Название: Urknall, Weltall und das Leben
Автор: Harald Lesch
Издательство: Bookwire
Жанр: Математика
isbn: 9783831257683
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Lesch: Wie so oft auch in der Wissenschaft: Man muss einfach mal was wagen.
Gaßner: Ein anderer namhafter Preisboxer – Mohammed Ali – hat in jungen Jahren einmal gesagt: „Ich weiß nicht immer genau, wovon ich rede, aber ich weiß, dass ich recht habe.“ Dieses Selbstvertrauen war wohl auch Edwin Hubble nicht fremd.
Lesch: An dieser Stelle hat Hubble auf alle Fälle Physikgeschichte geschrieben. Er hat dieses Wahnsinns-Diagramm – das später nach ihm benannte Hubble-Diagramm – aufgestellt, das den Zusammenhang zwischen Entfernung und Fluchtgeschwindigkeit verdeutlicht.
Gaßner: Die Daten belegten, dass sich Objekte, die man von der Erde aus in beliebigen Richtungen betrachtet, umso schneller von uns wegbewegen, je weiter sie entfernt sind. Dies entzieht der Theorie eines statischen Universums die Grundlage und verdrängt sie durch eine Theorie des expandierenden Universums. Die immerwährende Evolution in der Naturwissenschaft hatte ein weiteres namhaftes Opfer gefordert.
Lesch: Ähnlich den biologischen Organismen, die sich in einem Lebensraum behaupten oder verdrängt werden, so unterliegen auch naturwissenschaftliche Theorien diesem Evolutionsprinzip. Der natürliche Feind der Theorie ist hierbei allerdings nicht eine andere Theorie, sondern das Experiment.
1.14 Albert Einstein (1879 - 1955)
Gaßner: Bereits Jahre vor Hubbles Entdeckung hatte Albert Einstein die Allgemeine Relativitätstheorie entwickelt. Deren Gleichungen beinhalten zwangsläufig ein expandierendes Universum. Nur mit größter Mühe – mit Hilfe eines mathematischen Kunstgriffes in Form einer Kosmologischen Konstante – war die Theorie mit einem statischen Universum vereinbar.
Lesch: Er hatte einfach eine Konstante mit der Dimension inverse Fläche addiert, und zwar so raffiniert, dass wieder alles passte.
Gaßner: Aber selbst ein Schwergewicht wie die Allgemeine Relativitätstheorie musste sich ohne entsprechende experimentelle Unterstützung dem Dogma eines statischen Universums beugen, während es keine geringere Theorie als die Newtonsche Mechanik vergleichsweise mühelos vom Podest stürzte.
Lesch: Also nochmal: Einstein war vor Hubble. Die Allgemeine Relativitätstheorie wurde 1915 veröffentlicht. Erst 14 Jahre später legte Hubble seine wichtigen Beobachtungen vor. Die Theorie schwebte also die ganze Zeit im luftleeren Raum.
Gaßner: Nicht ganz, einige ihrer Vorhersagen waren durch Beobachtungen schon bestätigt worden: die gravitative Beugung des Lichts und die Stärke der Periheldrehung des Merkurs.
Lesch: Langsam, langsam. Das ist jetzt vielleicht etwas viel Material auf einmal. Zunächst hat die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein schlicht und ergreifend vorhergesagt, dass, wenn Licht sich an schweren Massen vorbei bewegt – was soll Licht sonst schon machen, Licht muss sich immer bewegen, Licht ist wie ein Hai, das geht gar nicht anders –, dann werden seine Wege gekrümmt. Das nennt man „gravitative Beugung“. Dieser Effekt hat die Allgemeine Relativitätstheorie so berühmt gemacht.
1.15 Die gravitative Beugung des Lichts: Die Allgemeine Relativitätstheorie sagt voraus, dass nicht nur Masse, sondern gemäß E = m c2 auch Energie gravitativ wirkt. Somit wird – im Gegensatz zur Newtonschen Theorie – auch Licht von massereichen Objekten abgelenkt. Das Bild soll die Krümmung des Raumes durch ein massives Objekt geometrisch (zweidimensional) veranschaulichen. Die Photonen wählen den schnellsten Weg. In einer gekrümmten Raumzeit ist dies nicht mehr eine Gerade, sondern eine gekrümmte Linie.
