Spessartblues. Günter Huth
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Название: Spessartblues

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429063528

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СКАЧАТЬ Schöffengerichtsverfahren, die ich selbst aburteilen muss. Fälle, bei denen ich sehr viel Insiderwissen habe und die ich meinem Vertreter nicht zumuten möchte. Danach werde ich mich soweit möglich zurückziehen.«

      Er nahm einen kräftigen Schluck, dann meinte er: »Themawechsel! Du hast mir erzählt, dass du einen neuen Fall hereinbekommen hast. Erzähl mir ein wenig davon.« Er erhob sich. »Komm, setzen wir uns ins Wohnzimmer. Ich mache einen Bocksbeutel auf. Ich würde mich freuen, wenn du hier übernachten würdest.«

      Eberhard Brunner zögerte einen Moment, dann erklärte er sein Einverständnis. Irgendwie hatte er das Gefühl, bei dem Angebot seines Freundes schwang unausgesprochen die Bitte mit, ihn nicht alleine zu lassen. Nachdem sie es sich bequem gemacht hatten und der Wein eingeschenkt war, begann Brunner zu berichten.

      »Wir haben da vor ein paar Tagen einen sehr merkwürdigen Fall hereinbekommen. Das Missionsärztliche Klinikum in Würzburg hat uns mitgeteilt, in der Nacht von Montag auf Dienstag der vergangenen Woche habe die Nachtschicht einen schwer verletzten, nackten Mann vor der Notaufnahme aufgefunden. Wie es aussah, war der Mann völlig hilflos dort ausgesetzt worden. Aus den Gesamtumständen und der Art der Verletzungen schlossen die Mediziner, dass der Mann Opfer eines Verbrechens war. Der Patient wurde sofort in ein künstliches Koma versetzt, da die Schmerzen unerträglich sein mussten. Er war selbstverständlich für uns nicht ansprechbar. Bis jetzt konnten wir nur mit den Ärzten sprechen.«

      »Welche Art von Verletzungen hatte er denn?«

      »Die behandelnden Mediziner haben wegen der außergewöhnlichen Art der Verletzungen Fotoaufnahmen gemacht und sie uns zur Verfügung gestellt.« Brunner griff nach seinem Glas und nahm einen Schluck Wein, dann fuhr er fort: »Ich habe in meinem Job schon viele Grausamkeiten gesehen, aber das war wirklich schwer verdauliche Kost. Wie es scheint, hat man ihn mit einer Art Brenneisen oder Lötkolben einen Schriftzug auf den Unterbauch eingebrannt.«

      Simon Kerner zog betroffen die Augenbrauen in die Höhe.

      »Ohne Probleme war das Wort ›PERVERS‹ zu erkennen. Aber das war noch nicht genug. Man hatte den Mann außerdem kastriert!«

      Kerner sog scharf die Luft ein. »Du meinst …?«

      Brunner nickte. »Man hat ihm beide Hoden entfernt. Mehr oder weniger fachmännisch, wie mir die Ärzte sagten.«

      Für einen Moment herrschte Sprachlosigkeit.

      »Wie es aussieht«, fuhr Brunner dann fort, »legten es die oder der Täter nicht direkt darauf an, den Mann zu töten. Er wurde kurz nach der Misshandlung an der Klinik ausgesetzt. Die Schäden, die man ihm zugefügt hat sind allerdings dauerhaft und irreparabel.«

      »… und damit nur schwer vor seiner Umwelt zu verbergen. Vermutlich war das auch beabsichtigt.« Kerner lehnte sich nachdenklich zurück. »PERVERS ist jetzt allerdings keine so klare Aussage, dass man auf Anhieb erkennen könnte, welche Art von Abartigkeit gemeint ist. Die Kastration deutet aber meines Erachtens eindeutig auf einen Racheakt hin. Gab es in der letzten Zeit bei uns Straftaten in diese Richtung?«

      »Ich habe mich schon mit den Kollegen ausgetauscht. Es gibt immer wieder einmal Hinweise auf das Vorhandensein einer pädophilen Szene im Raum Frankfurt, deren Ausläufer sich auch nach Bayern hineinziehen, aber die Ermittlungen sind ausgesprochen schwierig. Diese Verbrecher wissen sich zu schützen und bewegen sich in erster Linie im Darknet. In diese Kreise einen verdeckten Ermittler einzuschleusen ist extrem schwer, zeitaufwändig und höchst gefährlich.«

      »Gibt es denn keinerlei Hinweise, um wen es sich bei dem Verletzten handeln könnte?«

      »Wie gesagt, als er aufgefunden wurde, war er völlig nackt und hatte keinerlei Erkennungsmerkmale bei sich. Auch in der Vermisstenabteilung ist niemand gemeldet, auf den die Beschreibung des Verletzten passen würde. Wahrscheinlich wird das Rätsel erst gelöst, wenn wir ihn das erste Mal vernehmen können. Die Klinik wird uns verständigen, wenn er so weit ist.«

