Wohlstand anders denken. Группа авторов
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СКАЧАТЬ „Jetzt aber richtig! Lehren aus den aktuellen Weltkrisen“, die am 4. und 5. November 2011 in Nürnberg stattgefunden hat. Diese wiederum war ein follow-up zu einer Vorjahresveranstaltung, nämlich der Fachtagung „Steuer gegen Armut – Finanztransaktionssteuer“, die ihrerseits eine Reaktion auf diverse Krisen der Jahre 2007/2008 gewesen ist.

      Die Veranstalter der Fachtagung und Herausgeber dieses Buches wollen der Einsicht Rechnung tragen, dass die Finanzkrise nicht isoliert von anderen krisenhaften Entwicklungen gesehen werden darf, sondern als ein Aspekt heutzutage gleichzeitig zunehmender kritischer weltweiter Szenarien in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft, Klima und Umwelt. Immer mehr Menschen erkennen: Nicht nur eine Branche, sondern unser gesamtes Produktions- und Konsummodell gerät aus den Fugen und zugleich an die Grenzen seiner ökologischen und sozialen Vertretbarkeit. Die sich zugleich aufdrängende Frage nach Alternativen ist hingegen deutlich unklarer erkennbar beziehungsweise provoziert dort, wo Vorschläge gemacht werden, heftige Auseinandersetzungen: Geht es doch um das, was wir als Gemeinschaft und jeder für sich unter „Wohlstand“ oder dem „guten“ und „gelungenen Leben“ verstehen und versteht.

      Diesen Einsichten folgt auch die Struktur dieses Tagungsbands. Im (ersten) Analyseteil wird zunächst aus sozial- und naturwissenschaftlicher Perspektive eine Bestandsaufnahme der aktuellen Krisen unternommen:

      Jörg Alt zeichnet die Entstehung, Strukturen und Auswirkungen des deregulierten globalen Finanzsystems nach, die Entwicklungen also, die es zu dem werden ließen, was Politik und Gesellschaft auch im Jahr drei nach dem großen Crash zu schaffen macht. In der Genese dieses globalen Netzwerks liegen auch jene Probleme begründet, die nationale Lösungen nicht mehr länger praktikabel sein lassen. Skizzenhaft wird aufgezeigt, in welche Richtung Politik und Gesellschaft gehen müssen, um durch regional oder global koordiniertes Handeln ‚die Märkte’ wieder ‚einfangen’ und erneut dem Dienst am Gemeinwohl verpflichten zu können.

      Gerhard Berz zieht in seinem Beitrag Bilanz aus seiner langjährigen Leitung des Bereichs GeoRisikoForschung bei der Münchener Rückversicherung (heute: Munich Re). Er zeigt auf, wie und warum vom Menschen verursachte, atmosphärisch bedingte Naturkatastrophen in den letzten Jahren zunehmen. Projiziert man die Tendenz der letzten Jahre in die Zukunft, so ist absehbar, dass die Entwicklung selbst die Kapazitäten des weltgrößten Rückversicherers strapazieren dürfte, weshalb große Versicherungsunternehmen weltweit zu denjenigen Institutionen gehören, die an vorderster Front für das Ergreifen entschiedener Maßnahmen gegen den Klimawandel eintreten.

      Versicherung gegen Risiken ist allerdings ein Luxus, den sich vor allem die Reichen dieser Welt leisten können. Diesen Zusammenhang arbeitet Johannes Müller im Rahmen eines Forschungsprojekts aus, welches die Korrelation von Klimawandel und Armutsentwicklung untersuchte. Es belegt, dass jene, die am wenigsten vom Reichtum der Welt profitieren, am meisten unter den geschaffenen Risiken leiden, dass es aber zugleich im nachvollziehbaren Interesse der armen Länder liegt, durch Wirtschaftswachstum überhaupt erst ein Wohlstandsniveau für ihre Bevölkerungen zu erreichen, das für die Reichen selbstverständlich ist. Es wird dargelegt, wie solche Dilemmata ethisch sortiert und gewichtet werden können, ebenso werden gemeinsam und zeitgleich anzugehende Lösungsstrategien vorgestellt.

      Der zweite Hauptteil legt jene Initiativen, Diskussionskontexte und Theorien dar, welche sich mit einem alternativen Verstehen und Messen von „Wohlstand“ und „gutem Leben“ jenseits des klassischen Wachstumsmodells („mehr Produktion, mehr Einkommen, mehr Konsum“) beschäftigen.

      Ulrich Spörel bietet eine Übersicht zu der erstaunlichen Entwicklung, die weltweit seit der Einsetzung der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission durch den französischen Präsidenten Sarkozy im Februar 2008 auf dem Gebiet alternativer Wohlfahrtsmaßstäbe in Gang gekommen ist. Der Kommission gelang es, vorhandenes Wissen zu bündeln und, aufgrund der hohen ‚Nobelpreisträgerdichte‘ unter den 25 Kommissionsmitgliedern, publizistisch und medial jenseits einschlägiger Expertenkreise breit bekannt zu machen. Sie setzte dadurch wichtige Nachfolgeinitiativen auf der Ebene der OECD, der EU und einzelner Staaten in Gang. Seither findet das Thema zunehmend Interesse in der breiten Öffentlichkeit und ist fest auf der gesellschaftspolitischen Agenda vieler Staaten der Welt etabliert.

