Das andere Volk Gottes. Jan Loffeld
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Название: Das andere Volk Gottes

Автор: Jan Loffeld

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Erfurter Theologische Studien

isbn: 9783429060121

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СКАЧАТЬ Studie zugrunde liegt. Konkret wird er durch die Vielzahl diverser Paradigmen. Diese charaktergebende Eigenschaft soll im Folgenden genauerhin erläutert und plastisch werden.

       2.2 Postmodern kennzeichnend: Ein Pluralismus von Paradigmen

      Welsch erfasst innerhalb zwei Phasen der Entwicklung, die jenen der Moderne des 20. Jahrhunderts zur Postmoderne hin durchaus parallel sind: In einem ersten Schritt kommt es zur Ausdifferenzierung in verschiedene Rationalitätstypen. Hieran schließt sich postmodern eine weitere Scheidung in plurale Paradigmen an. Diesen Vorgang nennt Welsch Paradigmenpluralisierung und zeigt, dass die vorherigen, verschiedenen (noch ansatzweise harmonisierbaren) Rationalitätstypen nicht mehr existieren, „sondern daß das einzige, was es hier wirklich gibt, die Paradigmen sind.“25 Sie übernehmen die Funktion der Rationalitätstypen, indem sie nun einen ausschließlichen Gegenstandsbereich wie auch die Konstitutions- und Verbindungsregeln der Gegenstände zu definieren vermögen.

      Ein Paradigma definiert Welsch mit Thomas Kuhn und zugleich in Abgrenzung von ihm.26 Zum einen stimmt Welsch Kuhn zu, wenn dieser Paradigmen als ganze Konstellationen von Meinungen, Methoden und Werten im Sinne einer „diszipilinären Matrix“ beschreibt, andererseits modifiziert er Kuhns Paradigmenbegriff weiter.27 Insbesondere unterstreicht Welsch dabei die Gleichzeitigkeit und damit das Nebeneinander von Paradigmen innerhalb derselben Disziplin. In solcher Simultaneität sieht er – neben weiteren Aspekten – das ausschlagebende Charakteristikum des Paradigmas benannt:

      „Innerhalb dessen, was man Wissenschaft oder Kunst oder Philosophie nennt, existieren jeweils verschiedene Gruppen, die durch den Gebrauch unterschiedlicher Paradigmen definiert sind.“28

      Die einzelnen Paradigmen verhalten sich also heterogen zueinander, da sie

      „[…] keineswegs bloß Versionen oder Varianten eines jeweiligen Rationalitätstyps sind; ihre Unterschiede gehen bis an die Substanz, betreffen Basis-definitionen und erstrecken sich auf sämtliche Dimensionen des jeweiligen Rationalitätstyps. Die Paradigmen vertreten je eigene Axiomatiken. Daher sind [sie] […] hinsichtlich der zu verfolgenden Methoden, Ziele und Kriterien, also hinsichtlich der gesamten kategorialen Struktur des betreffenden Rationalitätstyps hochgradig verschieden und nicht mehr auf einen Nenner zu bringen.“29

      Von daher sind Konflikte zwischen den Paradigmen vorprogrammiert und wesentliche Kontroversen in der Postmoderne als Paradigmenkonflikte zu identifizieren. Sie durch Toleranzforderungen oder Versöhnungsversuche harmonisieren zu wollen, wird ihrer Eigenheit nicht gerecht, sondern beraubt sie ihrer sie konstituierenden, heterogenen Identität. Daher ist der Konflikt der Sachaussagen, Methoden, Ziele und Kriterien einem postmodernen Paradigmenpluralismus inhärent. Er ist also nicht die Frage guten oder bösen Willens bzw. Umgangs, sondern Konsequenz der sich gerade in jeglicher Unvereinbarkeit zeigenden Eigenart eines Paradigmenpluralismus. Daher sind „Dissense wirklich radikal, gehen an die Wurzel, betreffen noch jede Grundlage“.30 Sie sind der zu erwartende Normalfall.

      Wesentlich ist in diesen paradigmenpluralen Zusammenhängen daher die Fähigkeit zur Pluralitätskompetenz. Sie meint die Möglichkeit, unterschiedliche Paradigmen und ihre Kriterien erkennen und zuordnen zu können. Darin ist die Unverrechenbarkeit und Anstößigkeit heterogener Paradigmen folglich zu erkennen und als solche zu akzeptieren. Solche Pluralitätskompetenz benennt Welsch als die „conditio sine qua non wissenschaftlichen Arbeitens“.31 Zugleich stellt sich angesichts dieses paradigmenpluralen Befunds, der zur Signatur einer postmodern werdenden Kultur gehört, die wesentliche Frage nach Kommunikations- bzw. inhaltlichen Übergangsmöglichkeiten zwischen den Paradigmen.32 Diese Frage ist nun im Rahmen der Vorklärungen dieser Studie zentral zu artikulieren, da sie den Hintergrund für die innere Logik unserer Ausarbeitung anzeigt. Sie wird wiederum mit Wolfgang Welsch und seinem Konzept der transversalen Vernunft aufgenommen.

