Der Schoppenfetzer und die Weindorftoten. Günter Huth
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Название: Der Schoppenfetzer und die Weindorftoten

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429063986

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СКАЧАТЬ jesst erst mal kurz Funken slagen …“ Erich Rottmann stand am Unteren Markt und versuchte mit nicht mehr ganz zielsicherer Flamme seine Pfeife zu entzünden. Irgendwie war der Pfeifenkopf heute deutlich kleiner als sonst und nur schwer zu treffen. „Stehen“ war allerdings für die Körperhaltung des Schoppenfetzers nicht ganz die richtige Bezeichnung. Der ehemalige Leiter der Mordkommission lehnte sich sicherheitshalber gegen den Obelisken des Marktbrunnens, der ihm eine gewisse „Standfestigkeit“ verlieh. Entsprechend der Tradition der Schoppenfetzer hatte sich Erich Rottmann am ersten Tag des Weindorfes nicht geschont und war bis an die Grenzen seiner bemerkenswerten Trinkfestigkeit gegangen.

      Öchsle sah sein Herrchen mit schief gelegtem Kopf verständnisvoll an, dann setzte er sich geduldig neben ihn. Wenn sein Mensch so sprach und roch, würde es etwas dauern, bis sie die heimische Rosengasse erreichten.

      Als die Bruyère endlich zufriedenstellend dampfte, stieß sich Rottmann von dem Brunnen ab und nahm leicht schwankend Fahrt in Richtung Langgasse auf. Dabei übersah er die Stufe, die vom Podest des Obelisken auf den Marktplatz zu überwinden war. Die Folge war, dass Rottmann mit Schwung einige Meter nach vorne sauste und Öchsle sich nur mit einem Seitensprung vor einer Kollision retten konnte. Mit einem lauten Kracher landete Rottmanns Allerwertester auf einer der verlassenen Bänke der nächsten Weinhütte.

      Es ist ja keine neue Erkenntnis, dass gewisse Zustände das Kind im Mann zum Vorschein bringen. Erich Rottmann bildete da keine Ausnahme. Kichernd blieb der Exkommissar einen Moment sitzen. Öchsle, der ihm besorgt nachgelaufen war und nun den Kopf auf das Knie seines Herrn legte, erklärte er: „Siehste, Össle … alles reine Körperbeherrsung! Alles reine Körperbeherrsung!“ Wobei er mit seinem Pfeifenstil dozierend in der Luft herum wedelte. Für einen objektiven fränkischen Beobachter wäre klar gewesen, dass Rottmann dem Verlust der Muttersprache sehr nahe war.

      Plötzlich sprang der Rüde auf, stellte die Knickohren auf und lauschte in Richtung Petrinihaus. Aus seiner Kehle löste sich ein verhaltenes Knurren.

      „Jest sei doch nich gleich sauer“, nuschelte Rottmann, „ich komm ja son.“ Mit einem Ruck stemmte er sich von der Bank hoch. Doch Öchsle konzentrierte sich auf etwas anderes. Ein verdächtiges Geräusch hatte seinen Schutztrieb geweckt. Er stieß ein halblautes Bellen aus.

      Jetzt wurde der ehemalige Kommissar trotz seiner Weinseligkeit stutzig. Er steckte die Pfeife in den Mund und versuchte seinerseits zu ergründen, was seinen Hund so nervös machte. Langsam bewegte er sich durch die linke Dorfgasse in Richtung Rathaus, wobei er die leeren Bänke in den verschiedenen Weinlauben musterte. Er war noch keinen Steinwurf weit gegangen, als er rechts von sich, in der parallelen Dorfgasse, eine huschende Bewegung wahrnahm. Öchsles Knurren steigerte sich und bekam einen höchst gefährlichen Unterton.

      „Is ja gut, mein Kleiner“, brummelte Rottmann, der durch das plötzlich ausgeschüttete Adrenalin eine gewisse Ernüchterung erfahren hatte. Sein Polizisteninstinkt sagte ihm, dass hier etwas vorging, was das Tageslicht scheute. Womöglich irgendwelche weinfestfeindlichen Vandalen, die hier ihr zerstörerisches Werk vollbringen wollten?

      Rottmann eilte durch die Bankreihen der nächsten Weinhütte, um die andere Dorfstraße einsehen zu können. Dass er sich dabei an der Kante einer Bank das Knie anschlug, löste bei ihm zwar einen Fluch aus, brachte ihn aber nicht von seinem Vorhaben ab. Öchsle hielt sich dicht an seinen Menschen und war bereit, falls nötig, sofort helfend einzugreifen.

      Wahrscheinlich wäre der Exkommissar in nüchternem Zustand erheblich schneller gewesen. So konnte er, nachdem er die andere Gasse erreicht hatte, nur noch drei oder vier Gestalten erkennen, die sehr eilig in Richtung Oberer Markt davonhasteten. Rottmann kniff die Augen zusammen. Es schien so, als würde eine der Personen eine weiße Kopfbedeckung tragen, die in der Nacht auffällig leuchtete.

