Das andere Volk Gottes. Jan Loffeld
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das andere Volk Gottes - Jan Loffeld страница 15

Название: Das andere Volk Gottes

Автор: Jan Loffeld

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Erfurter Theologische Studien

isbn: 9783429060121

isbn:

СКАЧАТЬ beiden ganz aufgeht und verwirklicht ist. Dies führt Welsch mittels folgender Äußerungen weiter aus:

      „Transversale Vernunft realisiert Einheit allein in einer auf Übergängigkeit bezogenen, damit aber grundsätzlich an Diversität festhaltenden Form.“38

      Und:

      „Sie leistet Kommunikation, ohne Hegemonie zu verfügen, und sie exponiert Differenzen, ohne Brücken abzubrechen. Transversale Vernunft operiert in einem Zwischenbereich, wo derlei Einseitigkeiten nicht favorisiert, sondern korrigiert werden. Sie knüpft Verbindungen, ohne Einheit zu erzwingen, sie überbrückt Gräben, ohne das Terrain zu planieren, sie entfaltet Diversität, ohne alles zu fragmentieren.“39

      Damit gibt sich die transversale Vernunft mit der Vorläufigkeit nicht endgültig zu vereinigender bzw. harmonisierender Paradigmen zufrieden. Sie bedingt zudem eine Kommunikationsform, welche das Ermöglichen eines inhaltlichen Brückenschlags intendiert. Zugleich beinhaltet sie dabei eine Korrektivfunktion für manches, schon immer für unhintergehbar Gehaltene eines Paradigmas. Durch solch vielschichtige Korrektivtätigkeit schafft sie umso mehr die Grundlage für Gerechtigkeit und gegenseitige Verbindlichkeit, deren sich deshalb beide Paradigmen verpflichtet wissen können, weil sie aus der gemeinsam grundlegenden Rationalität abgeleitet ist.

      Praktisch meint das Vorgehen der transversalen Vernunft, vorletzten Festlegungen den Vorrang vor einer mitunter konflikthaften, unvermittelten Existenz verschiedener Paradigmen einzuräumen. Rigorismen werden darin als „Überstabilisierungen“ entlarvbar.40 Theologisch kann dieser Vorzug der transversalen Vernunft für Vorläufigkeit und Begrenztheit durchaus mit dem eschatologischen Vorbehalt korrelieren.

      Als praktisch-theologische Kriterien lassen sich aus diesen philosophischen Definitionen folgende Wegmarken ableiten, die Maria Widl unter Bezugnahme auf Rudolf Englert wie folgt erfasst:

      • „Ein Paradigma wird von seinen Stärken her beurteilt.

      • Es wird dazu in seinen eigenen Wertmaßstäben erfaßt.

      • Konstruktive Kritik eröffnet ihm bisher verstellte Perspektiven.

      • Diese wirken in den bisherigen Verengungen befreiend.

      • Dieser Vorgang braucht und eröffnet Räume des Vertrauens.

      • Ein mit Blick auf den gemeinsam bezeugten dreieinigen Gott so geführter Widerstreit über die je eigene Perspektive von Glaube, Hoffnung und Liebe ist kirchenkonstitutiv.“41

      Konkret für die innere Logik unserer Studie bedeuten diese philosophischen und praktisch-theologischen Kriterien: Die Verschränkung der Paradigmen (welche sich in Teil I und Teil II 1 gemäß ihren Wertmaßstäben dargestellt finden) ergibt sich, indem in der Rückführung auf eine bereits angelegte gemeinsame Grundlegung beider Paradigmen (hier konkret die Zugehörigkeit zum Volk Gottes) in der konstruktiv-kriteriologischen Erweiterung dieses Gemeinsamen die Stärken wie die Schwächen beider Paradigmen anschaulich werden (Teil II 2+3). Die gemeinsame Grundlegung wird in ihrer nunmehr erweiterten kriteriologischen Substanz (hier die Volk Gottes-Berufung gemäß dem II. Vatikanum) sodann zum Ausgangspunkt für praktisch-kirchenkonstitutive Überlegungen (Teil III), welche nicht in der Rückführung auf die Gültigkeit nur eines Paradigmas bestehen dürfen. Letztere kirchenkonstitutive Überlegungen erweisen sich ihrerseits wiederum transversal, da sie den ebenfalls zuvor transversal ermittelten Berufungsbegriff des II. Vatikanums als neues Paradigma mit dem Paradigma der Lebenswelten und Suchbewegungen heutiger Menschen zu verschränken suchen.

