Wohlstand anders denken. Группа авторов
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СКАЧАТЬ vierte und letzte Hauptteil beschäftigt sich nun mit dem Dreh- und Angelpunkt jeglicher Veränderung: der Bürgerin beziehungsweise dem Bürger. Teilt er nicht Werte, Perspektiven und Ansätze der Politik, so kommt keine Veränderung zum Tragen.

      Hier überraschen die Darlegungen von Malte Boecker: Meinungsumfragen belegen, dass die Bereitschaft der Bürgerin und des Bürgers, ein gesamtgesellschaftliches Umsteuern weg von quantitativem ökonomischem Wachstum hin zu einem Wachstum, welches sich an alternativen, vor allem ökologischen, Kriterien orientiert, groß ist. Von dieser grundsätzlichen Bereitschaft hin zur Konkretion ist jedoch noch ein langer Weg. Individuelle Blockaden herrschen beispielsweise dort, wo ‚man‘ zwar eine nachhaltige Gesellschaft wünscht, selbst aber nicht bereit ist, nachhaltig zu leben, wenn es die anderen nicht tun. Verbindliche politische Rahmenbedingungen kommen wiederum nicht zustande, weil kurzfristige Legislaturperioden langfristig unpopuläre Entscheidungen verhindern, da dies die Wiederwahl des Politikers gefährdet. Dennoch weist die Demoskopie auf, dass in diesem Kontext anstehende Entscheidungen mit mehr Zuspruch rechnen könnten als gemeinhin angenommen.

      Natürlich gibt es immer auch Menschen, die angesichts der Größe und Dringlichkeit der Probleme nicht warten wollen, bis in den langwierigen gesellschaftspolitischen Aushandlungen Mehrheiten oder gar Konsens gefunden wird, der im Ergebnis absehbar unter den eigenen Vorstellungen liegen wird. Solche Menschen steigen konsequent und sofort aus dem Mainstream aus und leben ihr Leben nach eigenen Werten und Kriterien. Von solchen individuellen und kollektiven Aussteigern berichtet Jan Grossarth im letzten Beitrag dieses Buches.

      Abschließend sei darauf hingewiesen, dass dieser Band nur die Beiträge der Referentinnen und Referenten in Artikelform beinhaltet. Weitere Informationen zu der Diskussion, zu den Ergebnissen der Abschlussdiskussion sowie ergänzende Power Point-Materialien zu den Autorenbeiträgen befinden sich auf der Website: www.cfgl.de/JetztRichtig

Teil I: Situationsbeschreibung

       Jörg Alt

       Aus dem Ruder gelaufen –

       Krise des Finanzsystems und die Folgen

       Hintergründe

      Man hätte gewarnt sein können: Bereits 1996 hat eine Studie der Weltbank ergeben, dass sich allein für die Zeit seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 96 ‚Bankenkrisen‘ und 175 ‚Finanzkrisen‘ feststellen lassen.1 Ebenso war bekannt, dass Adam Smith, der Prophet der Marktwirtschaft, in seinem Buch Wealth of Nations eine staatliche Regulierung des Bankensektors befürwortete. Denn: Er wusste aus eigener Erfahrung um die Gefahr, dass „einige wenige“ ihre Freiheit „so ausüben, dass sie die Sicherheit des ganzen Landes gefährden können“.2

      Und doch gelang es den Prophetenjüngern Friedman, von Hayek, den Chicago Boys und anderen, die Politik davon zu überzeugen, dass niemand anderes als die „unsichtbare Hand des Markt“ am besten wisse, wie Ressourcen weltweit zugeteilt werden sollten – eine Folgerung der Efficient Market Hypothesis. Und so unternahmen es Politiker wie Margaret Thatcher, Ronald Reagan und andere, Regulationen abzubauen und ‚den Märkten‘ bislang ungekannte Freiheiten zu eröffnen.

      Nach dem Wegfall staatlicher Regulierungen verloren auch die ‚zunfteigenen‘ Handelsplätze, die Börsen, an Bedeutung. Diese wurden einst gegründet, um dem Handel verlässliche Rahmenbedingungen zu geben und dadurch Kaufen und Verkaufen berechenbar zu machen, indem Käufern und Verkäufern gleicher Wissensstand gesichert und Abläufe transparent gemacht werden sollten. Aber bald entdeckten einige, dass man außerhalb der Börse noch schnellere und riskantere Geschäfte tätigen konnte, die entsprechend höhere Gewinne versprachen. Dieser außerbörsliche ‚Telefonhandel‘ (alias Over-the-counter- oder OTC-Handel) ist möglich für jeden, der per Internet und Telefon Zugang zu elektronischen Handelsplattformen (multilateral trade facilities) hat. So entstand der „Schattenbankensektor“, in dem Hedgefonds, Investmentfonds, Private-Equity-Firmen, private Geldverleiher und ähnliche ihre Anlagen tätigen.