      „Verdammt!“, knurrte Rottmann und zog ärgerlich an seiner Pfeife. Diese hatte aber zwischenzeitlich ihre Glut eingestellt und Rottmann musste nachfeuern. „Nichts zu machen, Öchsle“, stellte er fest, nachdem er den Tabak nachgestopft hatte, „sehen wir zu, dass wir endlich heimkommen.“

      Rottmann nahm seine ursprüngliche Route wieder auf und tappte in Richtung Langgasse weiter. Im Vorübergehen warf er dem dunklen Klotz des Petrinibaues einen verächtlichen Blick zu. Plötzlich blieb er mit einem Ruck stehen und legte den Kopf in den Nacken, um besser sehen zu können. „Da fress einer einen Besen!“, stieß er hervor.

      An der Fassade des Gebäudes hing ein riesiges weißes Transparent, das fast ein Viertel der gesamten Fläche einnahm. Rottmann kniff die Augen zusammen und las den Text:

      Bürger von Würzburg!

      Schützt eure Stadt vor dem architektonischen Niedergang! Schluss mit dem baulichen Ausverkauf unserer geliebten Stadt!

      Die Wilden Alten

      Der Exkommissar stieß ein sattes Lachen aus. „Ein wahres Wort“, rief er und winkte grüßend zum Transparent empor. „Endschlich mal einer mit Mumm!“ Von diesen Wilden Alten hatte er einmal in der Main-Postille gelesen. Schöpf-Kelle, der rasende Reporter des örtlichen Blattes, hatte damals eine Gruppe älterer Stadträte, die während einer Stadtratssitzung gegen einen Beschluss massiv auf die Barrikaden gegangen waren, so bezeichnet. Damals hatte man am Stammtisch darüber herzhaft gelacht. Jetzt sah er die huschenden Gestalten von gerade eben in einem anderen Licht. Zufrieden vor sich hin nickend lief Erich Rottmann weiter. Da würden morgen früh wahrscheinlich einige Menschen in der Stadt schlagartig schlechte Laune bekommen. Bei dieser Vorstellung begann er wieder zu kichern.

      Nur wenige Meter weiter, kurz vor der Ecke des Gebäudes, blieb Öchsle plötzlich so abrupt stehen, dass Erich Rottmann, dessen Reflexe aus nachvollziehbaren Gründen nicht ganz auf ihrem optimalen Level waren, fast über ihn gestolpert wäre.

      „Was …?“ Er wollte schon lospoltern, als der Rüde erneut erregt zu knurren begann. Rottmann schüttelte den Kopf. Was war denn nur heute Nacht in dieser Stadt los?

      Dann bemerkte er die dunkle Gestalt, die regungslos vor einer der letzten Weinlauben mitten auf der Dorfgasse zu Füßen des Petrinihauses lag. Langsam bewegte sich der pensionierte Polizist auf den verkrümmt daliegenden Menschen zu. Sein Instinkt sagte ihm, dass es sich nicht um eine übrig gebliebene „Weinleiche“ handelte, die hier lediglich ihren Rausch ausschlief. Erich Rottmann hatte in seinem Berufsleben viele Leichen gesehen und wusste, wann er es mit einem Toten zu tun hatte. Aus der Nähe konnte er erkennen, dass es sich um einen Mann handelte. Er trug die schwarze Uniform des Sicherheitsdienstes, der in der Nacht das Weindorf bewachte.

      Öchsle blieb immer wieder stehen und prüfte die nächtliche Brise. Auch für seine empfindliche Nase war längst klar, dass mit der Gestalt am Boden etwas nicht stimmte.

      Der Mann lag auf dem Bauch, das Gesicht zur Seite gedreht. Seine starr blickenden Augen waren auf die Blutlache gerichtet, die sich kreisförmig um sein Gesicht ausgebreitet hatte. Rottmann war zu sehr Profi, um die Lage des Mannes zu verändern. Er kniete jedoch nieder und legte vorsichtig Zeige- und Mittelfinger an die Halsschlagader des Liegenden. Rottmann wollte sichergehen. Wie erwartet, konnte er keinen Herzschlag feststellen. Die Haut des Mannes war noch warm, der Tod konnte also noch nicht lange eingetreten sein.

      Schwerfällig erhob er sich und kramte in seinen Taschen nach dem Mobiltelefon. Dies war eindeutig ein Fall für die Mordkommission. Erich Rottmann wählte kurzerhand die Privattelefonnummer von Florian Deichler, seinem engsten Mitarbeiter, als Rottmann noch Chef des Morddezernats war.

      Es dauerte einige Zeit, ehe abgehoben wurde.

      „Jaaah…“, kam es verschlafen aus dem Hörer. Es war unschwer zu erkennen, dass Rottmann den Kriminalbeamten mitten aus dem tiefsten Schlaf СКАЧАТЬ