach der Gestalt des Betens bei Edith Stein zu sehen. Dies insofern Balthasar nämlich vom Phänomen der Liebe her eine relationale und aus trinitarischen Bezügen hergeleitete Anthropologie entwickelt,304 die auch bei Edith Stein aufgewiesen werden kann und die im Zentrum ihres religionsphilosophischen Hauptwerkes steht.305

      In Balthasarscher Sicht ist der Mensch dazu berufen, sich von der Liebe, die innertrinitarisch anhebt, und ihm in Christus vermittelt nahe kommt, anstecken zu lassen, um schöpferisch daran mitzuwirken. Dabei lässt er sich in die unfassbare Distanz, den „Hiatus“, der den göttlichen Sohn vom ewigen Vater „trennt“, sofern er von ihm innergöttlich gezeugt wird, hineinnehmen und in die Rückkehrbewegung des Sohnes zum Vater integrieren. Dazu führt Balthasar in seinem Werk „Das betrachtende Gebet“ aus: „Aber Christus kehrt aus aller sinnlich und geistig faßbaren Weltgestalt wieder zum Vater zurück, und hierdurch öffnet er erst den wirklichen Weg der Kontemplation: indem er die vom Vater redenden Bilder und Begriffe nicht so auf Erden hinterläßt, wie er sie zunächst als fleischlicher Mensch unter Menschen gesetzt hat, sondern sie – das ist der Inhalt der ganzen paulinischen Theologie – aus dem Irdisch-Buchstäblichen-Prophetischen ins Himmlisch-Geistig-Erfüllte empornimmt und übersetzt, und uns, als mit ihm zusammen Sterbende, Auferstehende und zum Himmel Fahrende in seiner eigenen Bewegung von der Welt zum Vater ermächtigt, die Verwandlung der alten in eine neue, geisthafte und göttliche Welt mitzuvollziehen.“306 Insofern nimmt der Mensch an der innergöttlichen Dynamik teil und lässt sich dabei von der Hingabe Jesus Christi und seinem Sohnesgehorsam dem liebenden Vater gegenüber tragen. Diese Haltung ist für Balthasar die Gestalt des christlichen Seins im Ganzen. Gestalt wird so zu einer lebenspraktisch relevanten Kategorie, zu einem Begriff, der die ganze menschlichen Existenz in ihrem Charakter als gottbegründete Sendung meint: „ ‚Gestalt‘ ist ein Verlegenheitsausdruck für diese geheimnisvolle Wirklichkeit, die das ideale Urbild des erlösten und glaubenden Menschen in Christus und doch zugleich seine wahre, eigentliche Realität ist, auf die hin der Vater ihn nunmehr ansieht und bewertet und von der her er als Glaubender zu leben aufgefordert ist. […] Wir können diese Gestalt des Christen, die zugleich reine Gnade des Vaters, die Gliedform des Menschen im mystischen Leib Christi, schließlich er selbst, der Mensch in seiner ganzen Konkretheit, aber innerhalb der Erlösung, ist: wir können diese Gestalt seine Sendung nennen. Das, wofür er seine Natur ganz zur Verfügung stellen und halten soll, damit sie in dieser Hingabe, in diesem Gottes-Dienst ihre eigene, höchst persönliche Erfüllung jenseits ihrer natürlichen und unvollkommenen Möglichkeiten finde. Das, worin sie unfehlbar über ihre eigenen Kräfte hinaus befähigt und fruchtbar werden wird. Das auch, worin der Mensch sich letztlich im Glauben verstehen wird, weil die Sendung christus- und damit wort-, logosförmige Gestalt hat. Wer seiner Sendung gehorcht, der erfüllt sein Wesen […].“307

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