Название: Lebendige Seelsorge 5/2019
Автор: Verlag Echter
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429064259
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In der Folge der Initiation des „Mission Manifest“ im Januar 2018 hat es mehrere Tagungen und wissenschaftliche Konferenzen sowie durch die Unterzeichnung von „Mission Manifest“ motivierte Einzelpersonen und auch Pfarrgemeinderäte gegeben, die die im Manifest beschriebenen Ziele diskutiert haben und im eigenen Leben und dem der Pfarrei umsetzen. Ein Beispiel ist die große Veranstaltung „Light up the Dome“ am 01. September 2019 auf dem Stadtfest in Fulda, bei der auf der Hauptbühne christliche Bands auftraten und mehreren tausend Menschen auch ein zeitgemäßer Raum der Erfahrung des Evangeliums eröffnet wurde.
Auf eine in welchem Raum auch immer eröffnete Christuserfahrung kann ablehnend, gleichgültig oder bejahend reagiert werden, wobei alles gleichermaßen Entscheidungen sind. Diese kann der Mensch verdrängen, wie er es überhaupt mit der Frage nach einem erfüllten Leben vornimmt und in den Strömen einfachhin mitschwimmt. Um der von der Erfahrung ausgehenden Entscheidung Wege der Kontinuität zu eröffnen, müssen sodann ästhetische, intellektuelle und ethische Ergänzungen erfolgen, ganz in Anlehnung an Immanuel Kants berühmtes Diktum: Begriffe ohne Anschauungen sind blind und Anschauungen ohne Begriffe sind leer. In dieser Weise wird es möglich, im Spannungsbogen von Entscheidung und Verstetigung auf der Grundlage der Erfahrung Menschen (geistliches) Wachstum in der ihnen eigenen Vision des erfüllten Lebens zu ermöglichen.
UNTERSCHEIDUNG UND ENTSCHEIDUNG EINEN VORRANG GEWÄHREN
Der unbedingte Vorrang in der Frage nach Volks- und Entscheidungskirche besteht darin, aus dem binnenkirchlichen Diskurs immer wieder auszubrechen und allen Menschen die christliche Vision des erfüllten Lebens attraktiv anzubieten. Eine Kirche in der Zeit des Entscheiden-Müssens wird zudem unbedingt die Kompetenz der geistlichen Unterscheidung – des Dreischrittes des Wahrnehmens, Interpretierens und Wählens – bei allen Gläubigen fördern müssen und ihnen entsprechende geistliche Begleiterinnen und Begleiter zur Verfügung stellen, die sie auf dem Weg des geistlichen Wachstums begleiten.
Mit Papst Franziskus erscheint die Versuchung der Gleichgültigkeit und des Dahin-Lebens größer als diejenige, ein zu viel oder falsch an Entscheidung zu treffen. Die Kirche wird also stärker auf die Entscheidung der Einzelnen setzen, die in der Christuserfahrung wurzelt, in der Unterscheidung ihre Methode hat und deshalb Wachstum in der Vision des erfüllten Lebens ermöglicht. In einer multioptionalen Umwelt obliegt es dann der Entscheidung der und des Einzelnen, ob sie oder er die Lebensvision des Christentums wählt oder nicht. Stehen wir aber in einer Zeit des Wählen-Müssens, wird es Menschen leichter fallen, eine Option zu wählen, deren Namen sie kennen. Anknüpfend an eine Debatte zwischen Hans Urs von Balthasar und Karl Rahner in den 1960er Jahren um Rahners „Anonyme Christen“ sei deshalb mit Balthasar formuliert: „Man sieht nicht mehr recht, wenn es mit der Namenslosigkeit so gut geht, wozu einer eigentlich noch ein namenstragender Christ sein soll […]. Zu meinem Unglück hatte ich, dessen Jugend in die Zeit der Kierkegaard-Welle fiel – Guardini erklärte ihn uns in Berlin – bei Kierkegaard gelesen, der Apostel Christi […] sei einer, der sich für Christus totschlagen lasse […]. Ist so etwas Leitbild, dann gibt es doch keine anonymen Christen, so viel Menschen im übrigen – hoffentlich alle! – durch Christi Gnade das Heil erlangen“ (Balthasar, 49).
LITERATUR
Balthasar, Hans Urs von, Rechenschaft 1965, in: Ders., Zu seinem Werk, Einsiedeln/Freiburg 22000.
