Название: Lebendige Seelsorge 2/2016
Автор: Erich Garhammer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Lebendige Seelsorge
isbn: 9783429062798
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„Gaudium et spes“ beginnt mit dem vielzitierten Satz, der der Pastoralkonstitution ihren Namen gibt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrangten aller Art, sind auch (sunt … etiam) Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Junger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände (resonet)“ (GS 1). Dasselbe Verb „resonare“ taucht in der Offenbarungskonstitution – mit Referenz auf Kol 3,16 – wieder auf: „So ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlass im Gesprach mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt (resonat), führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und lässt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen“ (DV 8). An anderen Stellen wird das Bild des Spiegels oder des reflektierenden Lichts verwendet: „veluti speculum« (DV 7) und „lumen repercussum“ (GS 40). Es knupft an die patristische Mond-Metaphorik an. Die BrautMetaphorik wird ahnlich gebraucht.
Liest man beide Textstellen zusammen, dann erkennt man, wie das Konzil die „actio Ecclesiae“ in der Moderne verortet, nämlich – im Sinn einer pneumatologischen Christologie – gleichsam als Resonanzkörper des Evangeliums in der Welt und der Welt in den Herzen der ChristusGläubigen. Beide Seiten sind aufeinander bezogen. In dieser „Ästhetik“ liegt der besondere „pastorale“ Ansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er verbietet die Unterscheidung von Kirche und Welt im Schema von innen und außen.
Gegenüber einer Unversehrtheit des Glaubensgutes hebt er den Gewinn eines transitorischen Prozesses hervor, in dem die Kirche sich im Hören („Dei verbum religiose audiens …“, DV 1, mit Referenz auf 1 Joh 1,2f.) sozial konstituiert, paradox formuliert: Dieselbe geht als eine andere daraus hervor. „Metanoia“ gehört zum Grunddatum christlicher Existenz. In diesem Sinn wäre auch das „sunt etiam“ der Pastoralkonstitution zu verstehen. Es bezeichnet keine Tautologie, sondern einen Transitus im Sinn des Geistes der Liturgie- und der Kirchenkonstitution: des „spiritus liturgicum“ (vgl. DV 7–10; GS 26; 28; 38; 41 und 44; vgl. ausführlicher Fresacher 2006; Fresacher 2010).
ÖKONOMIE DES EVANGELIUMS
Damit ist das Verhältnis von Glauben und Gesellschaft unter die veränderten Vorzeichen der Moderne gestellt. Die vertraute Pfingsterzählung gewinnt auf einmal einen neuen Klang. „Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kapadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (Apg 2,7-11).
Hier ist nicht vom Sprechen, sondern vom Hören die Rede; nicht von Übersetzung, sondern von Muttersprache. Nicht die Mitteilung, sondern das Verstehen erscheint als der Dreh- und Angelpunkt: die Resonanz der Herzen, über die die Redenden ihrerseits nicht verfügen können, sondern vielmehr selbst erstaunt sind. Darin besteht die überraschende Ökonomie des Evangeliums, wie sie in den Gleichnissen der Bibel vor Augen geführt wird. Sie hat damit zu tun, dass sie auf die „Muttersprache“ der örtlichen Erfordernisse und Gebräuche angewiesen ist, damit das göttliche Wort dort in Überfülle wohnen kann.
Ich möchte mit den Sätzen eines anderen theologischen Autors schließen, der ähnlich wie Erich Garhammer der Theologie die Poesie ans Herz legt: „Die rätselhafte Vorläufigkeit der göttlichen Sätze hält an. Sie kann nicht vermieden werden. Das ist die bleibende Situation der Sprache, in die wir versetzt sind […] Es gibt keine Transformation in erschöpfende Information, dass […] Gott sozusagen seine Wahrheit in einem Guss ins Hirn schüttet und fertig […] Es geht um die Gottesgeburt im menschlichen Tun des Hörens und der Entzifferung“ (Bachl 223f.). Dieses Tun findet nicht nur auf dem schwankenden Boden der Sprache und der Schrift, sondern auch des Erlebens von „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ – insbesondere in Bedrängnis und Not – statt. Dahinein ist das Wort Gottes gestellt, in diese Aktion.