      Diese Übersicht wird vertieft durch die Herausarbeitung der wissenschaftlichen Hintergründe. Karlheinz Ruckriegel berichtet über die Entwicklung in verschiedenen Unterdisziplinen der Wirtschaftswissenschaften und zieht eine große Linie von der (schlecht durchdachten) Konzipierung des Bruttoinlandsprodukts als Wohlstandsindikator in den USA Ende der 1920er-Jahre bis hin zu den aktuell diskutierten Konzepten der interdisziplinären ‚Glücksforschung’. Dabei verfolgt er einen starken empirischen Ansatz und belegt unter Hinzuziehung von Studien und Umfragen, was eigentlich viele schon lange wissen: Geld allein macht nicht glücklich, und mehr Geld macht nicht automatisch glücklicher. Was aber spielt eine Rolle bei der Beurteilung, ob man ein „gutes Leben“ führt? All dies sind Kriterien, die für eine alternative gesamtwirtschaftliche Ausrichtung von Bedeutung sein werden.

      Dies führt nahtlos zum dritten Hauptteil des Buches, nämlich den Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten politischer Verwaltungseinheiten, konkret des Deutschen Bundestags und der Kommunen. Begonnen wird mit Abgeordneten und Sachverständigen der Bundestags-Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft.“

      Eine Übersicht über den Auftrag der Kommission und die Akzente der fünf Projektgruppen bietet Stefanie Vogelsang in ihrem Beitrag mit der These „(Nachhaltiges) Wachstum und Wohlstand hängen wesentlich zusammen.“ Entsprechend misst sie Wachstum auch weiterhin eine zentrale Rolle in der gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung bei, plädiert aber dafür, dass der Wachstumsbegriff den Nachhaltigkeitsbegriff in sich aufnimmt, was die Art und Weise künftiger Wohlstandsmessung verändern würde.

      Thomas Gambke geht grundsätzlicher auf die Stärken und Schwächen des herkömmlichen ‚Wachstums‘-Maßstabs ein. Ökonomische Interessen hätten es zu lange geschafft, dass ihnen andere Werte, etwa ökologische, untergeordnet wurden. Ökonomisches Wachstum darf deshalb nicht mehr länger oberster Wert in der volkswirtschaftlichen Wachstumsausrichtung sein, sondern ihm müssen weitere Indikatoren zur Seite gestellt werden. Anders gesagt: Ein Wachstum nach ökonomischen Kriterien unterscheidet sich von einem Wachstum, welches nach ökologischen oder sozialen Kriterien gestaltet wird.

      Vor einer abgehoben-abstrakten Diskussion des Themas warnt sodann Sabine Leidig: Es gehe um konkrete strukturelle Probleme und konkrete Menschen, die unter diesen Problemen leiden. Sie kritisiert die Tendenz, dass der Status quo nicht grundsätzlich genug hinterfragt und das BIP als grundsätzlicher Wohlstandsindikator zwar ergänzt, insgesamt aber beibehalten werden soll. Sie mahnt eine Verständigung über Ziele an, die eine Gesellschaft braucht, bevor sie den Weg dahin beschreitet. Dies sei umso wichtiger, als der herkömmliche Weg sich als Sackgasse erwiesen habe.

      Als Vertreter der Kommissionssachverständigen verweist André Habisch auf die Potenziale, die wirtschaftliche Unternehmen und die organisierte Zivilgesellschaft bei der Umgestaltung und Neuausrichtung der Gesellschaft haben. Transparenz und Öffentlichkeit trügen dazu bei, dass gute Ansätze, die Unternehmen etwa im Kontext der Corporate-citizen-Bewegung bereits umsetzen, Nachahmer finden. Ähnlich wachse auf Seiten der Zivilgesellschaft und der Bürger die Einsicht, Konsumverhalten zu verändern, was wiederum das Produktionsverhalten der Unternehmen beeinflusst. So würde auch außerhalb des staatlichen Gestaltungsrahmens Wandel konkret vorangetrieben.

      Nach den Vertretern der Bundespolitik richtet Harald Riedel nun den Blick auf die unterste staatliche Verwaltungseinheit, die Kommune. Er legt dar, welch vielfältige lokale Gestaltungsmöglichkeiten eine konkrete Gemeinde trotz aller finanziellen Engpässe auch heute hat, wenn beispielsweise eine kluge Stadtteil-, Bildungs- und Stiftungspolitik ehrenamtliches Engagement mobilisieren kann. Summiert man dann vergleichbare lokale Initiativen in vielen Kommunen, die in einem globalen Zusammenhang, etwa СКАЧАТЬ