Der Schoppenfetzer und die Weindorftoten. Günter Huth
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Название: Der Schoppenfetzer und die Weindorftoten

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429063986

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      Der Kriminalbeamte fasste sich schnell. „Mann, Erich, ständig stolperst du über irgendwelche Leichen“, brummelte er verschlafen, dann ergänzte er: „Fass am Tatort nichts an, ich trommle die Kollegen zusammen. Bleib dort, bis wir eintreffen. Ich benötige eine Aussage von dir.“

      Rottmann wollte schon lospoltern, weil Deichler ihm als alten Profi derartige Belehrungen erteilte. Schließlich hatte der Bursche als beruflicher Grünschnabel alles von ihm gelernt. Aber er sagte nichts. Erstens konnte er die momentane Gemütslage Deichlers gut nachempfinden – oft genug hatte auch er sich in einer solchen Situation befunden, und zweitens war für derartige Diskussionen jetzt weder die passende Zeit noch der richtige Ort.

      „Alles klar“, gab Rottmann kurz zurück, dann unterbrach er die Verbindung. Der Exkommissar suchte sich einen Sitzplatz vor einer der Weinlauben und brachte seine Pfeife wieder in Gang. Öchsle schnüffelte währenddessen interessiert vor dem Eingang der Weinhütte am Boden herum. Rottmann schenkte ihm aber keine Beachtung. Jetzt, wo die Anspannung nachließ, spürte er bleierne Müdigkeit. Es war ein anstrengender Tag gewesen, der, so wie es aussah, leider noch lange nicht zu Ende war. Sein Kopf wurde schwer und er bettete ihn auf seinen Unterarm, der auf dem Tisch ruhte. Wenn er überlegte, hatte Deichler schon Recht: Ständig pflasterten Leichen seinen Weg. Er konnte sich schon lebhaft die Schlagzeilen vorstellen, wenn morgen die Presse von dem Toten Kenntnis bekam. Das war wahrhaftig kein gutes Omen für ein Fest, das eigentlich den Gaumengenüssen und der Lebensfreude gewidmet war. Kurz darauf war Rottmann eingeschlafen.

      „Das haben wir gerne!“, riss ihn die Stimme von Florian Deichler aus dem Schlaf. „Zuerst die ganze Mordkommission rebellisch machen und dann selbst einpennen!“

      Rottmann riss erschrocken seinen Kopf in die Höhe und musterte orientierungslos seine Umgebung. Die Erinnerung kam schlagartig wieder. „Dass ihr auch schon da seid!“, knurrte er, dann erhob er sich mühsam. Sein Arm war eingeschlafen und erwachte nun mit heftigem Prickeln wieder zum Leben. Der üble Geschmack im Mund war unbeschreiblich. Rottmann verzog das Gesicht und krächzte: „Habt ihr den Toten schon gefunden?“

      „War ja nicht zu übersehen“, gab Deichler zurück und wies mit der Hand hinüber zu den Männern der Spurensicherung, die sich bereits im Licht eines aufgestellten Scheinwerfers an die Arbeit gemacht hatten.

      Rottmann erkannte den Rechtsmediziner, der gerade den Toten untersuchte. Öchsle stand wachsam neben seinem Herrchen und beobachtete die Aktivitäten auf dem Platz.

      „Komm, setz dich noch einmal hin“, forderte Deichler seinen ehemaligen Chef auf und ließ sich selbst auf der gegenüberstehenden Bank nieder. „Lass mal hören, was du zu berichten hast. Mich würde auch interessieren, was es mit diesem Transparent auf sich hat.“ Er wies zur Fassade des Petrinihauses hinauf. „Als ich heute das Weindorf besucht habe, hing es jedenfalls noch nicht da.“

      Rottmann hatte das Transparent völlig vergessen. Er warf einen Blick hinauf, dann nickte er. „Stimmt! Ich habe da zufällig ein paar Beobachtungen gemacht, die darauf hindeuten, dass der Tote und das Transparent in einem Zusammenhang stehen könnten.“ Er sammelte kurz seine Gedanken, dann schilderte er seinem ehemaligen Mitarbeiter die Ereignisse dieser Nacht. Als er die weglaufenden Gestalten erwähnte, hob Deichler die Augenbrauen.