Dass beide Vollzüge, Wort und Erleben, offenbarungstheologisch so aufeinander bezogen zu verstehen sind, wie in „Dei verbum“ und in „Gaudium et spes“ ausgeführt, gehört zum Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils – das darin seinerseits auf Resonanz angewiesen ist.
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LITERATUR
Bachl, Gottfried, Vom mystischen Sinn der Schrift. Spätes Protokoll zu einer Tagung auf Burg Rothenfels, in: Pröpper, Thomas/Raske, Michael/Werbick, Jürgen, (Hg.), Mystik – Herausforderung und Inspiration, Mainz 2008, 223-231.
Fresacher, Bernhard, Kommunikation. Verheißungen und Grenzen eines theologischen Leitbegriffs, Freiburg i.Br. 2006.
Fresacher, Bernhard (Hg.), Neue Sprachen für Gott. Aufbrüche in Medien, Literatur und Wissenschaft, Ostfildern 2010.
Robinson Crusoe
Wenn mir meine Mutter den Robinson vorgelesen hat, bin ich stets wütend geworden, wenn sie einen Satz oder Abschnitt überspringen wollte. Dabei ging es mir weniger um Robinsons Abenteuer, vielmehr darum, dass ich mich auf sie verlassen konnte. Was immer auf der Insel geschehen war, auch das Schreckliche, sollte sich zuverlässig wiederholen, wieder und wieder. Ich frohlockte, wenn der befürchtete Sturm tatsächlich ausbrach und das Schiff am Riff zerschmettert wurde. Sogar der Abdruck eines Menschenfußes im Sand war mir lieb: lieb, weil vertraut. Denn stets trat der Fuß an derselben Stelle auf, und wie sehr genoss ich es, ein doppelter Robinson zu sein! – der eine rannte vor dem Abdruck ängstlich wie ein Hase davon, der andere war der kleine Herrgott, der genau wusste, dass sich der Hase irrte; der Fuß, der sich im Sand abgezeichnet hatte, gehörte Freitag, der dann Robinsons Freund werden sollte.
In frühen Jahren lieben wir die Wiederholung, weil sie uns Ordnungen aufzeigt, Strukturen, Gesetze. Aber zugleich erfahren wir, dass wir voller Worte und Bilder sind – alles ist schon da, doch muss es angesprochen werden, damit wir die Worte hören, die Bilder sehen können. Wir müssen zum Widerhall werden, zur Resonanz.
Thomas Hürlimann
Predigt als Resonanz–Geschehen
Kleine Skizze zu einer Philosophie der Verkündigung
Obwohl es nicht wenige große Prediger gab, die auch Philosophen waren, und etliche Philosophen, die auch Prediger waren, hat so etwas wie eine „Philosophie der Verkündigung” nahezu gänzlich ein Schattendasein geführt – mit wenigen jüngeren Ausnahmen vielleicht, von denen noch die Rede sein wird. Dabei hätte sich ein solches Unterfangen bereits von der Grundverfassung allen Gottdenkens nahegelegt. Formal und philosophisch gesprochen: Wenn und sofern es ein Unendliches oder Absolutes gibt, können wir einen möglicherweise seitens seiner an uns ergehenden Anspruch (im literalen und spekulativen Sinn des Wortes) einzig im Medium unserer endlichen Verfassung vernehmen. Und exakt dieses Grundverhältnis wiederholt sich sozusagen en miniature im Geschehen der Verkündigung, sofern darin Gotteswort in Menschenwort verlautbart werden soll. Die Chiffre „Resonanz” scheint mir beide Grundverhältnisse angemessen zu charakterisieren. Klaus Müller
WENN GOTT „SPRICHT“
Allerdings impliziert dieser Terminus „Resonanz“ (bei dem es sich СКАЧАТЬ