Alles Materie - oder was?. Hans-Dieter Mutschler
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Название: Alles Materie - oder was?

Автор: Hans-Dieter Mutschler

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783429062712

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СКАЧАТЬ der Besuch in einem Museum für griechische Kunst. Wir stehen staunend vor den Skulpturen der griechischen Götter, und ihre ästhetische Wucht springt uns an wie ein gefährlicher Tiger von hinten. Keine Chance. Wir sind überwältigt und glauben für einen Moment, dass diese Götter real seien. Aber nur so lange, wie wir uns im Museum aufhalten. Draußen hingegen erfasst uns wieder der nüchterne Alltag, und die griechischen Götter werden museal und kommen herab zur bildungsbürgerlichen Reminiszenz.

      Um 1800 schwärmte ganz Deutschland für die griechische Mythologie. Goethe hat seinen Faust II reichlich damit ausstaffiert. Aber es wirkt gipsklassizistisch, wie ein zweiter Aufguss, und man kann auch davon ausgehen, dass Goethe selbst nicht an diese mythologischen Gestalten glaubte. Für ihn war die griechische Mythologie ein Reservoir kraftvoller Symbole, aus dem er sich bediente. Dass er all dies nicht so furchtbar ernst nahm, sieht man daran, dass er am Ende von Faust II plötzlich in eine christliche Symbolik verfällt, aber auch diese nahm er nicht wirklich ernst. Für ihn waren es einfach nur besondere kräftige Farben auf dem Pinsel seiner Poesie.

      Für Intellektuelle wie Schnädelbach sind Jesus, Maria und Josef eher wie Zeus, Hera und Apoll: Gestalten der Geschichte, die eine museale Rührung in uns hervorrufen, die jedoch mit unserer heutigen Situation nichts mehr zu tun haben. An das Christentum kann man heute einfach nicht mehr glauben. Dass Schnädelbach das so sieht, scheint klar, aber hat er auch recht? Kann man heute im Ernst nicht mehr an Gott glauben? Wer sich entschlossen hat, nicht zu glauben, mag seine guten Gründe haben, und wir werden seine Gründe achten, aber die eher objektive Behauptung, dass man heute nicht mehr glauben könne, ist schlichtweg falsch.

      Schnädelbach hat bei Th. W. Adorno studiert, zu einer Zeit, als die sogenannte Säkularisierungsthese in Mode war. Sie läuft darauf hinaus, dass unsere Kultur immer rationaler, diesseitiger wird. Das Religiöse verdunstet nach und nach und macht einer Rationalität Platz, die keinen Sinn mehr für Transzendenz hat. Aber diese Säkularisierungsthese ist gescheitert. Die Religion macht keinerlei Anstalten, zu verschwinden. Es ist auch nicht so, dass sie nur in der „Dritten Welt“ boomt, sodass die These zumindest für die westliche Welt wahr wäre. Je moderner, desto weniger religiös, so die Säkularisierungsthese.

      Das prominenteste Gegenbeispiel dafür sind aber die USA. Dort gehen Religiosität und Modernisierung Hand in Hand. Dasselbe gilt übrigens auch für Südkorea, die Philippinen, ja sogar für China, und ist es so sicher, dass sich der Aufschwung des Christentums in Südamerika und Afrika nur einfach der Tatsache der gesellschaftlichen Unterentwicklung und einem herrschenden Aberglauben verdankt?

      Es ist jedenfalls so, dass die Säkularisierungsthese höchstens für Westeuropa etwas Reales bezeichnet, und dann auch nur, wenn wir die Blüte der Esoterik und den Einfluss ostasiatischer Religionen ignorieren. Jürgen Habermas hat deshalb für unsere Epoche den Begriff ‚postsäkular‘ geprägt, worauf der Religionssoziologe Hans Joas gallig bemerkte, eine Gesellschaft, die niemals wirklich säkularisiert war, könne auch nicht später postsäkular geworden sein. Für Hans Joas ist die ganze Rede von ‚Säkularisierung‘, ‚postsäkular‘ usw. ein Artefakt, eine soziologische Erfindung, die wenig mit der Realität zu tun hat.

      Das heißt also: Wer sich gegen den Glauben entscheidet, mag seine guten Gründe haben. Zu behaupten, Jesus Christus sei museal, überholt wie die griechischen Götter, liegt aber ganz falsch. An Zeus, Hera und Apoll glaubt niemand mehr, aber auf der Erde leben inzwischen mehr als zwei Milliarden Christen, die ihren Glauben ernst nehmen!

      Die klugen Materialisten sind klug genug, sich nicht auf die Naturwissenschaft zu berufen, wie die gleich zu behandelnden Primitivatheisten. Sie haben seriösere Gründe. Heute aber dominiert ein Primitivatheismus, der glaubt, die Religion sei falsch, weil Physik und Biologie wahr seien. In der Tat kommt Gott weder in der Physik noch in der Biologie vor. Aber das ist so ähnlich, wie der Ingenieur in den Betriebsanleitungen einer Waschmaschine oder eines Computers nicht vorkommt. Würden wir daraus schließen, dass diese technischen Geräte auf den Bäumen wachsen und nicht vielmehr vom Menschen gemacht wurden?

