Название: Lebendige Seelsorge 2/2016
Автор: Erich Garhammer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Lebendige Seelsorge
isbn: 9783429062798
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RESONANZ PRAKTISCH: KARL RAHNERS GEISTLICHE TEXTE
Der kerygmatische Resonanz-Charakter von Rahners Ansatz wird erst jetzt, nachdem die Ausgabe seiner Sämtliche[n] Werke nahezu abgeschlossen ist, zur Gänze fassbar, weil erst durch diese Edition unmittelbar zur Geltung kommt, wie umfänglich geistliche Texte aus Rahners Feder – Meditationen, (Fasten-)Predigten, Gebete – parallel zu seinen akademischen Tätigkeiten niedergeschrieben wurden und – nach des Autors ausdrücklicher Bekundung – gleichrangig neben den theoretischen Werken stehen. Nicht von ungefähr hatte sich der alte Rahner gegen Lebensende gewünscht, „die in seinen Werken zerstreuten Gebete zu sammeln und zu einer Art gebeteten Dogmatik zusammenzustellen“ (Lehmann, XXIX).
In vielen dieser geistlichen Texte begegnet Rahner sozusagen in erster Person Singular als Resonanzkörper des in sein Herz gesprochenen Gotteswortes. Immer wieder ist dabei auch die Rede davon, wie wenig eigentlich unsere eingespielten dogmatischen und doxologischen Formeln dem zu entsprechen vermögen, was sie eigentlich zu sagen versuchen, wenn über und zu Gott gesprochen wird. Und dass das Gott-Welt-bzw. Gott-Mensch-Verhältnis auf ganz andere, weit komplexere und intimere Weise zu bestimmen wäre, als das unsere üblichen Glaubensformeln leisten. Was das konkret bedeutet, lässt sich aus buchstäblich zahllosen Passagen Rahnerscher Texte eruieren – und am meisten wohl dort, wo das Reden über Gott in ein Reden mit Gott, also das Genre des Gebetes wechselt. Bereits in der allerersten Buchpublikation Rahners, dem Bändchen Worte ins Schweigen (vgl. Rahner 2013, 3-38), entstanden 1937 und erschienen 1938, das einer seiner größten Publikationserfolge werden sollte, wird das greifbar. Durchgehend stößt man dort auf Wendungen, die das engste Ineinander von Gott und Mensch intonieren, um im nächsten Augenblick in einer Art Bruderschaft mit Nikolaus von Kues alle konkrete Prädizierung von Gott durchzustreichen: Da jubelt der Autor, dass in der Gnade „[…] dein [sc. Gottes] Leben mein Leben geworden wäre“ (Rahner 2013, 4), um wenige Zeilen später zu schreiben: „Gibt es Namen, die ich Dir nicht geben müsste? Aber was habe ich gesagt, wenn ich dir alle gegeben? Wenn ich, stehend am Rande deiner Unendlichkeit, hineingerufen hätte in die weglosen Fernen deines Seins alle diese Worte zumal, die ich aufgelesen habe in der ärmlichen Enge meiner Endlichkeit? Nie hätte ich Dich ausgesagt“ (Rahner 2013, 4).
Kein Name könne Gott als Gott angemessen nennen und wir könnten wahrlich von Gott nicht reden, „wäre all das nicht umschlossen von deinen fernen Unendlichkeiten“ (Rahner 2013, 5), in denen allein ich als Mensch zu leben vermag (vgl. Rahner 2013, 5). Und dann heißt es von diesem Gott: „Du bist alles in allem, und in jedem, das du bist, bist du alles. […] Und so wird alles, was in der Enge meiner Endlichkeit sich beengt, bedrängt und bekämpft, in dir zu der einen Unendlichkeit, die Einheit und Unendlichkeit zumal ist. Jede deiner Eigenschaften ist immer schon aus sich selbst dein ganzes unermessliches Sein, trägt schon in ihrem eigenen Schoß alle Wirklichkeit“ (Rahner 2013, 8).