      „Hast du irgendwelche Einzelheiten erkennen können? Konntest du wenigstens sehen, um wie viele Personen es sich handelte?“

      Rottmann zuckte mit den Schultern. „Ich bin zwar rüber zur anderen Dorfstraße gelaufen, konnte aber nichts Genaues erkennen“, gab Rottmann zurück, der wieder erstaunlich nüchtern war. „Ich denke, es waren drei oder vier Personen. Vermutlich männlich, aber auch das kann ich nicht beschwören. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass einer von denen eine weiße Kappe oder so etwas Ähnliches auf dem Kopf trug.“ „Das gibt nicht viel her“, gab Deichler zurück.

      „Weiß ich auch“, brummte der Exkommissar. „Aber bei dem diffusen Licht …“

      „… und mit einer gehörigen Anzahl Schoppen im Bauch“, ergänzte Deichler leicht grinsend den Satz.

      „Ist sicher richtig“, gab Rottmann zurück. „Aber am Eröffnungsabend des Weindorfes darf man ja mal etwas tiefer ins Glas schauen. Man rechnet ja auch nicht damit, dass die Mordkommission einen in der Nacht noch als Zeugen benötigt.“

      In diesem Augenblick kam der Rechtsmediziner herüber und nickte knapp.

      „Gibt es irgendwelche verwertbaren Erkenntnisse?“, fragte Deichler.

      „Im Augenblick kann ich noch nicht viel sagen. Lange liegt er jedenfalls noch nicht, eine gute Stunde würde ich sagen. Das Blut stammt von einer Kopfverletzung. Sie kann von einem Schlag oder aber auch von dem Sturz auf den Boden gekommen sein. Sonstige Verletzungen konnte ich noch nicht feststellen. Näheres nach der Obduktion.“

      Deichler nickte und der Arzt entfernte sich wieder. Gerade fuhr der Leichenwagen auf den Platz, der den Toten zum Institut für Rechtsmedizin fahren würde.

      Rottmann gähnte verhalten. „Wie sieht es aus, kann ich jetzt gehen? Ich bin wirklich müde. Wenn du eine schriftliche Aussage von mir benötigst, komme ich halt in den nächsten Tagen zu dir ins Büro.“

      Deichler nickte. „Schlaf gut. Und tu mir einen Gefallen: Sieh zu, dass du auf dem Heimweg nicht über noch eine Leiche stolperst.“

      Rottmann brummelte etwas Unverständliches in seinen Bart, dann winkte er knapp und marschierte in Richtung Grafeneckart davon. Öchsle folgte ihm auf dem Fuß.

      Als die Sekretärin der BR Bürger- und Reibeisenbank Würzburg am nächsten Morgen voller Stolz ihr neues Arbeitsdomizil im Petrinihaus am Unteren Markt betreten wollte, fiel ihr fast die Tasche aus der Hand. Rings um das neue Gebäude hatte sich eine große Menschentraube versammelt. Die Leute kommentierten mit erheblicher Lautstärke das Transparent, das einen großen Teil der Vorderfront des Hauses bedeckte. Dazwischen flitzten einige Reporter herum und sogar der Bayerische Rundfunk, Abteilung Fernsehen, war schon mit einem Team vor Ort, machte Aufnahmen und interviewte die Menschen. Selbstverständlich war auch der Würzburger Starf eporter Christian Schöpf-Kelle dabei. Das würde in der morgigen Ausgabe der Main-Postille einen knalligen Artikel geben.

      „Das ist ja der völlige Wahnsinn!“, stöhnte die Frau und riss sich aus ihrer Erstarrung. Sie musste sofort ihren Chef verständigen! Hastig drängte sie sich durch die Menge und verschwand im Haus.

      Es dauerte nur zwanzig Minuten, dann erschien Direktor Hünnerklein im Büro.

      „Wir hatten schon zehn Anrufe von der Presse und auch einige aus dem Rathaus. Die Anrufer wollten wissen, was es mit dem Transparent auf sich hat. Ich habe ihnen gesagt, dass Sie bald hier sein würden.“

      Der Banker sah seine Mitarbeiterin mit gerunzelter Stirn an. „Wenn ich die Kerle erwische, die mir das angetan haben, dann …“ Den Rest ließ er offen.

      Er stürmte in sein angrenzendes Büro und griff zum Telefonhörer. Zuerst einmal musste dieser Schandfleck vom Haus entfernt werden.

      Der Parkplatz des Freibades war bis auf wenige freie Plätze belegt. Jetzt, am späten Nachmittag, war ein ständiges Kommen und Gehen. Familien mit Kindern machten sich auf den Heimweg und die Berufstätigen, die nach Feierabend noch ein paar Runden schwimmen wollten, kamen. Niemand СКАЧАТЬ