Название: Die Bibliothek des Kurfürsten
Автор: Birgit Erwin
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783839269008
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»Ja, danke«, erwiderte der gedämpft und achtete darauf, dass sein Gesicht verborgen blieb.
Beide Männer saßen auf. Der Ritt durch die sternenklare Nacht schien Spielvogel etwas von seiner alten Offenheit zurückzugeben. Er lenkte seine Stute neben Jakob und sah ihn mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen an.
»Jetzt könnt Ihr es doch herauslassen«, meinte er, ohne zu lallen. »Was für geheime Sachen habt Ihr vor?«
»Es … Ich kann nicht.« Jakob erinnerte sich an seinen letzten Besuch in Heidelberg vor drei Jahren. Damals hatte er einen Krieg verhindern wollen. Wie er gescheitert war! »Ich schwöre, dass ich niemandem in der Stadt schaden will«, beteuerte er. »Ich schwöre, dass ich mich bei Hauptmann Maxilius melden werde, sobald ich kann.«
»Hauptmann?« Spielvogel lachte trocken. »Lasst ihn das bloß nicht hören.«
»Ist er befördert worden? Was ist er? Oberst?«
Spielvogel grinste und hüllte sich in Schweigen. Sie ritten an den neuen Schanzen vorbei zum Speyerer Tor. Jakob spürte Spielvogels Blick auf sich, als er die Befestigungsanlagen musterte, aber ehe der Sergeant seinem neu erwachten Misstrauen Worte verleihen konnte, erklang eine laute Stimme.
»Gebt Euch zu erkennen!«
»Sergeant Spielvogel. Lasst uns passieren.«
»Wer ist da bei Euch?«, erkundigte sich der Wachsoldat. Im Sternenlicht blieb er ein dunkler Schattenriss.
»Jemand, den ich in die Stadt bringen muss.« Der Soldat wich nicht zur Seite. In kameradschaftlichem Ton sagte Spielvogel: »Du kennst mich. Also lass uns einfach durch.«
»Tut mir leid, heute Nacht gelten strengere Regeln«, tönte es zurück. »Ich muss den Wachhabenden informieren. Wartet!« Das letzte Wort klang drohend.
»Wer hat heute Nacht denn das Sagen?«, rief Spielvogel ihm nach.
Die Bewegung des Soldaten stockte. »Leutnant Karius«, erwiderte er, ohne sich umzudrehen.
»Oh Scheiße!«
Während der Soldat mit großen Schritten zum Wachhaus ging, warf Jakob Spielvogel einen beunruhigten Blick zu. »Was soll das? Ihr habt mir versprochen …«
Spielvogel bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung zu schweigen. »Scheiße!«, wiederholte er und atmete panisch in seine Hand, um den Alkoholdunst abzuschätzen. Wenig später kehrte die Torwache mit einem hochgewachsenen Haudegen zurück, und Spielvogel schwang sich widerwillig aus dem Sattel.
Jakob hörte ein letztes schwaches »Scheiße!«
Karius baute sich vor seinem Untergebenen auf. »Ihr habt jemanden verhaftet, Sergeant? Gut, ich übernehme.«
»Aber …«
»Keine Sorge, Sergeant«, fiel der Leutnant ihm ins Wort, »Euer Eifer wird lobend erwähnt werden.«
»Verzeiht«, mischte sich Jakob ein, »hier liegt ein Irrtum vor.«
Karius fletschte verächtlich die Zähne. »Natürlich, es ist immer ein Irrtum. Absteigen! Sofort!«
Jakobs Füße hatten den Boden kaum berührt, da packte der Wachsoldat ihn am Arm und eskortierte ihn in die Wachstube. Jakob hörte noch, wie Spielvogel in seinem Rücken halbherzig protestierte. Flüchtig fragte er sich, ob das von Anfang an geplant gewesen war, aber irgendwie bezweifelte er es. Spielvogel mochte ihm nicht trauen, doch der Mann, an den er sich erinnerte, hatte nicht die nötige Raffinesse für so eine Scharade gehabt. Unter dem argwöhnischen Blick des Soldaten ordnete er seine Kleider und wartete auf den Leutnant.
