Название: Die Bibliothek des Kurfürsten
Автор: Birgit Erwin
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783839269008
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»Lena, Tratsch interessiert mich nicht!«
»Er wollte in die Stadt, aber er hatte keinen Passierschein«, räumte sie ein. »Ich habe ihm gesagt, dass die Wachen niemanden einfach so durchlassen.«
»Und deshalb wandte er sich an Spielvogel?«
»Ja.«
»Gut. Ich danke dir für deine Ehrlichkeit.« Jetzt sah sie ihn doch an und der Ausdruck ihrer dunklen Augen hätte ihn beinahe zusammenzucken lassen. Es waren schöne Augen, aber er wusste, dass zwischen ihnen ein Gespenst stand. Trotzdem konnte er sich nicht zurückhalten. »Lena, das ist kein Leben für dich. Die Stelle als meine Wirtschafterin ist immer noch frei.« Etwas, das er beim besten Willen nicht deuten konnte, regte sich in ihrem Gesicht. »Nun?«, fragte er rau.
»Nein, ist sie nicht, und nein, ich will sie nicht. Habt Ihr noch weitere Fragen?«
Er gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie gehen durfte. Als sie fort war, wurden Maxilius’ Züge hart. »Gut, Herr Liebig, Ihr habt es so gewollt!«
Der Mond stand bereits hoch, als Maxilius sein Pferd losband. Er zog sich in den Sattel und gab dem Tier die Sporen. Die Müdigkeit, die mit jeder Woche schlimmer wurde, rumorte in seinen Knochen, aber er wusste, dass an Schlaf nicht zu denken war. So schnell er sich im Dunkeln traute, preschte er zur Stadt zurück. Sein Geist war wieder bei den Schanzarbeiten. Sie gingen nicht schnell genug voran, andererseits wusste er, dass er die Männer nicht noch härter antreiben durfte und dass der Rat nicht noch mehr Geld bewilligen würde. Keiner dieser Herren verstand wirklich, was das bedeutete: Krieg. Sie lauschten den Prahlereien dieses Böhmen und fühlten sich alle als Helden. Jakob Liebig, der lästige Katholik, der hatte wenigstens eine Ahnung, was auf sie zukam. Nur war er zu jung, es wirklich zu begreifen. Was diesen Jiří anging, den Kerl hätte er da lassen sollen, wo Liebig jetzt hockte. Der bedeutete Ärger. Er kannte diese Burschen.
Vor der Garnison zügelte Maxilius sein Pferd. Er vermisste seine Privatgemächer, aber diesen Luxus hatte er der Notwendigkeit geopfert, auch wenn sein Wirt die Zimmer immer noch für ihn frei hielt. Maxilius gähnte und stieg vom Pferd wie ein alter Mann. Eine Weile blieb er einfach stehen, die Stirn an den warmen Hals des Tieres gelehnt. Als er Schritte hörte, fuhr er in die Höhe.
»Herr Major.« Es war Stefan, sein Bursche.
Maxilius entspannte sich. Stefan gehörte zu den wenigen Menschen, denen er vertraute und die ihn gut genug kannten, um seine eiserne Fassade zu durchdringen. »Nicht jetzt«, bat er und unterdrückte ein zweites Gähnen.
Der junge Mann musterte ihn auf eine Weise, die jedem anderen eine harsche Rüge eingetragen hätte: besorgt. »Ich weiß, Herr Major, nur … Der Spanier hat schon wieder einen Boten geschickt. Damit sind es fünf. Er fleht Euch an, ihn anzuhören.«
Maxilius stieß ein bellendes Lachen aus. »Ich kann mir nicht vorstellen, was bei dem dringend sein sollte. Der soll sich hübsch in seinem vornehmen Haus verstecken und sich unsichtbar machen. Je weniger Protestanten sich daran erinnern, dass es ihn gibt, desto besser für ihn. Spanier! Hah!«
Stefan drängte sich sanft zwischen seinen Herrn und dessen Pferd. Er begann, das Tier abzusatteln. Maxilius ließ ihn gewähren. Abwesend glättete er die abgeknickte Feder an seinem Hut.
