Vergessen und Erinnern. Franz Josef Zeßner-Spitzenberg
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vergessen und Erinnern - Franz Josef Zeßner-Spitzenberg страница 5

СКАЧАТЬ Gründen nur in schriftlicher Befragungsform durchgeführt werden.13

      Die Auswahl der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner macht deutlich, dass hier eine Vorentscheidung getroffen wurde, die nur eine von vielen möglichen Varianten ist. Eine grundlegende methodische Schwierigkeit dieser Arbeit ist es, dass die Menschen, die eigentlich Auskunft geben könnten, ob Gottesdienste demenzgerecht sind, als Gesprächspartnerinnen zu komplexeren Themen nicht in Frage kommen.14 Ich hätte mich ganz auf die Beobachtung von Menschen mit Demenz beschränken können, wofür die Methode der dichten Beschreibung ein gutes Instrument gewesen wäre.15 Ich hätte Gespräche mit Menschen am Beginn des Demenzprozesses führen können, die durchaus dazu in der Lage sind. Ich hätte Angehörige miteinbeziehen können. Am besten wäre es gewesen, all das und noch mehr zu tun. Daran haben mich meine beschränkten zeitlichen Möglichkeiten gehindert.

      Auf der Suche nach einer geeigneten qualitativen sozialwissenschaftlichen Methode haben mich die von Roland Girtler in seinen Methoden der Feldforschung vorgeschlagenen Vorgehensweisen überzeugt.16 Ihnen liegt ein stärker am Verstehenwollen als an „Unterscheiden, Vergleichen, Messen, Kategorisieren, Analysieren“17 orientiertes Wissenschaftsverständnis zugrunde, das ein Eintauchen in die Lebenswelt der Menschen, um die es geht, erforderlich macht. An seinem Forschungsplan orientiert habe ich Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen geführt, die professionell im Bereich der Seelsorge in Einrichtungen der Altenpflege tätig sind. Meine Hoffnung hat sich bestätigt, dabei auf Menschen zu treffen, die sich schon viele Gedanken darüber gemacht haben, wie gute Liturgie mit alten Menschen, die von Demenz betroffen sind, gefeiert werden kann. In ihren Einrichtungen habe ich als teilnehmender Beobachter Gottesdienste mitgefeiert und protokolliert.18

      Als langjähriger Seelsorger im Krankenhaus und Pflegeheim gehe ich selbstverständlich mit einem ‚Vorverständnis‘ an die wissenschaftliche Arbeit heran und kann nicht so tun, als würde ich als distanziert agierender Wissenschaftler wissenschaftliche Hypothesen verifizieren oder falsifizieren. Girtler bemängelt, dass dieses „Vorverständnis bzw. Alltagswissen des Forschers […] bei den Verfahren, bei denen ‚Hypothesen aufgestellt und getestet‘ werden, kaum oder nicht reflektiert“ wird.19 Die Methode Girtlers ermöglicht es, das Vorverständnis als Ressource einzubringen, wobei natürlich „das eigene Vorverständnis einer dauernden Prüfung unterzogen wird“20. Der Forscher „muss die Demut aufbringen, sich überraschen zu lassen und von seinen vorgefassten Interpretationen abzurücken. Das ist allerdings erst dann möglich, wenn ein intensiver Kontakt zu den betreffenden Menschen besteht.“21

      Neugier und Poesie sind zwei weitere Stichwörter, die für Girtlers Zugang zu einem Forschungsfeld bedeutsam sind. „Es ist die Lust, hinter den Schleier der Wirklichkeit zu schauen und darüber zu berichten.“22 Diese Lust hat auch mich dazu bewegt, einen Schritt von der praktischen Alltagsarbeit zur wissenschaftlichen Erforschung meiner Arbeitswelt zu versuchen. Poesie ist für den Menschen, der dafür sensibel ist, ein dauernder ‚Gast‘ in der Begegnung mit Menschen mit Demenz. Ihre ‚gestörte‘ Sprache ist oft hoch poetisch, ihr Verhalten faszinierend, manchmal komisch, oft bewegend tragisch. Dieser Tatsache versuche ich mit kursiv gedruckten Textpassagen Rechnung zu tragen. Es sind Geschichten aus meinem eigenen Arbeitsalltag oder solche, die mir persönlich erzählt wurden. Ohne methodischwissenschaftlichen Anspruch sollen diese Einschübe etwas von der Lebendigkeit des Alltags, die auch in einem Pflegeheim-Wohnbereich täglich erlebt werden kann, in den vielleicht sonst trockenen Text bringen.