      Der Siegeszug von Computern brachte den nächsten Quantensprung: Es entstand der computerbasierte Hochfrequenzhandel, das sogenannte Algo-Trading. Der Name kommt von den Algorithmen, mit denen Händler die Kauf- und Verkaufsentscheidungen von Computern programmieren und wodurch Handelsbewegungen mit großem Volumen und hoher Geschwindigkeit durch miteinander kommunizierende Computer getätigt werden.

      Aber noch mehr wurde getan, um Profite zu erzielen. Findige Experten entwickelten ein „innovatives Finanzprodukt“ nach dem anderen, was zur Folge hat, dass der Finanzsektor sich zunehmend zu einer eigenen Verdienstquelle entwickelt. Das begann mit etwas, das anfänglich sinnvoll war, etwa ein Future zur Absicherung von Wechselkursschwankungen im Terminhandel. Dieses Future wurde nun wiederum beliehen, verkauft und gekauft oder versichert, in abgeleitete (von lateinisch „derivare“) und „komplex strukturierte Produkte“ verpackt, die wiederum gekauft, verkauft oder versichert werden können usw. Schlussendlich wurden diese Produkte derart komplex, dass weder die Emittenten noch die Händler noch die Käufer den Überblick bewahrten, was sie nun eigentlich kauften und wer wem etwas schuldete.

       Folgen

      Der schwer kontrollierbare Schattenbankensektor wuchs und wächst rapide, auch heute noch, denn: Je stärker die Regierungen der Welt versuchen, den Finanzmarkt zu regulieren, desto mehr Handelsaktivitäten werden in diesen intransparenten Markt verlegt, entsprechend steigt sein Umsatzvolumen:

      – In den USA werden über den Schattenbankensektor mit 16 Billionen US$ schon jetzt mehr Kredite vergeben als über den regulären Bankensektor (13 Billionen US$),

      – Das weltweite Volumen des Schattenbankensektors stieg von 25 Billionen US$ (2002) auf 60 Billionen US$ (2010),3

      – Auch China hat ein Problem mit dem Schattenfinanzsektor und zwielichtigen Kreditgebaren: Hier wird der Sektor auf 400 Milliarden US$ geschätzt – das sind zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Da aber viele Kredite an Kleinunternehmer zu Wucherzinsen gingen, stehen ganze Wirtschaftszweige auf der Kippe. In der Tageszeitung Die Welt war am 14.10.2011 unter der Überschrift „China taumelt dem großen Finanzcrash entgegen“ zu lesen: „Da gleichzeitig auch das offizielle Bankenwesen Chinas in heftigen Turbulenzen steckt, könnte dies in einem Schneeballeffekt zu einer Finanzkrise in dem Land führen, die solche Ausmaße hätte, dass das Griechenland-Problem im Vergleich dazu ein Sonntagsspaziergang gewesen wäre. Die Regierung hat daher in den vergangenen Tagen hektische Maßnahmen ergriffen – ob sie helfen, darf bezweifelt werden.“

      Das Geschehen auf den Finanzmärkten löst sich zunehmend von der Realwirtschaft, das heißt dem Bereich der Wirtschaft, wo reale Güter erzeugt und Dienstleistungen erbracht werden. „Das Volumen der Devisentransaktionen (ist inzwischen) fast 70 Mal so hoch wie jenes des gesamten Welthandels mit Gütern und Dienstleistungen. In Deutschland, Großbritannien und den USA ist das Volumen des Aktienhandels annähernd 100 Mal höher als jenes der Unternehmensinvestitionen, und der Handel mit Zinsinstrumenten (Anleihen, Schatzscheine etc.) übersteigt das Volumen der gesamten Realinvestitionen in noch größerem Ausmaß.“4 Nach einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich werden jeden Tag weltweit Devisen und darauf basierende Derivate für 4 Billionen US$ gehandelt, eine Steigerung um 20% von 2007 bis 2010.5 Das Volumen von weltweit gehandelten Derivaten lag am 31.12.2010 bei 601,048 Billionen US$.6 Zum Vergleich: Das Weltsozialprodukt (gross world product) 2010 betrug СКАЧАТЬ