Wohlstand anders denken. Группа авторов
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СКАЧАТЬ Die Regierungen nicht nur der USA und Großbritanniens stehen unter enormem Druck der Finanzmarktakteure, die drohen, ihre Geschäfte dorthin zu verlagern, wo man sie weiterhin ungestört lässt.

      Und schließlich muss man die menschliche Natur nüchtern einschätzen: Es wird immer Leute und Institutionen geben, die machen, was mangels Kontrolle möglich ist, bevor es jemand anders macht, und so weiter.

      Aber selbst wenn es einer nennenswerten Anzahl von Regierungen gelingen würde, eine Reihe der vorgenannten technischen Lösungsansätze umzusetzen, besteht die Gefahr, dass es sich dabei nur um Lückenstopfen und Flickwerk handelt.

       Grundsätzliche Fragen

      Viel grundsätzlicher wäre zu fragen, wie denn eine gerechtere, funktionsfähige, alternative gesellschaftspolitische Ordnung aussehen könnte, nachdem die reine Planwirtschaft (Sozialismus, Kommunismus) ebenso versagt hat wie die reine Marktwirtschaft. Bundeskanzlerin Merkel preist, etwa auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2009, nicht zu Unrecht die Soziale Marktwirtschaft als „dritten Weg“ an, die der Nachkriegs-Bundesrepublik zu großem Wohlstand verholfen hat und die zu wesentlichen Teilen aus der Katholischen Soziallehre inspiriert wurde. „Der Staat ist der Hüter der sozialen Ordnung, aber Wettbewerb braucht Augenmaß und soziale Verantwortung“, so Merkel.16

      Aus ethischer Perspektive darf jedoch nicht übersehen werden, dass auch dieser Ansatz mit Nachteilen behaftet ist. Um nur einen zu nennen: Auch die Soziale Marktwirtschaft konnte nicht verhindern, dass national und weltweit Einkommen und Vermögen immer weiter auseinandergedriftet sind. Das Vermögen der sogenannten „High Net Worth Individuals“ stieg 2010 auf einen neuen Höchststand: Weltweit besaßen 10,9 Millionen Menschen ein Vermögen von 42,7 Billionen US$, während immer noch nahezu eine Milliarde Menschen Hunger leiden.17 Ein Grund dafür ist sicher auch, dass ein wichtiger Aspekt der Katholischen Soziallehre, nämlich die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, nie wirklich umgesetzt wurde. Zurückgehend auf die angelsächsische Tradition stand und steht Eigentum in der Verfügung des Individuums. Vom durch unternehmerisches Handeln gemehrten Reichtum profitieren die Armen etwa durch den trickle-down-effect oder durch die Ausübung sozialer Verantwortung in freier Entscheidung, zum Beispiel durch Almosen oder Stiftungen. In der Tradition der Katholischen Soziallehre würde das Solidaritätsprinzip „der Gemeinschaft die Befugnis ein(räumen), nicht allein den Gebrauch, den der Eigentümer von seinem Eigentum machen darf, sondern das Eigentum selbst ... so zu ordnen, dass das Eigentum nicht nur seine Individual-, sondern seine Sozialfunktion erfüllt.“18 Es darf bezweifelt werden, dass ernst zu nehmende Versuche in dieser Richtung in einer demokratischen Gesellschaft mehrheitsfähig wären.

       Ausblick

      Es bleibt die Frage, wie trotz aller Komplexitäten und Widrigkeiten zumindest angefangen werden kann, dem Finanzmarkt wieder Regeln aufzuerlegen und das dort Geschehende wieder an den Nutzen für das Gemeinwohl rückzubinden. Nach all den Problemen, die es innerhalb der G20 gibt, legt sich nahe, zumindest für die Europäische Union einen entschiedenen Anlauf zu versuchen. Und dies aus zwei Gründen:

      Zum einen ist die EU immer noch der weltgrößte Wirtschaftsraum, vielleicht sogar der weltgrößte Konsumraum. Das gibt Gewicht, um den Märkten Regeln aufzuerlegen, denn: Finanzmarktakteure werden sich gründlich überlegen, ob sie sich aufgrund beschlossener Regulierungen endgültig aus diesem Wirtschaftsraum verabschieden.