      Die beiden verließen das Thema und unterhielten sich nun über Kerners Pilgerfahrt. Simon Kerner hatte bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt, sich in Ruhe mit seinem Freund darüber auszutauschen. Als Kerner gerade den dritten Bocksbeutel öffnen wollte, läutete Brunners Mobiltelefon. Der Kriminalkommissar verdrehte wegen der späten Störung die Augen, nahm das Gespräch aber an. Nachdem er einige Zeit wortlos gelauscht hatte, erklärte er: »Ich bin gerade bei einem Freund und habe einige Gläser Wein getrunken. Bin also nicht mehr fahrtüchtig. Veranlassen Sie bitte, dass die Polizeiinspektion Karlstadt mir eine Streife vorbeischickt, die mich hier abholt und nach Würzburg fährt.« Er gab noch Kerners Adresse durch, dann legte er auf.

      »Ärger?«, fragte Kerner und stellte die noch nicht geöffnete Flasche auf den Tisch zurück.

      »Simon, es tut mir sehr leid, aber ich muss sofort nach Würzburg zurückfahren.«

      Simon Kerner sah Brunner fragend an.

      »Der Verletzte, von dem ich dir vorhin erzählt habe, hat sich anscheinend vom Balkon seines Krankenzimmers hinabgestürzt. Wie es aussieht, Selbstmord. Aber nach den Gesamtumständen des Falles muss man das genauer ermitteln. Es wäre ja auch denkbar, dass der Täter sein Werk vollenden wollte.«

      Zwanzig Minuten später hörten sie das schnell näherkommende Signal einer Polizeisirene. Kerner begleitete seinen Freund bis vor das Haus, wo Brunner sich auf die Rückbank eines Streifenwagens gleiten ließ, der sofort lospreschte, auf dem Wendehammer vor Kerners Haus mit quietschenden Reifen wendete und sich mit hoher Geschwindigkeit auf den Weg nach Würzburg machte.

      Kerner ging zurück ins Haus. Sofort verspürte er wieder dieses bedrückende Gefühl der Einsamkeit. Er schaltete den Fernseher ein, setzte sich auf die Couch und öffnete die dritte Weinflasche. Vielleicht trug der betäubende Alkohol dazu bei, dass er in dieser Nacht von bedrückenden Albträumen verschont blieb.

      4

      Der Wecker neben Theresas Bett klingelte pünktlich um sechs Uhr dreißig. Mit seiner elektronischen Dreistigkeit schaffte er es, Theresa Schönbrunn aus einem angenehmen Traum zu reißen. Im Halbschlaf schlug sie heftig auf die Schlummertaste, worauf das Gerät prompt verstummte. Sie wusste, bis zum nächsten Weckintervall würde eine Gnadenfrist von drei Minuten vergehen, ehe das lästige Geräusch erneut in ihr schlaftrunkenes Gehirn eindringen würde. Sie gähnte herzhaft und vernehmlich, dann schlug sie entschlossen die Bettdecke zurück und setzte die Füße auf den Bettvorleger. Es half ja alles nichts, ein neuer Tag verlangte sein Recht. Mit einem Blick zum Fenster erkannte sie durch die Schlitze der herabgelassenen Jalousien einen sonnigen Lichtschimmer, Zeichen für einen regenfreien, sonnigen Tag. Sie erhob sich, schlüpfte in ihre Pantoffel, zog das nach oben gerutschte Longshirt zurecht, das sie als Nachthemd trug, und schlurfte in Richtung Bad. Gewohnheitsmäßig kämmte sie sich mit den Fingern ihre halblangen, zerwühlten brünetten Haare aus dem ovalen Gesicht. Die härteste Aufgabe dieses Montagmorgens stand ihr noch bevor: Sie musste ihre 15-jährige Tochter Ronja wecken, mit der sie als alleinerziehende Mutter eine Dreizimmerwohnung in Karlstadt bewohnte. Ronja war es am Wochenende durch massives, Nerv tötendes Quengeln gelungen, sie zu bewegen, ihr am Sonntagabend den Besuch der Geburtstagsparty von Moritz, ihrem Trainer aus dem Judo-Club, zu erlauben. Theresa kannte den jungen Burschen persönlich. Er war ganz in Ordnung. Ronja versicherte ihr hoch und heilig, spätestens um 23:00 Uhr zu Hause zu sein. Da ihre Tochter eine gute Schülerin und für Montag keine Klassenarbeit angesetzt war, ließ sich Theresa breitschlagen. Tatsächlich betrat Ronja wenige Minuten nach der vereinbarten Zeit die Wohnung und hatte sich gleich in ihr Zimmer СКАЧАТЬ