      Gedichte, die manchmal am Beginn oder Ende eines Abschnittes stehen, haben nur einen assoziativen Bezug zum Text. Auch sie bringen für mich den Aspekt der Poesie in eine sich als wissenschaftlich darstellende Arbeit. Sosehr mich theologisches Nachdenken über Gott und die Welt fasziniert, brauche ich selbst Poesie als ein ‚Grundnahrungsmittel‘ für mein Leben. Gedichte eröffnen mir Zugänge, die dem Denken sonst verschlossen bleiben, und so sind diese Texte für mich persönlich Ermutigung, Stärkung und Trost beim Schreiben gewesen. Aus diesem Grund habe ich sie eingefügt und belassen, weil ich mir denke: Vielleicht geht es jemandem, der diese Arbeit liest, damit ähnlich wie mir.

      In einem wichtigen Punkt folge ich in diesem Buch dem Beispiel der Autorinnen von Demenz und Palliative Care in der Praxis, Marina Kojer und Martina Schmidl: „Pflegeheime sind Frauenwelten, […] Welten, in denen überwiegend hochbetagte Frauen leben, die von jüngeren Frauen gepflegt, ärztlich versorgt, therapeutisch betreut sowie von weiblichen Angehörigen und Ehrenamtlichen besucht werden. Um diese Realität zu spiegeln, und auch um der weniger schwerfälligen Lesart willen, verzichten wir, wenn nicht ausdrücklich von einem Mann die Rede ist, auf Gendergerechtigkeit und verwenden daher ausschließlich die weibliche Form.“23

       Dank

      Vielen Menschen muss ich danken, ohne sie wäre dieses Buch nie entstanden:

      Meinen Lehrern Basilius J. Groen, Johann Pock und Roland Girtler. Sr. Karin Weiler CS und Christina Hallwith-Spörk und meinen Kolleginnen und Kollegen in der Seelsorge, in der Pflege und anderen Berufen der Betreuung alter Menschen – ganz besonders denen, die ausführliche Gespräche mit mir geführt haben und mich eingeladen haben, Gottesdienste in ihren Einrichtungen mitzufeiern. An den Texten gefeilt und Fehler verbessert haben mit mir Leopold Zeßner, Fritz Bitzan, Christine Nguyen, Goran Subotic, Christine Hafner, Raimund und Agnes Rath. Ohne meine Frau Agnes hätte ich diese Arbeit nie begonnen, geschweige denn fertig gestellt.

      Ich danke den Herausgebern (Prof. Dr. Erich Garhammer, Prof. Dr. Hans Hobelsberger, Prof. Dr. Martina Blasberg-Kuhnke, Prof. Dr. Johann Pock) für die Aufnahme in die Reihe „Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge“.

      Am meisten gelernt habe ich von den Bewohnerinnen und Bewohnern des CS Pflege- und Sozialzentrums Rennweg, des Geriatriezentrums Favoriten und des Caritas-Hauses ‚Jona‘, die ihr Leben trotz Demenz mutig leben. Viele von ihnen sind mir darüber hinaus wichtige Zeugen für Gottvertrauen, das durch schwere Zeiten trägt.

      2 Pfarrblatt der Pfarre Aspern in Wien XXII (Mai 2005). URL: http://pfarre.aspern.at/Chronik/chronikdet.php?V_ID=14060 (Eingesehen am 17.6.2014). Ich war unsicher, wie ich Lotte Hochrieder um ihre Zustimmung dazu bitten könnte, ihren Artikel zu zitieren. Als ich es dann im April 2014 getan und sie darauf angesprochen habe, dass sie so einen schönen Artikel im Pfarrblatt geschrieben habe und ob ich daraus zitieren könne, hat sie zu meiner Überraschung geantwortet: „Ja, natürlich. Das ist aber schön.“ So hatte sie bis dahin noch nie mit mir gesprochen. Auch ihre Schwester hat sich mit der Verwendung des Artikels einverstanden erklärt. Vielen Dank!

      3 Gronemeyer (2013) 27.

      4 Pulheim/Schaumberger (2011) 137f.

      5 Zur Frage, ob in Zusammenhang mit Demenz zu Recht von ‚Krankheit‘ gesprochen wird, siehe unten, I.1., S. 22ff.

      6 Nauer (2007) 52f.

      7 Feil/de Klerk-Rubin (2005) 75.

      8 Vgl. Jonas (1987) 10-13.

      9 Dazu siehe Abschnitt II. 1.1., S. 88-91.

      10 Papst Franziskus (2013). Evangelii gaudium. URL: http://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazioneap_20131124_evangelii-gaudium.html#1._Freude,_die_sich_erneuert_und_sich_mitteilt (Eingesehen am 4.5.2014).

      11 СКАЧАТЬ