      Die Transversalität in ihrer philosophischen Grundlegung wie praktischtheologischen Rezeption eignet sich somit für die Bearbeitung der aufgeworfenen Fragestellung in nahezu idealer Weise.42 Innerhalb der sich unten anschließenden methodischen Grundlegung unserer Studie ergibt sich diese Konzeption gleichsam als erkenntnisleitender Navigator. Denn Gemeinde- und postmoderne Volkskirche erweisen sich zum einen in der Praxis und mehr noch in deren empirischer bzw. theoretischer Wahrnehmung als heterogen-verschiedene Paradigmen, welche nicht ohne weiteres harmonisiert werden können. Es ist zudem praktisch die Unmöglichkeit evident, das eine Paradigma des Christseins zum Maßstab des anderen zu machen, ohne dass man ein hohes Maß von Frustration und Konflikten dafür in Kauf nehmen müsste. Daher zeigt sich das postmoderne Konzept der transversalen Vernunft als hilfreich, über eine Verschränkung der Paradigmen (nochmals: nicht über eine konflikthafte Einebnung oder Harmonisierung) zu praktikablen Zugängen zu gelangen, welche aus der hinter beiden Paradigmen stehenden Rationalität ableitbar sind.

      Der nun herzuleitende praktisch-theologische methodische Dreischritt entspricht dabei einem transversal angelegten Erkenntnisinteresse in optimaler Weise.

      3. Zur methodischen Konzeption dieser Studie:

      Der Dreischritt von Kairologie – Kriteriologie – Praxeologie

      Mit dem methodischen Modell von Kairologie, Kriteriologie und Praxeologie ist der Weg des induktiven Vorgehens praktischer Theologie beschrieben, welcher die Wirklichkeit anschaut, sie im Horizont theologischer Kriterien reflektiert, um schließlich zu einer Optimierung kirchlich-pastoraler Praxis zu gelangen. Diese Praxis soll demzufolge den „Zeichen der Zeit“ (GS 4) wie den entwickelten theologischen Kriterien mehr entsprechen können. Sie markiert den Zielpunkt eines dergestalt angelegten wissenschaftlichen Vorgehens. Ausgangspunkt bildet somit eine Praxis bzw. ein Ist-Stand kirchlich-sozialen Lebens, der um seiner Optimierung willen vertieft theologisch reflektiert wird. Paul Michael Zulehner begründet dieses Vorgehen in seiner Fundamentalpastoral wie folgt:

      „Thema unserer Praktischen Theologie ist […] nicht eine zeitlose „Ekklesiologie“, eine Lehre von der Kirche, wie sie ist oder sein soll, sondern situative, kontextuelle Lehre von der „Ekklesiogenese“, der „Kirchengeburt“, wobei diese Geburt identisch ist mit ihrer „Praxis“, ihrem Handeln.“43

      Herbert Haslinger erfasst die Methode dazu in Beschreibung der unterschiedlichen Grundlegung der drei Schritte von Kairologie, Kriteriologie und Praxeologie:

      „Im Hinblick auf die jeweils zu reflektierende bzw. zu konzipierende Praxis

      - wird zunächst die Situation mit ihren Gegebenheiten und systemischen Zusammenhängen in Gesellschaft und Kirche kritisch, d.h. mit dem Interesse an der Aufdeckung und Veränderung von Fehlentwicklungen, wahrgenommen und radikal, d.h. möglichst bis auf den Grund der Ursachen und Wirkzusammenhänge gehend, analysiert;

      - folgt in einem zweiten Schritt die argumentative Zugrundelegung der im christlichen Glauben, näherhin in Schrift und Tradition enthaltenen Kriterien, um Situation und Praxis nach dem Maßstab des Evangeliums zu beurteilen.

      - gelangt man schließlich von dieser Orientierung aus über die Formulierung von Zielen, die Planung von Handlungsschritten und die Verständigung der Beteiligten über ihre Rollen zu einer neuen, den situativen Erfordernissen und Möglichkeiten wie auch den theologischen Kriterien entsprechenden Praxis bzw. zur Konzeption einer solchen Praxis.“44

      Zulehner gibt desweiteren Kriterien an, nach welchen diese Methode sinnvollerweise operiert.45 Er erläutert die ersten beiden Schritte als zweifache Reflexion: Die Kairologie erforscht mit den Mitteln der Sozialwissenschaftler bzw. Anthropologen, Philosophen oder Psychologen die „Zeichen der Zeit“. Damit ist die Kairologie eine „Lehre von den Situationen“.46 Notwendig kommt jedoch ein zweiter Schritt hinzu, den Zulehner als „Lehre von den Zielen“ definiert.47 Er ist die Kriteriologie. Sie macht die wahrgenommenen Situationen im eigentlich theologischen Sinne erst zum СКАЧАТЬ