Calmbach, Marc/Borgsted, Silke/Borchard, Inga/Thomas, Peter Martin/Flaig, Berthold Bodo, Wie ticken Jugendliche? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren in Deutschland, Wiesbaden 2016.
Guardini, Romano, Der Ausgangspunkt der Denkbewegung Sören Kierkegaards, in: Hochland 2 (April 1927-September 1927) 12-33.
Papst Franziskus, Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Christus vivit“ (Es enthält als zentrale Kategorien einer kommenden Jugendpastoral die „Suche“ nach denen, die Christus noch nicht kennen, und das „Wachstum“ derer, die ihn bereits erfahren haben. Papst Franziskus zeichnet eine große Vision einer umfassenden „missionarischen Jugendpastoral“, die sehr lesenswert ist).
Pew Research Center, Umfrage zur Religiosität in Europa vom Dezember 2018, zu finden unter: www.pewresearch.org/facttank/2018/12/05/how-do-european-countries-differ-in-religious-commitment/ [abgerufen am: 20.08.2019].
Rahner, Karl, „Frömmigkeit früher und heute“, in: Ders., Schriften zur Theologie VII, Einsiedeln 21971.
Vellguth, Klaus, Der Streit um das „Mission Manifest“: Über evangelikale und pentekostale Strömungen in der katholischen Kirche in Deutschland, in: Krämer, Klaus/Vellguth, Klaus, Pentekostalismus. Pfingstkirchen als Herausforderung in der Ökumene, Freiburg i. Br. 2019, 211-237.
Volf, Miroslav/Croasmun, Matthew, Für das Leben der Welt. Ein Manifest zur Erneuerung der Theologie, Münster 2019.
Zulehner, Paul m., Aufbrechen oder Untergehen. Wie können unsere Gemeinden zukunftsfähig werden?, in: Herbst, Michael/ Ohlemacher, Jörg/Zimmermann, Johannes (Hg.), Missionarische Perspektiven für eine Kirche der Zukunft (BEG 1), Neukirchen-Vluyn 2005, 17-29.
THEMA
Thesen zur Zukunft von Gemeinden als Basisstruktur des Christlichen
In 6 Thesen werden im Folgenden primär soziologische Argumente zusammengetragen, die heute dafür sprechen, den Gemeinden vor Ort als Basisstruktur des Christlichen einen zentralen Stellenwert einzuräumen. Nachdem die katholische Kirche in ihrem Ringen um Selbstbehautung in der Moderne einseitig auf Organisation und Zentralisierung gesetzt hat, erscheint es heute an der Zeit, Kirche in Richtung der Gemeinde als Gemeinschaft zu reformieren. Karl Gabriel
THESE 1: ZUKUNFTSZWEIFEL
Im gesellschaftlichen wie im innerkirchlichen Diskurs überwiegen die Zweifel an einer Zukunft von Lokalgemeinden als Basisstruktur des Christlichen. Gesellschaftlich dominiert der Hinweis auf Jahr für Jahr sinkende Zahlen von Gemeindemitgliedern und auf den ungebremsten Trend zu geringer werdender Partizipation an allen Formen des Gemeindelebens.
Im theologischen und innerkirchlichen Diskurs sinkt der in der Nachkonzilszeit hell leuchtende Stern der Gemeinde als Hoffnungsort schon seit einigen Jahren. Die Zukunftsmusik spielt für viele Beobachter an anderen Orten als in Lokalgemeinden (vgl. Bucher; Ebertz 2003). Lose geknüpfte Netzwerke kleiner Gruppen engagierter Christinnen und Christen oder eine schnell lernende, delokalisierte kirchliche Organisation kommen in den Blick. Als Hauptproblem erscheint nicht einmal die seit längerem konstatierte Milieuverengung in den Lokalgemeinden, sondern der Umstand, dass gerade die Milieus fehlen, denen Dynamik und Zukunft zugesprochen wird. In den Augen der Sinus-Milieuforscher repräsentieren Kirchengemeinden viel Vormodernes, wenig Modernes und so gut wie nichts Postmodernes (vgl. Milieuhandbuch).
Es stellt sich die Frage, ob sich das Christentum der Zukunft nicht von Lokalgemeinden als Basisstruktur verabschieden muss. Von Zukunftsorten würden СКАЧАТЬ