       2.3 Postmodern notwendig: Die transversale Vernunft als innerer Kompass dieser Studie

      Welsch hält im Unterschied zu Lyotard jedoch daran fest, dass man sich mit dem festgestellten Dissens der Paradigmen keineswegs zufrieden geben kann, sondern vielmehr „Dissensklärung das letzte Ziel“ darstellt.33 Für ihn ist gerade die Vernunft das Medium der Austragung von Paradigmenkonflikten, denn:

      „In ihrem Horizont treten diese Konflikte ja allererst auf, und nur durch Reflexion von Grenzen, Verflechtungen und Übergängen sind sie zu lösen.“34

      Voraussetzungen für derartige Übergangsmöglichkeiten zwischen den Paradigmen liegen in deren eigener Konstitution. Maria Widl fasst die Überlegungen Wolfgang Welschs dazu zusammen:

      „Bei aller […] Unverrechenbarkeit und Unvereinbarkeit verschiedener Paradigmen sind diese dennoch nicht absolut heterogen, sondern haben bereits durch ihre Entstehung vorgebildete Brücken. Diese sind einerseits binnensektorielle Verflechtungen – Paradigmen bildet [sic] sich stets in Abhebung und Gegenzeichnung von anderen aus und bleiben so von ihnen bis zu einem gewissen Grad gegenabhängig. Andererseits zeigen sich transsektorielle Verflechtungen – ein Paradigma bezieht seine Grundlagen und Überzeugungskraft weitgehend nicht aus sich, sondern aus anderen Bereichen; was nur in sich selbst überzeugend wäre, ist psychotisch, idiotisch, egomanisch. Paradigmen sind also in und trotz ihrer Unverrechenbarkeit interparadigmatisch verfasst, sie bilden ein netzartiges Gefüge aus. In ihnen kommt es allerdings zu laufenden Sinnverschiebungen. Entsprechend braucht es Denkformen, die von vornherein sowohl mit Verflechtungen als auch mit Irritationen rechnen und ihnen gewachsen sind – eine transversale Vernunft.“35

      Diese Grundlegung der transversalen Vernunft wirft die Frage nach deren Praxis auf: Wie operiert eine transversale Vernunft, wenn sie Brücken zwischen den Paradigmen schlägt? Wolfgang Welsch gibt eine philosophische, Maria Widl in Ableitung davon eine praktisch-theologische Antwort. Für Welsch macht die transversale Anlage der Vernunft klar, dass die Vernunft an sich keine statische, ortsgebundene Größe, sondern „wesenhaft prozessual ist und in Reifizierungen nur verfehlt werden könnte.“36

      Welsch beschreibt diesen Prozess wie folgt:

      „Transversale Vernunft nimmt Funktionen von Urteilskraft in mindestens vier Hinsichten wahr. Erstens gibt sie an, welchem Rationalitätstypus eine Gegenstandsfrage zuzuordnen ist. […] Zweitens ist transversale Vernunft ein Vermögen der Findung von Übergängen. „Findung“ soll dabei anzeigen, daß die Übergänge nicht aus einem Gesamtsystem deduziert werden können, sondern entdeckt werden müssen. In dieser Schicht hat transversale Vernunft viel von einem Spürsinn […]. Drittens reflektiert transversale Vernunft Gemeinsamkeiten zwischen Rationalitätstypen, z.B. Gemeinsamkeiten analogischer Art, also Gemeinsames, das als solches gar nicht mehr eindeutig angebbar, sehr wohl aber in seinem Entsprechungscharakter durch Urteilskraft erfaßbar ist […]. Transversale Vernunft stellt dabei die Ähnlichkeit der Verfahrensweise fest, die sie im einen und im anderen Gebiet praktiziert. Gerade darin erweist sie sich als das eigentliche Verbindungsglied der Rationalitäten. Und viertens ist transversale Vernunft als Urteilskraft auch dort tätig, wo sie bei Konflikten zwischen heterogenen Ansprüchen eine Analyse dialektischer Art vornimmt und darin die jeweiligen Rechtsgründe differenziert, prüft und abwägt – und das nicht nur hinsichtlich ihrer Vergleichbarkeit, sondern auch ihrer Unvergleichbarkeit.“37

      Es geht der transversalen Vernunft also nicht um ein harmonisierendes Vorgehen, das Unterschiede einebnete, sondern um die Aufdeckung gemeinsamer Grundlagen bzw. Rationalitäten, welche die Paradigmen verschränkbar machen, ohne sie jedoch zu vereinheitlichen. Hierbei wird somit nicht ein Paradigma zum Maßstab des anderen erhoben, was zudem der Gerechtigkeitsoption widerspräche, vielmehr wird die СКАЧАТЬ