Karius’ Aussehen ließ wenig hoffen. Er hatte ein kantiges, hartes Gesicht, die Bewegungen eines Menschen, der sein Leben dem Militär gewidmet hatte, und eine wulstige Narbe quer über der Stirn, die bewies, dass er seine Pflichten ernst nahm. Karius schickte den Soldaten hinaus und klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch. Jakob öffnete den Mund, doch der Offizier kam ihm zuvor.
»Ihr habt keinen Passierschein. Dennoch wollt Ihr in die Stadt.«
»Ich …«
»Und Ihr seid Katholik.«
»Ich bin …«
»Katholik«, schloss Karius feindselig. »Mehr muss ich nicht wissen. Und ich werde meine Pflicht erfüllen. Meine Pflicht! Das bedeutet, dass ich nicht meinen persönlichen Wünschen folge und Euch mein Schwert in Euer schwarzes Herz stoße. So Gott will, wird sich eine Gelegenheit ergeben.«
»Ich …«, setzte Jakob zum dritten Mal an, aber Karius sprach einfach weiter.
»Es wird sich eine Gelegenheit ergeben, Gottes Willen zu erfüllen und Euch Ketzerpack samt und sonders aus Gottes Schöpfung zu tilgen, aber bis dahin erfülle ich meine irdische Pflicht, nicht meine himmlische.« Er hob die Stimme. »Sperrt den Gefangenen ein.«
Spielvogel tauchte auf. Er schien in den letzten Minuten geschrumpft zu sein. »Herr Liebig ist freiwillig hier«, wandte er ein. »Ich könnte ihn gleich zum Stadtkommandanten bringen.«
»Ich habe Euch einen Befehl erteilt, Sergeant!«
Endlich schüttelte Jakob die Erstarrung ab. »Das ist doch Irrsinn! Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«
»Ihr haltet das Maul oder ich lasse Euch in Ketten legen! Sergeant!«
»Jawohl, Herr Leutnant!«
Spielvogel packte Jakob am Arm und zerrte ihn hinaus. Hartnäckig weigerte er sich, sich auf ein weiteres Gespräch einzulassen, und schließlich gab Jakob seine Versuche auf. Wahrscheinlich hatte er den armen Kerl in genug Schwierigkeiten gebracht. Ihre Schritte hallten durch die menschenleere Hauptstraße. Fast alle Fensterläden waren geschlossen. Jakob kam die schöne, reiche Stadt gespenstisch vor. Ohne aufgehalten zu werden, erreichten sie das Tor der Garnison, an dem zwei junge Soldaten Wache schoben. Vor ihrem Unteroffizier standen sie stramm.
»Ich soll einen Gefangenen in Arrest bringen«, erklärte Spielvogel knapp.
Die Neugier in den Gesichtern der beiden war unverkennbar. Jakob entsprach wohl nicht dem Bild eines Nachtschwärmers oder Trunkenboldes, der einer Nacht im Kerker entgegensah.
Spielvogel bemerkte die Neugier offenbar auch, denn er sagte kurz: »Er ist Katholik.«
Die Mienen der Soldaten veränderten sich schlagartig, und es fiel Jakob angesichts des plötzlichen Hasses schwer, den Gleichgültigen zu spielen. Zum ersten Mal kam ihm der Verdacht, dass er einen schweren Fehler begangen hatte. Er zwang sich, den Blick nicht als Erster abzuwenden. Spielvogel griff wieder nach seinem Ellenbogen und führte ihn fort.
»Vielen Dank! Ihr hättet auch gleich sagen können, dass ich ein Mörder bin«, murmelte Jakob. Er hatte spöttisch klingen wollen, doch die Worte wirkten erstaunlich bitter.
»Ein guter Rat, Herr Liebig: Über Mord solltet Ihr keine Scherze machen.«
»Was meint Ihr damit?«
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