Lebendige Seelsorge 5/2019. Verlag Echter
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Название: Lebendige Seelsorge 5/2019

Автор: Verlag Echter

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783429064259

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СКАЧАТЬ Sinnwelt zu erschließen. Dies legt es nahe, sie als primären Ort des Christlichen in der Moderne zu betrachten.

      Die katholische Kirche steht sich mit dem Übermaß an Organisation selbst im Weg.

      THESE 5: UMKEHR VOM WEG DER ORGANISATION

      Der Weg der katholischen Kirche der letzten 200 Jahre war der Weg der Organisation. Gerade die katholische Kirche konnte dabei auf eine lange frühorganisatorische, bis in des 11. Jahrhundert zurückreichende Tradition zurückgreifen (vgl. Kaufmann 2012, 194-215). Was den päpstlichen Juristen des Mittelalters als Utopie vorschwebte, wurde im 19. und 20. Jahrhundert empirische Realität: eine zentralisierte, bürokratisch organisierte Kirche, die mit dem Jurisdiktionsprimat und der Unfehlbarkeit das Papstes alle organisatorischen und religiösen Machtmittel an der Spitze zusammengezogen hatte. Ekklesiologsich und kirchenrechtlich galt die zentralisierte Organisationsgestalt der Kirche als eine heilige, von Christus selbst eingesetzte Ordnung.

      Die zur Organisation gegenläufigen, gemeinschaftlichen Sozialformen innerhalb der Kirche gerieten unter Druck und verloren an Bedeutung. Neben den gemeinschaftlichen Lebensformen der Orden waren es die Lokalgemeinden, die an Eigenständigkeit und Möglichkeit zur autonomen Selbstgestaltung verloren. Trotz aller Gemeindeeuphorie, die das 2. Vatikanum auslöste, hat sich daran bis heute nur wenig geändert. Nicht die formale Organisation selbst, wohl aber ein Übermaß an zentralisierter, hierarchischer Organisation ist der Religion abträglich (vgl. Kaufmann 2012). Dies kann als gesichertes Ergebnis sozialwissenschaftlicher Forschung gelten.

      Die bürokratische Organisation sollte die katholische Religion angesichts einer als feindlich wahrgenommenen modernen Welt schützen und vor dem Untergang bewahren. Heute zeigt sich, dass sich die katholische Kirche mit ihrem Übermaß an Organisation selbst im Wege steht. Ihre notwendige Reform muss vom Primat des neutestamentlich und frühchristlich bezeugten gemeinschaftlichen Charakters der Gemeinde ausgehen (vgl. Luz; Karle).

      THESE 6: INTERMEDIARITÄT UND SUBSIDIARITÄT ALS EIGENE RESSOURCEN

      Es wird höchste Zeit, dass die katholische Kirche das, was sie im 20. Jahrhundert als Heilmittel gegen die Krise des Staates und der gesellschaftlichen Ordnung insgesamt entwickelt hat, im 21. Jahrhundert als für sich selbst geltend anerkennt und zur Leitperspektive ihrer Reform macht.

      1931 hatte in der Enzyklika Quadragesimo anno (QA) Pius XI. mit drastischen Worten konstatiert, dass die verschiedenartigen intermediären Vergemeinschaftungen zerschlagen worden seien, „bis schließlich fast nur noch die Einzelmenschen und der Staat übrigblieben“ (QA 78). Dagegen setzte der Papst die Einsicht: „Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen; darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen“ (QA 79). Es gibt keine nachvollziehbaren Gründe, warum dies nicht auch für den Sozialkörper Kirche gelten sollte. Es spricht vielmehr vieles dafür, dass die doppelte normative Orientierung des Subsidiaritätsprinzips gerade auf dem Feld von Religion und Kirche heute eine besondere Dringlichkeit besitzt.

      Die Reform muss vom Primat des neutestamentlich und frühchristlich bezeugten gemeinschaftlichen Charakters der Gemeinde ausgehen.

      Unter den Bedingungen moderner Religionsfreiheit bilden auch in Sachen Religion der Einzelmensch und seine eigenen Kräfte den Angelpunkt einer geglückten Glaubens- und Lebenspraxis. Gleichzeitig gilt, dass das, was die „kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zu einem guten Ende führen können“ (QA 79), ihnen nicht entzogen werden darf.