Und wenige Zeilen später: „So ist deine Unendlichkeit die Erlösung unserer Endlichkeit. Und doch, mein Gott, ich muß Dir gestehen: je länger ich an sie denke, umso mehr ängstigt mich gerade dieses dein Wesen. Es bedroht mich in meiner Sicherheit, in ihm verliere ich alle Orientierung: Es will mir in Furcht und Zittern wieder scheinen, als ob deine Unendlichkeit, in der Alles dasselbe wird, doch nur für dich allein wäre. […] Du mußt, damit das Erschrecken über deine Unendlichkeit von mir weichen kann, dein unendliches Wort endlich werden lassen, es eingehen lassen in meine Enge, dass es darinnen sich einfügt, ohne das enge Haus der Endlichkeit, in dem allein ich wohnen kann, zu zerstören […]. In deinem ‚abgekürzten Wort‘, das nicht alles sagt, aber etwas, das ich verstehen kann, würde ich wieder aufatmen“ (Rahner 2013, 9).
Und dieses „abgekürzte Wort“ meint natürlich das Ereignis der Inkarnation. Nur der fleischgewordene Logos macht die all-eine Unendlichkeit Gottes für den Menschen erträglich und verständlich. Unter diesem Horizont kann dann sogar der bewusst angenommene eigene Tod für einen Menschen das Tor zum Glück, also zumindest inchoativ zu präsentischer Versöhntheit mit sich werden: „Dann wird das große Schweigen beginnen, in das du allein hineintönst, du Wort von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dann werden alle Menschenworte verstummt sein, Sein und Wissen, Erkennen und Erfahren werden dasselbe geworden sein […]. Kein Menschenwort, kein Bild und kein Begriff wird mehr zwischen mir und dir stehen“ (Rahner 2013, 16f.).
In den nicht weniger berühmten Predigten Rahners Von der Not und dem Segen des Gebetes (vgl. Rahner 2013, 39-116), die er 1946 im zerbombten München gehalten hat und die dann ab 1949 in vielen Auflagen gedruckt wurden, findet das seine Fortsetzung. Ich beschränke mich auf wenige prägnante Passagen. Gleich auf der ersten Seite heißt es: „Wenn der Mensch bei Gott ist in Ehrfurcht und Liebe, dann betet er. Dann vollbringt er zwar nicht alles in einem, weil ihm den Endlichen, dies nie in diesem Leben möglich ist. Aber er ist wenigstens bei dem, der alles in einem ist, und er tut darum etwas vom Wichtigsten und Notwendigsten“ (Rahner 2013, 40).
Dann begegnen Passagen, die beinahe an Spinoza gemahnen, wenn es in dem Abschnitt mit dem Titel Der Helfer-Geist heißt: „Wenn wir beten, dann ist das, was wir sagen und was wir in unserem sogenannten Ich davon merken, nur wie das letzte Echo aus unermesslichen Fernen kommend, des Rufens, in dem Gott sich selber ruft, des Jauchzens, in dem Gott selbst selig ist über die Herrlichkeit seiner Unendlichkeit, der Selbstbehauptung, mit der der Unbedingte von Ewigkeit zu Ewigkeit in sich selbst gründet. […] Er hört das unsagbare Seufzen seines eigenen Geistes, der bei Gott eintritt für seine Heiligen. Er hört als unser Seufzen, als jene Töne, die uns den chaotischen Dissonanzen unseres Herzens und Lebens eine hundertstimmige Symphonie zum Preis des Allerhöchsten machen“ (Rahner 2013, 56f.).
Und einem Menschen in der Gottesnot und Glaubenssorge eines scheinbar leeren Herzens kann Rahner in der ebenfalls weitverbreiteten Schrift Kleines Kirchenjahr (vgl. Rahner 2013, 117-189) von 1954 tröstend sagen: „Welcher Gott ist Dir eigentlich in dieser Leere des Herzens fern? Nicht der wahre und lebendige Gott, denn dieser ist ja gerade der Unbegreifliche, der Namenlose, damit er wirklich der Gott deines maßlosen Herzens sein kann. Fern ist Dir nur geworden ein Gott, den es nicht gibt: ein begreiflicher Gott […], ein sehr ehrwürdiger – Götze. […] Laß in diesem Geschehen des Herzens ruhig die Verzweiflung Dir scheinbar alles nehmen […]. Denn, wenn Du standhälst […], dann wirst Du plötzlich inne werden, daß dein Grabeskerker nur sperrt gegen die nichtige Endlichkeit, daß seine tödliche Leere nur die Weite einer Innigkeit Gottes ist, daß das Schweigen erfüllt ist von einem Wort ohne Worte, von dem, der über allen Namen und alles in allem ist. Das Schweigen ist sein Schweigen: Es sagt Dir, daß er da ist“ (Rahner 2013, 148f.).
WOHER KOMMT DAS RESONANT VERLAUTENDE GOTTESWORT?
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