Название: Keiner ist besser als der andere
Автор: Лев Толстой
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: marixklassiker
isbn: 9783843806121
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(Tagebücher)
Der Mensch ist ein Wesen außerhalb der Zeit und des Raumes, er sieht sich aber in Bedingungen von Zeit und Raum gestellt.
(Tagebücher)
Damit sich ein Wesen als existierend erkenne, ist es nicht nötig, daß es begrenzt sei. Wenn die Wesen nicht begrenzt wären, existierten sie auch nicht. Wir sagen: der Mensch ist ein bewußtes Wesen, weil es begrenzt ist, aber man könnte ebenso gut sagen: der Mensch ist begrenzt, weil er ein bewußtes Wesen ist.
(Tagebücher)
Für die Menschen sind im Leben nicht Taten das Bestimmende, sondern Worte. Es kommt ihnen nicht sowohl auf die Möglichkeit an, etwas zu tun oder nicht zu tun, als vielmehr auf die Möglichkeit, mit Bezug auf allerlei Gegenstände gewisse Worte von konventioneller Bedeutung zu gebrauchen. Solche Worte, die bei ihnen für sehr wichtig gelten, sind die Worte ›mein, meine‹, deren sie sich in bezug auf die verschiedensten Dinge, auf lebende Wesen und leblose Gegenstände, bedienen, sogar in bezug auf den Erdboden, auf Menschen und auf Pferde. Sie haben untereinander festgesetzt, daß von ein und demselben Dinge immer nur einer ›mein‹ sagen darf. Und wer nach diesem unter ihnen vereinbarten Spiel von der größten Anzahl von Dingen ›mein‹ sagt, der gilt bei ihnen für den Glücklichsten. Weshalb das so ist, weiß ich nicht; aber es ist so.
(Der Leinwandmesser)
Es ist leichter, selbst nachzugeben, als andere zu beugen.
(Familienglück)
In der Jugend sind alle Seelenkräfte auf das Zukünftige gerichtet, und dieses Zukünftige nimmt unter dem Einfluß der Hoffnung, die nicht auf der Erfahrung der Vergangenheit beruht, sondern auf der eingebildeten Möglichkeit des Glückes, so verschiedenartige, lebendige und bezaubernde Formen an, daß schon die bloßen Begriffe und die Mitteilung der Phantasien von künftigem Glück ein wirkliches Glück dieses Alters bilden.
(Knabenalter)
Die Menschen, die einem Führer folgen, ihm glauben und auf ihn hören, irren unbedingt im Dunkeln, mitsamt ihrem Führer.
(Tagebücher)
Was für ein zerstörungssüchtiges Wesen ist doch der Mensch, wieviel lebende Organismen mannigfachster Art vernichtet er, um sein eignes Leben zu erhalten!
(Chadschi Murat)
Ist es denn den Menschen zu eng auf dieser schönen Welt, unter diesem unermeßlichen Sternenhimmel? Kann sich denn wirklich inmitten dieser bezaubernden Natur im Herzen des Menschen das Gefühl von Feindschaft und Rachsucht oder die Leidenschaft, seinesgleichen auszurotten festsetzen? Alles Böse im Menschenherzen sollte schwinden bei der Berührung mit der Natur, diesem unmittelbarsten Ausdruck alles Schönen und Guten.
(Der Überfall)
Nur jene Menschen, welche starker Liebe fähig sind, können auch starke Schmerzen empfinden; aber das Bedürfnis zu lieben, dient ihnen auch als Gegenwirkung gegen den Schmerz und macht sie wieder gesund. Daher ist die moralische Natur des Menschen noch lebenskräftiger als die physische; Schmerz tötet nie.
(Kindheit)
Wer die Schüchternheit aus Erfahrung kennt, weiß, daß dieses Gefühl sich im geraden Verhältnisse zur Zeit vergrößert, während die Entschlossenheit sich im umgekehrten Verhältnisse vermindert; das heißt, je länger dieser Zustand währt, desto unüberwindlicher wird er und desto geringer wird die Energie.