Gaßner: Und bei der Periheldrehung des Merkurs handelt es sich um die Wechselwirkung des Planeten mit dem Gravitationsfeld der Sonne. Dieses „Eiern“ um den Brennpunkt, ausgelöst durch Störungen der Planeten Venus und Erde, kannte man schon vor Einstein, allerdings gab es zwischen den Messdaten und der theoretischen Berechnung Abweichung von 43 Bogensekunden pro hundert Jahre. Die Allgemeine Relativitätstheorie konnte diese Bahnveränderung auf die Raumkrümmung durch die Anwesenheit der Sonne zurückführen.
1.16 Die Periheldrehung des Merkurs
Lesch: Aber der wirkliche Hammer war natürlich die gravitative Beugung des Lichts. Josef, ich will jetzt hier nicht abschweifen, aber kannst du dir vorstellen, wie das damals gewesen sein muss, als der Arthur Eddington von seiner Afrika-Expedition mit den Daten der Sonnenfinsternis zurückgekommen ist und sie dann in der Royal Society vorgestellt hat. Eddington betritt also die Bühne. Über ihm der Gipskopf von Isaac Newton. Was nun? Es ist ein Drama. Das erlauchte Publikum in London wartet gespannt. Es geht für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie um Kopf und Kragen. Sie hat die klare Vorhersage getroffen, dass Licht an schweren Massen so sehr gebeugt wird, dass die scheinbaren Positionen von den tatsächlichen Positionen der Lichtquellen, also der Sterne, abweichen. Für eine Beobachtung dieses feinen Effekts muss jedoch die alles dominierende Leuchtkraft der Sonne abgedeckt sein – daher die Sonnenfinsternis. Und die Natur hat glücklicherweise mitgespielt. Einen Tusch, bitte! Sir Arthur Eddington hatte genau die Daten mitgebracht, die die Theorie bestätigten. Heureka!
1.17 Arthur Stanley Eddington (1882 - 1944)
Gaßner: Heutzutage lässt sich die Wechselwirkung von elektromagnetischen Wellen in Gravitationsfeldern sehr genau vermessen. Mittlerweile sind wir nicht mehr auf günstige Konstellationen aus Sonnenfinsternis und Hintergrundsternen angewiesen, sondern platzieren selber geeignete Messgeräte hinter der Sonne. Mit Hilfe der Cassini Sonde konnte auf diese Weise der sogenannte Shapiro-Effekt (Irwin Ira Shapiro) nachgewiesen werden, wonach elektromagnetische Signale beim Durchlaufen von Gravitationsfeldern gemäß Allgemeiner Relativitätstheorie eine Verzögerung erfahren. Der theoretische Effekt konnte mit einer Genauigkeit von 0,001 Prozent bestätigt werden.
Lesch: Die Allgemeine Relativitätstheorie hatte auch vor hundert Jahren schon vieles erklärt, aber als dann der Hubble mit seinen Beobachtungsdaten kam, gelang ihr der Durchbruch.
Gaßner: Die Art und Weise, mit der die Allgemeine Relativitätstheorie die Newtonsche Mechanik verdrängte, ist übrigens kennzeichnend für eine sanfte Form der Evolution in der modernen Naturwissenschaft. Je besser eine etablierte Theorie durch experimentelle Daten gestützt wird, desto schwieriger wird es, sie in Bausch und Bogen zu verwerfen. Sie findet sich entsprechend aufgenommen wieder und behält als Grenzfall – im Beispiel der Newtonschen Mechanik für kleine und mittlere Massen und Geschwindigkeiten deutlich unterhalb der Lichtgeschwindigkeit – ihre Gültigkeit. In der Autobranche entspräche dies eher einem Facelifting denn einem Modellwechsel.
Lesch: Klar, die Allgemeine Relativitätstheorie hat sozusagen die Newtonsche Mechanik in sich aufgesogen.
Gaßner: Eben! Bei der Rekonstruktion eines Autounfalls muss nicht gleich die Allgemeine Relativitätstheorie ran. Da reicht nach wie vor die ganz normale Newtonsche Mechanik.
Lesch: Obwohl ich es spannend fände, zu sehen, wie so ein Unfall etwas gründlicher untersucht würde. Das Gravitationsfeld der Erde ist ja nicht an jeder Stelle gleich. Auch die Autos üben eine Gravitation aus – schwach, aber immerhin. Das wäre eine beliebig komplizierte Berechnung, an deren Ende sich vermutlich die Schuldfrage gar nicht eindeutig klären ließe.
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