      Auf dem Feld der Religion sind die intermediären Gemeinwesen insofern unverzichtbar, als sie zwischen der religiösen Sinnwelt des Einzelnen und den objektivierten Sinnstrukturen der Kirche notwendige Vermittlungsleistungen erbringen (vgl. Berger/Luckmann, 59). Darin liegt die Bedeutung der Kirchengemeinde als intermediäre Größe. Als Handlungs- und Resonanzraum des individuellen Glaubens dürfen die Gemeinden nicht zu groß sein, sie brauchen aber auch als Institutionen der Vermittlung im Religiösen wie im Gesellschaftlichen eine gewisse Größe als Orte vielfältigen sozialen Lebens.

      Die Kirche – vergleichbar dem Staat im Politischen – hat die Aufgabe, den kleineren Einheiten den Freiraum zu sichern und helfend und unterstützend die Bedingungen dafür sicherzustellen, dass sie ihre Funktion möglichst gut erfüllen können. Intermediarität und Subsidiarität gelten bis heute als ein spezifisch katholisches Erbe in der modernen Sozialtheorie. Es wäre leichtfertig, diese Ressource heute nicht in eigener Sache zu nutzen und dem kirchlichen Reformhandeln zu Grunde zu legen.

      LITERATUR

      Berger, Peter/Luckmann, Thomas, Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Die Orientierung des modernen Menschen, Gütersloh 1995.

      Bucher, Rainer, Die Pfarrgemeinde von morgen. Skizzen zu ihrer Zukunft aus deutscher Perspektive, in: Henkelmann, Andreas/ Sellmann, Matthias (Hg.), Gemeinde unter Druck – Suchbewegungen im weltkirchlichen Vergleich: Deutschland und die USA, Münster 2012, 145-174.

      Ebertz, Michael N., Aufbruch in der Kirche. Anstöße für ein zukunftsfähiges Christentum, Freiburg i. Br. 2003.

      Ebertz, Michael N., Vor der Aufgabe der Neugründung. Die Kirche in sich wechselseitig verstärkenden Krisen, in: Herder Korrespondenz Spezial 2011, 2-6.

      Gabriel, Karl, Christentum zwischen Tradition und Postmoderne, Freiburg i. Br. 72000.

      Gabriel, Karl/Geller, Helmut, Ausblick: Entwicklungstrends in Kirchengemeinden, in: Geller, Helmut/Pankoke, Eckart/Gabriel, Karl, Ökumene und Gemeinde, Opladen 2002, 361-389.

      Geller, Helmut, Strukturprinzipien von Kirchengemeinden, in: Geller, Helmut/Pankoke, Eckart/Gabriel, Karl, Ökumene und Gemeinde, Opladen 2002, 27-46.

      Karle, Isolde, Warum braucht Kirche Gemeinde?, in: Evangelische Theologie 70 (2010) 465-478.

      Kaufmann, Franz-Xaver, Kirchenkrise. Wie überlebt das Christentum?, Freiburg i. Br. 2011.

      Kaufmann, Franz-Xaver, Kirche in der ambivalenten Moderne, Freiburg i. Br. 2012.

      Luz, Ulrich, Ortsgemeinde und Gemeinschaft im Neuen Testament, in: Evangelische Theologie 70 (2010) 404-415.

      Milieuhandbuch, Religiöse und kirchliche Orientierung in den Sinus-Milieus (im Auftrag der MDG Medien-Dienstlesitung GmbH), Heidelberg/München 2013.

      Pius XI., Enzyklika Quadragesimo anno. Deutsche Übersetzung in: Katholische Arbeitnehmerbewegung (Hg.), Texte zur Katholischen Soziallehre, Köln 92007, 61-122.

      Pollack, Detlef, Historische Analyse statt Ideologiekritik. Eine historisch-kritische Diskussion über die Gültigkeit der Säkularisierungstheorie, in: Geschichte und Gesellschaft 37 (2011) 482-522.

      Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), „Mehr als Strukturen…“. Neuorientierung der Pastoral in den (Erz-)Diözesen. Ein Überblick. Arbeitshilfen Nr. 216, Bonn 2007.

      THEMA

      Reform durch „Missionarische Synodalität“

      Die Replik von Paul Metzlaff auf Karl Gabriel

      Karl Gabriel führt in seinem Beitrag insbesondere soziologische Argumente an, um die Gemeinden als notwendige Basisstrukturen des Christlichen und als primäre Orte der heute notwendigen Reform der Kirche in der Moderne bzw. Postmoderne auszuweisen. Seine These grenzt er sowohl gegenüber einer das Subsidiaritätsprinzip schwächende Hierarchisierung, auf die in der Replik nicht eingegangen sei, als auch gegen delokalisierte kirchliche СКАЧАТЬ