Название: Gott - Offenbarung - Heilswege
Автор: Hans-Joachim Höhn
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429060213
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II.
Streitsache „Gott“
Von und zu Gott kann reden, wer an Gott glaubt. Aber versteht man jenseits der Glaubenden, wovon dabei die Rede ist? Was denken sich die Glaubenden dabei, wenn sie das Wort „Gott“ verwenden? Viele Zeitgenossen kommen gar nicht mehr auf den Gedanken, an Gott zu denken, zu ihm zu sprechen oder über ihn zu reden. Für sie ist bereits das Wort „Gott“ ein Fremdwort. Es kommt in ihrem Sprachschatz nicht mehr vor. Es gibt keinen Text mehr, in dem es etwas bedeutet. „Gott“ – ist es ein Name, d. h. gibt es „jemanden“, der auf diesen Namen hört? „Gott“ – ist es ein Nomen, d. h. gibt es ein „etwas“, das diese Bezeichnung verdient?44 Unklar ist der Sprachstatus des Wortes „Gott“ und ebenso der Daseinsstatus des damit Bezeichneten: Was bedeutet oder meint dieses Wort und wer/was verdient in Wahrheit und Wirklichkeit so benannt zu werden? Beide Aspekte sind zu klären, will man sagen, was man meint und wie man dazu kommt, das Wort „Gott“ zu gebrauchen.45
Hier setzt nun die fundamentaltheologische „demonstratio religiosa“ ein.46 Sie hat zur Aufgabe, die Verstehbarkeit des Redens von Gott zu sichern. Ein solches Reden ist für Glaubende eine Selbstverständlichkeit, aber für ihre Kritiker ein Ding der Unmöglichkeit. In der Streitsache Gott gilt es daher dasjenige, was sich für den Nicht-Glaubenden nicht von selbst versteht oder unmöglich erscheint, den Denkenden mit den Mitteln des Denkens verständlich zu machen und als denkmöglich aufzuweisen. Erst dann kann jede/r Denkende dem vom Glauben für selbstverständlich Gehaltenen – die Rede von Gott und die Verwendung des Wortes „Gott“ – mit Verständnis begegnen und es zumindest als nicht-unvernünftig anerkennen. Bei der „demonstratio religiosa“ geht es aber nicht allein um die Frage, welche Bedeutung das Wort „Gott“ (als Nomen oder Name) hat und wie man diese Bedeutung mit den Mitteln der Vernunft klären kann. Zur Debatte steht auch, ob sich mit diesem Wort überhaupt sinnvolle, intersubjektiv einsichtige, nachvollziehbare und rechtfertigungsfähige Sätze bilden lassen oder ob bei seiner Verwendung etwa nur unüberprüfbare Regungen in der psychischen Innenwelt eines religiösen Subjektes geäußert werden. Dabei muss sich die Theologie mit dem Einwand auseinandersetzen, dass selbst diese Klärung wiederum ein Ding der Unmöglichkeit ist.
44 Vgl. I. U. DALFERTH/Ph. STOELLGER (Hg.), Gott nennen. Gottes Namen und Gott als Name, Tübingen 2008.
45 Ohne die Angabe, was ein Wort in Wahrheit und in Wirklichkeit meint, ist eine präzise und konsistente Begriffsdefinition nicht möglich. Inkonsistent ist unter dieser Rücksicht etwa der Begriff „Einhorn“. Man kann zwar definitorisch klären, was „in Wahrheit“ die Bezeichnung „Einhorn“ verdient. Dazu genügt es, wenn der Inhalt des Begriffs widerspruchsfrei ist (z. B. „vierbeiniger Paarhufer mit hornförmiger Stirnwucherung“). Man ist aber nicht in der Lage, den Nachweis seiner Existenz zu erbringen. Es bleibt offen, ob Einhörner auch „in Wirklichkeit“ und nicht bloß in der Welt der Fabel existieren. Dass es gleichwohl eine reichhaltige Literatur darüber gibt, was es nicht gibt, zeigt Ch. LAVERS, Das Einhorn. Natur, Mythos, Geschichte, Darmstadt 2010.
46 Zu Bestimmung von Ansatz, Aufgaben und Ziel siehe auch A. KREINER, Demonstratio religiosa, in: H. Döring/A. Kreiner/P. Schmidt-Leukel, Den Glauben denken. Neue Wege der Fundamentaltheologie, Freiburg/Basel/Wien 1993, 9–48.
