Название: Martin Luther und Ignatius von Loyola
Автор: Christiane Brendel
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Ignatianische Impulse
isbn: 9783429063177
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Stille, Einsamkeit und Schweigen
Ignatius empfiehlt zum Gebet die Abgeschiedenheit und eine Atmosphäre der Stille und der Sammlung. Besonders für Exerzitien ist es notwendig, einen Abstand von Verwandten und Bekannten und den Alltagssorgen zu gewinnen. Es geht dabei um die Entscheidung, frei zu werden von der Fremdbestimmung, um sich einzulassen auf die eigene Existenz vor Gott. So können authentische Entscheidungen reifen.
Wer die Exerzitien macht, wird dabei umso mehr vorankommen, je mehr er sich von allen Freunden und Bekannten und von aller irdischen Sorge absondert.
Wenn er so in der Abgeschiedenheit verweilt und seine Verstandeseinsicht nicht aufgespalten auf viele Dinge richtet, sondern mehr seine ganze Aufmerksamkeit auf eine einzige Sache verlegt, nämlich seinem Schöpfer zu dienen und in seiner eigenen Seele voranzukommen, so gebraucht er seine natürlichen Fähigkeiten mit mehr Freiheit, um das mit Eifer zu suchen, was er so sehr ersehnt.
Je mehr sich unsere Seele allein und abgesondert findet, umso geeigneter wird sie, sich ihrem Schöpfer und Herrn zu nähern und zu ihm zu kommen; und je mehr sie ihm so nahe kommt, desto mehr stellt sie sich darauf ein, Gnaden und Gaben von seiner göttlichen und höchsten Güte zu empfangen.19
Dass es Ignatius beim Schweigen nicht um das Schweigen als solches geht, sondern um eine Sammlung der Kräfte auf das Wesentliche, zeigt eine Anweisung in den Konstitutionen für die Ausbildung der Novizen:
Alle sollen in besonderer Weise darauf bedacht sein, mit großer Sorgfalt die Tore ihrer Sinne – insbesondere die Augen und Ohren und die Zunge – vor jeder Unordnung zu bewahren und sich in Frieden und der wahren Demut ihrer Seele zu enthalten und dies zu zeigen durch das Stillschweigen, wann es zu halten angebracht ist, und wann zu sprechen ist, durch die Überlegtheit und Erbauung ihrer Worte.20
Auch für Luther ist Stille und Einsamkeit eine Hilfe zum Gebet. Neben der Kirche ist für ihn ein bevorzugter Ort das »stille Kämmerlein«, also ein ausgewählter ruhiger Raum:
Wenn ich fühle, daß ich … unlustig zu beten geworden bin … so laufe ich in die Kammer … und fange an, die zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und, je nachdem ich Zeit habe, etliche Sprüche des Paulus oder der Psalmen mündlich für mich selbst zu sprechen.21
Die Stille der Einsamkeit macht es möglich, mit Herz und allen Sinnen zu beten: Wer sprechen und hören will, muss lernen, einsam zu sein mit Christus, so geschah es mir. Meine Lehre und Predigt konnte ich nicht in allen Büchern erwerben, im Aristoteles, bei den Scholastikern … bis ich von der Menge abgesondert wurde und ihn allein hörte. Als ich das tat und jenen allein hörte und mich ihm mit Maria zu Füßen setzte, da habe ich gelernt, was Christus ist und wurde ein Gelehrter im Glauben.22
Gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser gut zu sehen ist und es kräftig erwärmt, kann sie in einem bewegten, rauschenden Wasser nicht deutlich gesehen werden. Darum, willst du auch erleuchtet werden durch das Evangelium, so gehe hin, wo du still sein und das Bild dir tief ins Herz fassen kannst, da wirst du finden Wunder über Wunder. 23
Beten mit dem Leib – die Körpersprache des Glaubens
Durch Gebetsgesten kann der innere und äußere Mensch in Einklang gebracht werden, denn auch der Leib will mitbeten.