      Das nun Folgende ist nicht sehr appetitlich. Der Primitivmaterialismus, der auch der ‚neue Atheismus‘ genannt wird, ist so unbedarft, dass man sich stellvertretend für seine Anhänger schämen muss, dass sie sich nicht mehr Mühe geben. Ungefähr so, als würde man den Inhalt von Einsteins Relativitätstheorie in dem Satz zusammenfassen „Es ist alles relativ“, was man zwar oft hört, was aber nur dem einleuchten wird, der keine Ahnung von der Sache hat. Die neuen Atheisten wissen in der Regel nicht, wovon sie reden. Sie haben noch nicht einmal ein elementares Handbuchwissen vom Glauben, geschweige denn, dass sie sich ernstlich mit Theologie auseinandergesetzt hätten. Es ist einfach nur peinlich.

      Ihr Begriff von Religion lautet ungefähr so: Wenn früher eine Sonnenfinsternis eintrat, flüchteten die Menschen in die Tempel oder in die Kirchen, denn die Sonne war der Platzhalter des Guten und die Finsternis stand für das Böse. Die Sonnenfinsternis war also zugleich eine Verdunklung des Göttlichen, d. h. des Guten. Seit Galilei und Newton haben wir jedoch die Gesetze der Planetenbewegungen und die der Monde erkannt und können eine Sonnenfinsternis präzise vorhersagen. Damit entfällt der ganze Aberglaube, und die Wissenschaft verdrängt die Religion als eine Form der primitiven Unwissenheit. Mehr Schlichtheit ist kaum denkbar.

      Es gibt in Deutschland eine Art Atheistenkirche, nämlich die Giordano-Bruno-Stiftung. Sie setzt sich für die Verbreitung des Unglaubens ein und beruft sich dabei vornehmlich auf die Naturwissenschaft. Tatsächlich sind einige Mitglieder dieser Stiftung Naturwissenschaftler wie Bernulf Kanitscheider, Franz Wuketits, Gerhard Vollmer, Ulrich Kutschera, Volker Sommer, Eckhard Voland, aber auch Philosophen wie Hans Albert oder Dieter Birnbacher.

      Diese Stiftung veranstaltet Wochenendseminare, wie z. B. eines über den Löffelzerbieger Uri Geller. Geller gibt vor, Löffel auf Distanz und ohne Berührung verbiegen zu können, doch die Giordano-Bruno-Stiftung erklärt uns den Trick. Sehr verdienstvoll, aber sie erhebt damit zugleich den Anspruch, religiöse Wunder entlarvt zu haben. Die fundamentale Differenz zwischen einem Mirakel und einem Wunder scheint ihnen unbekannt. Magie war schon im Alten Testament verboten, geschweige denn im Neuen Testament, aber Wunder haben eine völlig andere Bedeutung als bloße Mirakel oder als Magie.

      In Lourdes geschehen Heilungswunder, gut bezeugt von völlig materialistisch eingestellten Wissenschaftlern. Dagegen wird eingewandt, dass auch an ganz gewöhnlichen Kliniken unerklärliche Spontanheilungen geschehen und dass ihr prozentualer Anteil nicht geringer sei. Wäre dies eine Widerlegung der Wunder von Lourdes? Wird ein Todkranker, der im gläubigen Vertrauen nach Lourdes pilgert und der wieder gesund wird, seine Genesung als statistische Schwankung und nicht vielmehr dennoch als ein Wunder ansehen, möge an den profanen Kliniken geschehen, was da wolle? Tatsächlich ist das Mirakel per se kein Wunder, sondern nur ein auffälliges Geschehen, das im Glaubensvollzug eine bestimmte Bedeutung hat. Das Mirakulöse ist also nicht der entscheidende Punkt, und dass es an gewöhnlichen Kliniken Spontanheilungen gibt, ist kein Argument gegen das Wunder, das seine eigentliche Kraft aus dem Glauben zieht.

      Der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung ist der Philosoph Michael Schmidt-Salomon. Er schrieb für diese Stiftung eine programmatische Schrift mit dem Titel „Manifest des evolutionären Humanismus“, in der er zehn neue Gebote verkündet, sich also dreist mit Moses auf eine Stufe stellt. Ansonsten sagt er, was ihm so einfällt. So behauptet er, dass den Menschen „in religiösen Dingen jegliches Gefühl für intellektuelle Redlichkeit verloren“ gehe. Oder: „Kein noch so verkommenes Subjekt unserer Spezies hat jemals derartig weitreichende Verbrechen begangen, wie sie vom Gott der Bibel berichtet werden.“ Jesus habe für die Ungläubigen eine „Endlösung“ nach Art der Nazis vorgesehen, so dass er ihn dreist mit Josef Goebbels (!) vergleicht. Das ist ebenso böswillig wie ignorant. So wenig wie ein Mirakel von sich aus schon ein Wunder ist, so wenig sollte man eine prophetische Rede, die aufrüttelt, wörtlich nehmen. Aber diese Art von neuen Atheisten hat noch nicht einmal СКАЧАТЬ