Название: Das letzte Schwurgericht
Автор: Günter Huth
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783429061586
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Sie wusste natürlich, dass er sie nur trösten wollte. »Kann das mit der …, mit der Mafiasache von damals zu tun haben?«
Kerner wusste natürlich, was sie meinte. Sein erster Gedanke, als er die toten Krähen gefunden hatte, war auch in diese Richtung gegangen. Konnte dies eine Botschaft der Mafiafamilie sein, zu deren Ende er maßgeblich beigetragen hatte? Auch wenn das Landeskriminalamt die Strukturen der Main-Spessart-Familie angeblich zerschlagen hatte, gab es vielleicht immer noch einzelne Familienmitglieder, die nicht vergessen konnten, wem sie ihren Untergang zu verdanken hatten. Sein Gefühl sagte ihm aber, dass die Ursache anderswo lag.
»Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen«, gab Kerner daher zurück. So saßen sie fast eine Stunde. Kerner hielt seine Freundin im Arm und versuchte, ihr die Angst zu nehmen.
Sie atmeten beide auf, als sie vor dem Haus endlich den Motor eines Autos hörten, das vor dem Eingang des Grundstücks stoppte. Kerner ließ Steffi los und eilte zur Haustür.
»Danke, dass du so schnell gekommen bist«, begrüßte er seinen Freund.
Hinter Brunner standen zwei Männer mit Metallkoffern, in denen sich, wie Kerner wusste, die Ausrüstung für die Spurensicherung befand.
»Die Kollegen Meuser und Feser«, stellte Brunner die beiden Beamten kurz vor, die mit ihm die Wohnung betraten.
Brunner begrüßte Steffi, die sich sichtlich erleichtert von der Couch erhob, dann ging er zur Verandatür. Er war schon des Öfteren bei Kerner zu Besuch gewesen, daher kannte er sich aus. Der Kriminalbeamte öffnete die Jalousie mit der Kurbel und betätigte den Schalter für die Außenbeleuchtung. Mit einem Schlag wurde die Veranda in helles Licht getaucht. Er schob die Glastür auf und trat hinaus. Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er den zerstörten Blumentopf. Nachdem Kerner noch einmal den Tatablauf geschildert hatte, machten sich die Spurenexperten an die Arbeit.
Sehr schnell war unter den zahlreichen Tonscherben diejenige gefunden, die den Einschuss aufwies. Von dieser Stelle ausgehend, war der Blumentopf massiv zersplittert.
»… und es war tatsächlich kein Schuss zu hören?«, wollte Brunner wissen.
Steffi, die ja auf der Hollywoodschaukel nicht geschlafen hatte, schüttelte heftig den Kopf. »Es gab einen lauten Knall, aber der stammte von dem auseinanderfliegenden Blumentopf. Ich weiß, wie ein Schuss klingt. Schließlich war ich schon oft genug mit Simon auf der Jagd.«
Als einer der Beamten die buschige Pflanze hochhob, die, nachdem sie den Halt des Tontopfes verloren hatte, einfach zur Seite gekippt war, gab er einen überraschten Laut von sich.
»Was ist denn das?«, wunderte er sich und holte zwischen den Blättern einen toten, schwarzen Vogel hervor. Brunner und Kerner traten einen Schritt näher.
»Ich fasse es nicht!«, stieß Kerner betroffen aus. »Das ist eine Rabenkrähe.« Er machte dem Beamten ein Zeichen. »Halten Sie sie doch bitte mal an den Flügeln hoch.«
Der Mann fasste den Vogel an den Schwingen, zog diese auseinander und hielt ihn so vor sich, dass die anderen die Brustseite sehen konnten.
»Verdammt noch mal, das ist die Krähe, von der ich dir bei unserem letzten Treffen erzählt habe! Die man mir an die Tür der Toilette meiner Jagdhütte genagelt hatte.«
Brunner zog verwundert die Augenbrauen in die Höhe. »Wie kannst du da so sicher sein?«
Kerner trat näher heran und betrachtete das Tier genauer. »Nein, ich irre mich. Das ist nicht derselbe Vogel.« Er zeigte mit dem Finger auf den Kopf. »Diesem Tier hat man zwar auch die Augen ausgestochen, aber das Blut ist noch ziemlich frisch.« Er ging nahe heran und zog die Luft ein. »Es riecht auch noch nicht. Das andere Exemplar hat schon nach Verwesung gestunken.« Kerner suchte das Brustgefieder ab. »Hier ist ein Einschuss.« Er gab dem Beamten ein Zeichen, die Krähe umzudrehen. »… und hier der Ausschuss.« Er wies auf das kleine blutige Loch.
Brunner sah sich die Krähe genauer an. »Total pervers!«, murmelte er.
»Das kannst du laut sagen! Da macht sich offenbar jemand viel Mühe, mich einzuschüchtern«, stellte Kerner fest. »Dieser Vogel ist vor noch nicht langer Zeit getötet worden.«
Brunner bat seinen Kollegen, den Vogel einzutüten und als Beweisstück später einzufrieren. Nachdem Brunner und Kerner wieder im Wohnzimmer waren, meinte der Kriminalbeamte nachdenklich: »Simon, so wie es aussieht, hat heute jemand im Laufe des Tages dein Grundstück betreten und diesen Vogel dort in dem Blumentopf versteckt. Dann hat er hier in der Nähe gewartet. Als ihr es euch auf der Veranda gemütlich gemacht habt, hat er auf den Blumentopf geschossen. Wahrscheinlich hat er ein Projektil verwendet, das eine stark zerstörerische Wirkung hat, damit der Topf auch richtig auseinander fliegt.« Brunner zeigte in die Dunkelheit, wo sich der Waldrand befand. »Der Schuss muss von dort abgegeben worden sein. Nachdem ihr keinen Knall gehört habt, wahrscheinlich mit einem schallgedämpften Gewehr.«
»Du meinst, er wollte uns erschießen?« Steffis Stimme zitterte, als sie diese Frage stellte.
Brunner schüttelte entschieden den Kopf. »Das glaube ich nicht. So wie ihr mir gesagt habt, seid ihr beide auf der Hollywoodschaukel gesessen, ein ganzes Stück von dem Blumentopf entfernt. Selbst ein mittelmäßiger Schütze hätte euch da leicht treffen können. Nein, ich denke, dass dies eine ganz bewusste Provokation war. Auf den Blumentopf wurde ganz gezielt geschossen. Der Kerl wollte euch klarmachen, dass er euch hätte töten können, wenn er gewollt hätte. Ich würde das als Psychoterror bezeichnen. Und die Krähe ist darüber hinaus eine Botschaft. Simon, irgendjemand will dir damit etwas sagen. Was anderes kann ich mir im Augenblick nicht vorstellen. Auf jeden Fall solltest du vorsichtig sein. Das ist kein Scherz! Die Verwendung eines schallgedämpften Gewehrs deutet auf einen Profi hin. Legal sind Schalldämpfer nur mit Ausnahmegenehmigungen zu bekommen, und die werden praktisch nicht erteilt.«
Steffi begann leise zu weinen. »Nimmt das denn kein Ende.«
Kerner nahm sie tröstend in die Arme. »Sie meint, dass wieder die Mafia dahinter stecken könnte.«
Brunner wiegte seinen Kopf. »Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Diese ganze Geschichte mit der Krähe ist eher untypisch. Ein Mafiakiller würde seinen Job machen und dann verschwinden. Aber ich werde auf jeden Fall morgen beim Landeskriminalamt nachfragen und mich nach eventuellen neuen Aktivitäten der Mafia im Main-Spessart-Bereich erkundigen. Sollte es da Hinweise geben, werde ich dafür sorgen, dass ihr Personenschutz bekommt.« Er legte Steffi seine Hand beruhigend auf den Arm, dann verabschiedete er sich. »Lasst hier bitte alles so liegen, wie es ist. Wir werden morgen wiederkommen und bei Tageslicht alles genau nach Spuren absuchen. Vielleicht finden wir das Projektil. Nachdem es den großen Blumentopf mit der vielen Erde durchschlagen hat, kann es nicht mehr weit geflogen sein. Vielleicht finden wir dort im Wald auch die Stelle, von der aus der Täter geschossen hat. Simon, seid auf jeden Fall vorsichtig!«
Kerner brachte die Beamten und Brunner zur Tür.
»Ich mache mir Sorgen um Steffi«, sagte er leise. »Du kannst sicher nachvollziehen, dass dieser Anschlag eine massive psychische Belastung für sie darstellt. Sie nimmt sich zwar zusammen, aber ich befürchte, dass bei ihr wieder die ganzen alten Ängste aufbrechen, die sie in der letzten Zeit weitgehend abgebaut hatte.«
»Kannst du sie nicht für einige Zeit in Urlaub schicken, bis wir den Fall aufgeklärt haben?«
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