Ignatius:
Um das Zeichen des heiligen Kreuzes zu machen, legen wir die Hand an das Haupt, was Gott Vater bedeutet, welcher von niemandem ausgeht; wenn wir die Hand an den Leib legen, bedeutet es seinen Sohn, unseren Herrn, der vom Vater ausgeht und bis in den Leib der heiligsten Jungfrau Maria gekommen ist; wenn wir die Hand von einer Seite zu anderen legen, bedeutet es den Heiligen Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht. Wenn wir die Hände zusammenlegen, bedeutet es, daß die drei Personen eine wahre Wesenheit sind; wenn wir das Kreuz auf den Mund machen, bedeutet es, daß in Jesus, unserem Heiland und Erlöser, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist ist, ein einziger Gott, unser Schöpfer und Herr, und daß die Gottheit niemals vom Leib Christi in seinem Tod getrennt worden ist.24
In die Betrachtung eintreten, bald kniend, bald auf der Erde ausgestreckt, bald auf dem Rücken mit dem Gesicht nach oben, bald sitzend, bald stehend, indem ich stets auf der Suche nach dem bin, was ich will. Wir werden auf zwei Dinge achten: Das erste ist: Wenn ich kniend das finde, was ich will, werde ich nicht weitergehen; und wenn ausgestreckt, ebenso usw. Das zweite: Bei dem Punkt, bei dem ich finde, was ich will, dort werde ich ruhig verweilen, ohne ängstliche Sorge zu haben, weiterzugehen, bis ich befriedigt bin.25
Luther rät:
… knie nieder oder stehe mit gefalteten Händen und die Augen zum Himmel.26
Anbeten ist … nicht Mundwerk, sondern des ganzen Leibs Werk, nämlich: mit dem Haupt neigen, sich bücken mit dem Leibe, auf die Knie fallen, auf die Erde fallen …27
Der Betende kann im Kämmerlein frei und ungehindert sein Gebet zu Gott ausschütten und Wort und Gebärde führen … Denn obwohl das Gebet kann im Herzen ohne alle Wort und Gebärde geschehen, doch hilft es dazu, daß der Geist desto mehr erwecket und entzündet wird.28
Es geht Luther darum, bei dem zu bleiben, was das Herz berührt.29
Wie ist ein Gebet vorzubereiten?
Ignatius rät:
Ein oder zwei Schritte vor dem Ort, wo ich zu betrachten oder mich zu besinnen habe, stelle ich mich für die Dauer eines Vaterunsers hin, indem ich den Verstand nach oben erhebe und erwäge, wie Gott unser Herr mich anschaut usw. Und einen Ehrerweis oder eine Verdemütigung (eine Verneigung) machen.30
Zu Beginn schlägt er vor, ein gleichbleibendes Vorbereitungsgebet zu sprechen:
Gott, unsern Herrn, um Gnade bitten, damit alle meine Absichten, Handlungen und Betätigungen rein auf Dienst und Lobpreis seiner göttlichen Majestät hingeordnet seien.31
Luther geht es darum, dass der oder die Betende zu sich selbst kommt und »warm wird« zum Gebet. Dazu ist für ihn ein »Feuerzeug« nötig:
Wer geübt ist, kann hier wohl an einem Tag die Zehn Gebote, an dem andern einen Psalm oder ein Kapitel aus der Schrift als solches Feuerzeug nehmen und in seinem Herzen damit Feuer anzünden.32
Er rät dazu, die Texte halblaut zu sprechen, damit sie sich tiefer einprägen:
Ich hebe an, die Zehn Gebote … mündlich bei mir selbst zu sprechen, gerade so, wie die Kinder es tun.33
Auch Ignatius kennt das Beten mit den zehn Geboten.
Sein Vorbereitungsgebet dazu lautet:
Etwa Gott unseren Herrn um Gnade bitten, damit ich erkennen kann, worin ich in Bezug auf die Zehn Gebote gefehlt habe. Und ebenso um Gnade und Hilfe bitten, um mich fortan zu bessern, indem ich deren vollkommenes Verständnis erbitte. 34
Beim Gebet geht es für Luther um eine gesammelte Aufmerksamkeit: