Spessartblues. Günter Huth
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Читать онлайн книгу Spessartblues - Günter Huth страница 6

Название: Spessartblues

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429063528

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СКАЧАТЬ der Wanderschaft noch kräftiger geworden, seine Fettreserven aber praktisch aufgebraucht. Er schnallte den Gürtel zwei Loch enger. Vor dem Spiegel band er seine Krawatte, dann fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare, die ein gutes Stück länger waren, als er sie früher getragen hatte. Letztmals hatte in Spanien ein Dorffrisör Hand an ihn gelegt. An den Schläfen drängten sich, gut sichtbar, die ersten grauen Haare in den Vordergrund. Den langen Bart, der ihm auf der Reise gewachsen war, hatte er schon kurz nach seiner Ankunft abgenommen. Die Stellen in seinem hager gewordenen Gesicht, die wegen Bart und Haaren nicht der Sonne ausgesetzt waren, wirkten gegenüber seiner ansonsten tiefen Bräune bleich und leicht maskenhaft.

      Beim Läuten des Telefons im Wohnzimmer zuckte er leicht zusammen. Kerner war dieses Geräusch nicht mehr gewöhnt. Unterwegs hatte er auf jede Art von moderner Kommunikation verzichtet. Nur so konnte er den erforderlichen Abstand zu seinem alten Leben schaffen.

      »Hallo Simon«, kam die Stimme von Eberhard Brunner aus dem Hörer, »ich möchte dir für deinen ersten Arbeitstag nochmals alles Gute wünschen. Du hast ja heute erst mal einen Termin beim Landgerichtspräsidenten hier in Würzburg. Wenn du fertig bist, ruf mich an. Wir können uns dann auf einen Kaffee treffen. Du solltest es erst einmal langsam angehen lassen. Sonst ist alles in Ordnung bei dir?«

      Sein Freund Eberhard Brunner, der als Leiter der Mordkommission in Würzburg arbeitete, hatte ihn nach seiner Ankunft in Würzburg vom Bahnhof abgeholt und ihn hierher nach Partenstein gefahren. Seitdem hatte er ihn jeden zweiten Tag besucht. Auch gestern wollte er kommen, musste sich dann aber wegen eines dringenden Einsatzes entschuldigen.

      »Danke. Schön, dass du anrufst. Ich mache mich gerade fertig. Ich bin etwas angespannt. Kann sein, dass mir der Präsident eine unangenehme Eröffnung macht. Immerhin bin ich ja nach …« Er stockte kurz, dann fuhr er fort: »… den Ereignissen ziemlich fluchtartig aufgebrochen. Im Nachhinein betrachtet, habe ich meine Behörde wohl ziemlich im Stich gelassen.« Kerner verstummte.

      »Mach dir keine Vorwürfe! Ein anderer wäre bei diesem Schicksalsschlag, den du ertragen musstest, völlig zusammengebrochen.«

      Kerner zuckte mit den Schultern, obwohl Brunner das natürlich nicht sehen konnte. »Vielleicht ist es in meiner Situation das Beste, sich einfach in die Arbeit zu stürzen. Das verdrängt so manchen Gedanken.« Er wechselte das Telefon an das andere Ohr und zwang sich dazu, das Thema zu ändern. »Was habt ihr gestern eigentlich für einen Fall reinbekommen? Einen Mord?« Ihm fiel im Augenblick nichts Besseres ein. Echtes Interesse hatte er, wenn er ehrlich war, im Moment nicht.

      »Nein, kein Tötungsdelikt im eigentlichen Sinne. Sieht auf den ersten Blick nach einem Suizid aus. Die Begleitumstände sind aber ziemlich mysteriös. Wir können ja, wenn du willst, später drüber reden.« Auch er wechselte zu einem unverfänglichen Themengebiet.

      »Wie bist du eigentlich mit dem Jeep Wrangler zufrieden, den ich für dich angemietet habe? Ich dachte, als Übergangslösung, bis du dir einen neuen fahrbaren Untersatz gekauft hast, ist er doch in Ordnung.«

      »Ja, ja, dafür bin ich dir wirklich sehr dankbar. Ich denke aber, ich werde heute erst mal mit dem Motorrad nach Würzburg fahren. Das Wetter passt ja.«

      Die beiden Freunde verabschiedeten sich voneinander.

      Nach dem Gespräch betrachtete Erster Kriminalhauptkommissar Brunner nachdenklich den Telefonhörer. Er ahnte, warum Simon Kerner heute nicht mit dem Wagen fuhr. Der gemietete Jeep war zwar kein Defender, in dem Kerners Lebensgefährtin Steffi zu Tode gekommen war, aber auch ein Geländewagen und daher für den Freund wahrscheinlich ebenfalls irgendwie belastend.

      Simon Kerner faltete sein Anzugjackett sorgfältig zusammen, dann packte er es in eine der beiden Motorradpacktaschen, die im Flur standen. In die andere Tasche verstaute er seine Straßenschuhe. Er schlüpfte in seine Motorradkombi, dann zog er die Stiefel an, der Helm lag neben der Garderobe auf dem Boden. Nachdem er fertig war, warf er sich die Packtaschen über den Arm und ging in die Garage. Einen Augenblick musterte er den dunkelgrünen Jeep, der an der Stelle parkte, wo vor Monaten noch sein schwarzer Defender stand. Nach dem schrecklichen Mordanschlag auf Steffi und ihn war das Fahrzeug nur noch ein Wrack gewesen und Eberhard Brunner hatte es mit seinem Einverständnis, nach Freigabe durch die Spurensicherung, verschrotten lassen. Da war er aber bereits auf dem langen Marsch. Er selbst hätte das sicher nicht fertiggebracht.

      Blitzartig und für ihn nicht kontrollierbar, tauchte vor seinem geistigen Auge die schreckliche Szene auf, in der Steffi hinter dem Steuer des Defenders sitzend in seinen Armen gestorben war.

      Kerner schlug keuchend mit der Faust gegen die Garagenwand. Der Schmerz vertrieb das Bild und zwang ihn in die Gegenwart zurück. Er schüttelte den Kopf, dann betätigte er die Fernbedienung und das Garagentor öffnete sich. Kerner schnallte die Packtaschen auf dem Motorrad fest, dann hob er es vom Ständer und rollte es auf die Straße hinaus. Das Tor schloss sich hinter ihm. Simon Kerner schwang sich in den Sattel und betätigte den Starter. Ohne Zögern sprang der Motor an. Ein dankbarer Gedanke galt seinem Freund Eberhard, der sich während seiner Abwesenheit auch um das Motorrad gekümmert hatte. Kerner klappte den Windschutz des Helms herunter, legte den Gang ein und gab Gas. Mit etwas gemischten Gefühlen fuhr er in Richtung Würzburg. Er wusste nicht, was ihn erwartete, und er war sich sicher, dass das, was er dem Präsidenten vortragen wollte, bei seinem Vorgesetzten sicher keine Begeisterungsstürme auslösen würde.

      In der Tiefgarage des Justizzentrums parkte er sein Motorrad, entledigte sich an Ort und Stelle seiner Motorradkleidung und zog sich das Anzugjackett über. In der Toilette im Parterre des Justizgebäudes warf er einen kurzen Blick auf seine äußere Erscheinung. Nachdem er sich mit dem Kamm noch einmal kurz durch die Haare gefahren war, betrat er den Aufzug und fuhr in das oberste Stockwerk. Er war froh, unterwegs nicht auf irgendwelche Kollegen zu stoßen. Ihm stand im Augenblick der Sinn absolut nicht nach wohlmeinendem Smalltalk. Er war sich absolut sicher, dass jeder Justizmitarbeiter im Hause von seinem Schicksal wusste.

      Kerner klopfte kurz an, dann betrat er das Vorzimmer des Präsidenten. Die Sekretärin begrüßte ihn freundlich, wobei ihm nicht entging, dass sie ihn verstohlen, aber gründlich von Kopf bis Fuß musterte.

      »Herr Kerner, nehmen Sie doch bitte kurz Platz, der Herr Präsident führt gerade noch ein Telefonat.«

      Kerner ließ sich auf einem der Besucherstühle nieder. Es dauerte keine fünf Minuten, dann öffnete sich die Verbindungstür und Präsident Kräuter kam herein. Mit ausgestreckter Hand kam er auf Kerner zu.

      »Mein lieber Kerner, es freut mich sehr, Sie gesund und munter wiederzusehen. Seien Sie gegrüßt!« Er schüttelte Simon Kerner, der sich erhoben hatte, kräftig die Hand. »Sie entschuldigen bitte, dass Sie etwas warten mussten.«

      »Grüß Gott, Herr Kräuter! Kein Problem.«

      Präsident Kräuter ließ Kerner vorgehen und bot ihm einen Platz am Besprechungstisch an. Das Büro hatte eine wahrlich präsidiale Größe und die durchlaufende Fensterfront bot einen bemerkenswerten Ausblick auf die Dächer von Würzburg. Auf dem Tisch standen eine Thermoskanne und ein Tablett mit Kaffeegeschirr. Kerner registrierte sofort drei Gedecke. Offenbar wurde noch eine dritte Person erwartet.

      Kräuter griff nach der Thermoskanne und warf Kerner einen fragenden Blick zu. »Sie trinken doch einen Kaffee mit?«

      »Gerne«, gab er zurück.

      Nachdem ihm der Präsident eingeschenkt hatte, wies er auf das dritte Gedeck. »Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werde ich etwas später den Kollegen Rothemund hinzubitten. Aber zunächst einmal möchte ich mich mit Ihnen alleine unterhalten.« Er gab sich etwas Zucker in seine Tasse und rührte gründlich um.

      Simon СКАЧАТЬ