§ 4 Bestreitung:
Die Unmöglichkeit, von Gott zu reden
Die sprachphilosophische und wissenschaftstheoretische Diskussion des 20. Jahrhunderts (vor allem im Gefolge des Logischen Empirismus) lässt alle Sätze, in denen das Wort „Gott“ auftaucht, als kognitiv sinnlos erscheinen. Denn es handelt sich bei solchen Sätzen weder um analytische Aussagen (wie etwa Sätze der Logik und Mathematik) noch um empirisch überprüfbare Sätze, von denen man zumindest die Bedingungen und Umstände angeben kann, unter denen sie widerlegt werden können. Einen konsistenten Gottesbegriff zu bilden und definitorisch zu klären, was in Wahrheit verdient, „Gott“ genannt zu werden, scheint daher unmöglich zu sein.47
Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass die christliche Theologie behauptet hat, dass Gott „unbegreiflich“ sei: Nach christlichem Verständnis ist Gott „der eine, wahre und lebendige Schöpfer des Himmels und der Erde, allmächtig, ewig, unermesslich, unbegreiflich, unendlich in Erkennen und Wollen und jeder Vollkommenheit. Weil er eine einzige, für sich bestehende, ganz und gar einfache und unveränderliche Geistwirklichkeit ist, ist von ihm auszusagen: Er ist wirklich und wesenhaft von der Welt verschieden, in sich und aus sich heraus überaus selig und über alles unaussprechlich erhaben, was außer ihm ist und gedacht werden kann“ (Vaticanum I/DH 3001).48
Nur jene Wirklichkeit verdient also in Wahrheit „Gott“ genannt zu werden, die nicht zum Bestand des (Inner-)Weltlichen zählt, sondern davon in Wirklichkeit und von ihrem Wesen her verschieden ist. Daher entzieht sie sich auch der Möglichkeit, unter Ausschöpfung aller sprachlichen Ausdrucksformen sagen zu können, wie sie „an und für sich“ ist. Damit wird nicht etwa nur eine vollkommene Begreifbarkeit Gottes bestritten (wie man von einem riesigen Gebäude – je näher man ihm kommt – immer nur einen Ausschnitt fotografieren kann). Vielmehr bedeutet die Behauptung der Unbegreiflichkeit Gottes, dass er ganz und gar im Modus feststellender, affirmativer Aussagesätze nicht definiert werden kann. Definitionen dieser Art sind nur möglich hinsichtlich dessen, das „außer ihm“ ist und gedacht werden kann.49
Ein Ausweg aus dieser Problematik könnte darin bestehen, dass man zeigt: Um von Gott sprechen zu können, kann man auf innerweltliche Sachverhalte und Problemlagen verweisen, für deren Erklärung oder Bewältigung der Rekurs auf die Wirklichkeit Gottes unabdingbar ist. Der klassische Weg der „demonstratio religiosa“ zur Bildung eines konsistenten Gottesbegriffs bestand darin, die Frage, was dieses Wort „in Wahrheit und in Wirklichkeit“ bedeutet, im Zusammenhang mit besonderen Konstellationen der menschlichen Daseinserfahrung zu klären. Dabei wurde von unstrittigen Sachverhalten (z. B. von kontingenten Weltereignissen) ausgegangen, die in eine Argumentation eingingen, deren Akzeptanz unabhängig von jedem Glauben ein Gebot der Vernunft darstellt und am Ende dazu führen sollte, dass zwischen Denkenden und Glaubenden ein rationales Einverständnis hinsichtlich der widerspruchsfreien Vertretbarkeit des Gottesgedankens entsteht. Das dem Glauben Selbstverständliche sollte durch Argumente einsichtig gemacht werden, deren Akzeptanz allein rational motiviert ist.50
1. Verluste – oder:
Wenn der Wert des Wortes „Gott“ aufgezehrt ist
In der Moderne ist jedoch höchst fragwürdig geworden, ob eine vernunftgeleitete Wirklichkeitserfahrung und -deutung zur Erkenntnis eines innerweltlichen Verweisungszusammenhangs führen kann, der „über die Welt hinaus“ führt, so dass im Rahmen einer Welterklärungstheorie das „erste Unbewegte, aber alles Bewegende“, der letzte und weltjenseitige Grund alles Seienden und als solcher auch der Garant einer Ordnung der Werte und Normen aufscheint, dem in der religiösen Sprache das Wort „Gott“ entspricht. Die Voraussetzungen für solche Füllungen des Wortes „Gott“ sind weitgehend weggebrochen. Jede für unbezweifelbar gehaltene Prämisse menschlichen Denkens, Wollens und Tuns, die etwa in den kosmologischen, wahrheitstheoretischen, axiologischen oder ontologischen Gottesbeweis einging,51 lässt sich seit I. KANTS „Kritik der reinen Vernunft“ (KrV B 620–658) mit guten Gründen in Frage stellen. Seitdem steht die Auffassung, das Bemühen der (theoretischen) Vernunft um eine widerspruchsfreie Beschreibung der Welt und ihres Herkommens könne ohne religiösmetaphysische Zusatzannahmen nicht erfolgreich sein, auf sehr schwachem Fundament. Es ist höchst fraglich, ob die Theologie noch einen objektiven innerweltlichen Sachverhalt oder Tatbestand entdecken kann, СКАЧАТЬ