(Kindheit)
Die Eitelkeit ist ein Gefühl, das sich mit echter Trauer ganz und gar nicht verträgt, und dabei ist dieses Gefühl so fest verwachsen mit der menschlichen Natur, daß es selbst durch den größten Schmerz nur sehr selten ganz vertrieben wird. Eitelkeit im Schmerz äußert sich in dem Wunsche, sehr betrübt oder unglücklich oder stark zu erscheinen; und diese niedrigen Wünsche, die wir nicht eingestehen, die uns aber beinahe nie – selbst im bittersten Leide nicht – verlassen, nehmen dem Schmerz Kraft, Würde und Aufrichtigkeit.
(Kindheit)
Es ist ein großer Irrtum zu denken, daß die menschliche Vernunft etwas Vollkommenes sei und dem Menschen alles entdecken könne.
(Tagebücher)
Es wird mir immer klarer, daß der Mensch der fremden Einflüsterung umso mehr zugänglich ist, je schwächer er in seinem Gefühlsleben ist und je weniger er des Selbstdenkens fähig ist.
(Tagebücher)
Je stärker der Mensch geistig ist, desto weniger ist er der fremden Eingebung unterworfen, sondern unterliegt der eigenen Eingebung und umgekehrt.
(Über Erziehung und Bildung)
99 unter 100 Handlungen entstehen durch Nachahmung, Suggestion und Instinkt. Eine Handlung unter 100 entspringt aus der Vernunft; aber diese eine unter 100 Handlungen ist das, was die Menschheit in Bewegung setzt, ist das eigentliche, wahre Leben.
(Tagebücher)
Was für eine schreckliche Eigenschaft ist doch die Selbstzufriedenheit! Das ist eine Art Zufrieren des Menschen, es bildet sich rings um ihn eine Eiskruste, die jedes innere Wachsen, jede Gemeinschaft mit den anderen unmöglich macht; und diese Eiskruste wird immer dicker!
(Tagebücher)
Die Menschen leben ihre Gedanken, setzen die Gedanken Anderer in Leben um, sie leben ihre Gefühle, setzen die Gefühle Anderer in Handlungen um (d. h. sie lassen sich durch die Gefühle der Andern leiten). Der beste Mensch ist der, welcher seine eigenen Gedanken lebt und sich von den Gefühlen der Andern bestimmen läßt; die schlimmste Sorte Mensch ist die, welche sich von fremden Gedanken und fremden Gefühlen leiten läßt. Aus den verschiedenen Verbindungen dieser vier Motive des Handelns, ergibt sich die ganze Verschiedenheit der Menschen. Es gibt Menschen, die weder eigene noch fremde Gedanken haben und die nur in den Gefühlen anderer Menschen leben; das sind die aufopferungsvollen Närrchen, die Heiligen. Es gibt Menschen, die nur in ihren eigenen Gefühlen stecken – das sind Tiere. Es gibt Menschen, die nur in ihren eigenen Gedanken leben: die Weisen, die Propheten. Und es gibt Menschen, die nur in fremden Gedanken zuhause sind: das sind die Gelehrten und die Schwachsinnigen. In der Mischung dieser Eigenschaften besteht die ganze Musik der menschlichen Charaktere.
(Tagebücher)
Alle Menschen leben und wirken teils eigenen Gedanken gemäß, teils gemäß den Gedanken anderer Leute. Darin, in wie weit die Menschen nach eigenen Gedanken und in wie weit nach den Gedanken anderer Leute leben, darin besteht einer der Hauptunterschiede der Menschen unter einander: die einen brauchen in den meisten Fällen ihre Gedanken gleichsam zu einem geistigen Spiel, gehen mit ihrem Intellekt um, wie mit einem Schwungrad, von dem der Transmissionsriemen abgenommen worden, und in allen ihren Handlungen unterwerfen sie sich fremden Gedanken – dem Brauch, der Überlieferung, dem Gesetz. Die anderen dagegen, die ihre eigenen Gedanken für die Hauptbewegkraft ihrer ganzen Tätigkeit halten, geben fast immer den Forderungen ihres Intellekts Gehör und unterwerfen sich ihm, und nur selten, und dies nur nach kritischer Schätzung, folgen sie dem, was die anderen entschieden haben.