Während er das Tier versorgte, sprach Stefan weiter: »Ich glaube, er hat Angst. Todesangst. Und so wie die Dinge in der Stadt liegen, hat er nicht unrecht. Denkt an die Flugschriften, die …«
Maxilius verdrehte die blutunterlaufenen Augen. »Hör bloß auf. Ich hab ja Verständnis für unseren vergessenen Spanier, aber ich habe keine Zeit für ihn.«
»Und wenn er die Stadt verlassen würde?«
»Dann würden ihn meine besten Wünsche begleiten und ich hätte eine Sorge weniger. Aber er kann nirgendwo hin, wenn sein König ihm keine Eskorte schickt. Das weiß er und leider weiß ich das auch. Also mache ich mir keine Hoffnungen. Sonst alles ruhig?«
Stefan kämpfte einen beinahe komischen Kampf mit sich. »Dass Herr Liebig in der Stadt ist, habt Ihr gehört?«, erkundigte er sich schließlich.
Maxilius stöhnte nur. Ein Stück Feder blieb in seinen Fingern zurück. »Ja, den muss ich morgen auch noch aus dem Kerker holen. Warum eigentlich?«
»Vielleicht …«, begann Stefan, aber sein Herr winkte ab.
»Ich weiß, ich weiß. Man wird ja noch träumen dürfen.« Er setzte den Hut auf und der Moment der Schwäche verflog. »Hast du mein Bett bereitet?«
»Selbstverständlich.«
»Liegt meine Bibel bereit?«
»Ja, und ein Becher Wein.«
»Brav«, lobte Maxilius. »Und jetzt lass mich schlafen.«
»Wann soll ich Euch wecken, Herr Major?«
»Am Jüngsten Gericht«, schlug Maxilius vor und seufzte wieder, als sein Bursche ihn erschrocken anstarrte. »Sonnenaufgang wird reichen. Aber keine Sekunde vorher.«
Erschöpft schleppte er sich in seine Offizierswohnung, ließ sich von Stefan die Reitstiefel von den überforderten Füßen ziehen und überließ es ihm, sich um die schmutzige Kleidung zu kümmern. Als der Bursche gegangen war, schlug er das Buch auf, doch seine Gedanken waren bleiern wie seine Lider. Sein Nachtgebet fiel kurz aus. »Scheißkatholiken! Warum glaubt ihr nicht an Gott wie jeder gute Christenmensch?«
II
Das Knirschen des Riegels schreckte Jakob aus einem Schlaf, der ihn erst Stunden nach seiner Verhaftung von Kälte und Grübeleien erlöst hatte. Mit klammen Fingern klaubte er Stroh aus seinen Haaren und von seiner Kleidung. Letzte Nacht, in der kompletten Finsternis, in Gestank und Einsamkeit, hatte er Furcht verspürt. Jetzt gewann der Zorn die Oberhand. Er überlegte, ob er aufstehen sollte, entschied sich aber dagegen. Maxilius würde keine solche Höflichkeit von ihm erwarten können.
Doch der Mann, der eintrat, war nicht Maxilius.
»Aufstehen!« Leutnant Karius stieß die Fackel in die Zelle. »Mitkommen!«
Jakob befolgte den Befehl, bis die Kette spannte. Mit einem ironischen Lächeln blieb er stehen und hob die Brauen.
Karius nahm die Fackel in die Linke. Im nächsten Augenblick ließ ein Faustschlag Jakob gegen die Wand taumeln. Während er noch zu begreifen versuchte, was passiert war, wurde die Schelle von seinem Fußgelenk gelöst, und Karius knurrte: »Ich sage es nicht noch einmal, Katholik. Mitkommen!«
Jakob betastete sein Kinn. »Wohin bringt Ihr mich, Herr Leutnant?«, fragte er. Er erstickte fast an der höflichen Anrede, aber die Jahre bei Hof zahlten sich aus. »Zum Stadtkommandanten? Zu …«, er zögerte, verfluchte Spielvogel für seine Heimlichtuerei, »Oberst Maxilius?«
Statt einer Antwort trieb Karius ihn die Stufen hinauf in den Hof. Das fahle Morgenlicht war gnädig zu Jakobs empfindlichen Augen. Der Leutnant und sein Gefangener zogen kaum Aufmerksamkeit auf sich, denn die meisten Soldaten waren bereits beim Drill. Jakob stellte fest, dass der Stadtkommandant СКАЧАТЬ