      Sodann ist innerhalb der Europäischen Union, im Unterschied zu China und den USA, der demokratische Rückhalt für solche Reformen größer (siehe auch Boecker in diesem Band). Ebenso sind die Beziehungen, die Zivilgesellschaft und Kirchen zu Parteien und Parlamenten haben, besser geeignet, einschneidende Maßnahmen auf den Weg und zur Abstimmung zu bringen. Die Chance der gegenwärtigen Krise könnte zudem sein, dass der Zwang zur Zusammenarbeit der Europäischen Union ein Plus an Demokratie und Transparenz bringt, welches die Akzeptanz in der Bevölkerung nochmals erhöhen dürfte.

       Anmerkungen

      1 Caprio, Gerard / Klingebiel, Daniela (1996) Bank Insolvencies: Cross Country Experience. Policy Research Working Paper No. 1620. Washington: World Bank.

      2 Kapitel II.i, Seite 94.

      3 Zu diesen beiden Punkten Neue Zürcher Zeitung vom 02.11.2011: „Schattenbanken im Visier der G20“.

      4 Schulmeister, Stephan (2009) Tobin or not Tobin? Die Finanztransaktionssteuer – Konzept, Begründung, Effekte. In: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung. Dezember 2009.

      5 ntv (Nachrichtenfernsehen) vom 01.09.2010: „Devisenhandel schwillt an“.

      6 Neue Zürcher Zeitung vom 18.05.2011: „Leicht höheres Derivate-Volumen“.

      7 CIA-Factbook (2011) Chapter „Economy, Overview“. Internet: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html

      8 Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (Hg.) (2011) The Network of Global Corporate Control. Internet: http://arxiv.org/abs/1107.5728

      9 IMF/ILO (Hg.) (2010) The Challenges of Growth, Employment and Social Cohesion. Discussion document. (Seite 4.) Internet: http://www.osloconference2010.org/discussionpaper.pdf

      10 Green, Duncan (2009) A Copper Bottomed Crisis. The Impact of the Global Economic Meltdown on Zambia. Oxfam International Discussion Paper. Internet: http://www.oxfam.org.uk/ resources/policy/economic_crisis/downloads/ impact_economic_crisis_%20zambia.pdf

      11 UNICEF (2011) The State of the World’s Children 2011 – Adolescence, an Age of Opportunity. (Seite 46.)

      12 Foodwatch (Hg.) (2011) Die Hungermacher – Wie Deutsche Bank, Goldman-Sachs & Co auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren. (Seiten 13 und 36 f.) Internet: http://www.foodwatch.de/kampagnen_themen/nahrungsmittel/ report_die_hunger-macher/index_ger.html

      13 Siehe ebenfalls Foodwatch, Seite 12: Zunahme von 150% bei Weizen, Mais und Reis.

      14 Wahl, Peter (2008) Food Speculation: The Main Factor behind the Price Bubble in 2008. WEED Briefing Paper.

      15 Die Verquickung von Regierungsposten und wichtigen Jobs im Finanzsektor ist besonders offensichtlich und wird viel kritisiert in den USA, siehe etwa New York Times vom 17.10.2009: „The Guys from ‚Government Sachs‘ “.

      16 Focus vom 31.01.2009: „Soziale Marktwirtschaft als Exportschlager“.

      17 „HNWIs“ sind Personen mit einem „investierbaren Vermögen“ von 1 Million US$ oder mehr. In: Capgemini/Merill Lynch Wealth Management (Hg.) World Wealth Report 2011. (Seite 4.) Die FAO schätzte die Zahl der Hungernden 2010 auf 925 Millionen (Pressemitteilung vom September 2010).

      18 Nell-Breuning, Oswald von (1968) Baugesetze der Gesellschaft. Freiburg: Herder. Seite 76.

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