Название: Urknall, Weltall und das Leben
Автор: Harald Lesch
Издательство: Bookwire
Жанр: Математика
isbn: 9783831257683
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Lesch: Als in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr Beobachtungen sogar auf eine Expansion des Kosmos hindeuteten, kam es zum finalen Aufbäumen der Hypothese vom ewigen Universum. Die Liste der Expansions-Kritiker liest sich wie das damalige Who’s Who der Wissenschaft, von Fred Hoyle, Max Born, Robert Millikan, Louis de Broglie, Walther Nernst, Erwin Freundlich bis Fritz Zwicky. Gestützt wurde die Skepsis durch ein theoretisches Alter des Universums, dass geringer war als das nachweisbare Alter unseres Sonnensystems. Zudem erschien vielen ein kosmologisches Prinzip in Raum und Zeit ansprechender.
Gaßner: In den folgenden Jahren geriet die Frage mehr und mehr zum Politikum. Selbst Papst Pius XII. äußerte sich zum Thema.
Lesch: Zum Glück wurde mit der Zeit die Entfernungsmessung immer weiter verbessert und damit auch die Bestimmung des Alters des Universums. Mit der Entwicklung der Radioastronomie gelang schließlich sogar der direkte Nachweis, dass Galaxien früher dichter standen als heute.
1.3 Sir Fred Hoyle (1915 - 2001)
Gaßner: Ausgerechnet Sir Fred Hoyle, einer der Hauptvertreter des statischen Universums, hat in einer Radiosendung das Modell eines sich dynamisch entwickelnden, expandierenden Kosmos mit der abfällig gemeinten Bezeichnung „Big Bang“, also „großer Knall“, abgetan und wurde so unfreiwillig zum Namensgeber dieser bis zum heutigen Tage gültigen Theorie. Das Modell vom Urknall hat sich durchgesetzt. Es ist zum anerkannten Standardmodell der Kosmologie geworden.
Lesch: Das nennt man ein klassisches „Branding“. Das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. Das Urknallmodell war in der Zeit damals ja heiß umstritten und gerade der Herr, den du angesprochen hast, kämpfte noch jahrzehntelang dagegen an.
Gaßner: Die Vorbehalte von Fred Hoyle und seinen Kollegen sind aus damaliger Sicht durchaus nachvollziehbar. Ein Universum, das sich fortwährend ausdehnt, war offensichtlich gestern kleiner und wärmer als heute und letzte Woche noch kleiner und noch wärmer. Konsequent zu Ende gedacht liefert diese rückwärtige Betrachtung immer weiter steigende Temperaturen und Dichten. Man landet zwangsläufig bei einem unvorstellbar heißen und dichten Urknall, mit dem alles seinen Anfang nahm. Damit ist unweigerlich eine Reihe von weitreichenden Fragen verbunden.
Lesch: Die erste Frage ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich kann jetzt förmlich spüren, was bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, im Gehirn abläuft. Der Homo sapiens kann gar nicht anders, er muss diese Frage stellen. Wenn ich jetzt behaupte: „Es hat den Urknall gegeben!“, dann stellen Sie sofort die Frage, eine der wichtigsten Fragen: „Und was war vor dem Urknall?“ Habe ich nicht recht?
Gaßner: Aber damit ist noch lange nicht Schluss, weitere bohrende Fragen kommen unweigerlich auf: Wie kann überhaupt irgendetwas aus dem Nichts entstehen, geschweige denn das gesamte Universum, das wir heute beobachten? Woher kommt die notwendige Energie? Wird das Weltall ewig expandieren oder irgendwann wieder zusammenstürzen? Und last but not least: Wie konnten sich Atome selbst organisieren zu lebenden Organismen?
Lesch: Fragen über Fragen, denen man sich als theoretischer Astrophysiker im Freundes- und Bekanntenkreis zu fortgeschrittener Stunde bei einem Glas Rotwein ausgesetzt sieht. Dann gilt es, Antworten zu finden – allgemein verständlich, ohne wissenschaftlichen Habitus, also ohne dass man sich jetzt so aufführt wie ein Wissenschaftler, also – ganz Mensch eben.
Gaßner: Es sollte aber bitteschön nur soweit vereinfacht sein, dass es wissenschaftlich korrekt bleibt.
Lesch: Das fordert beide Seiten und ist übrigens auch für beide Seiten lehrreich. Bei dem Versuch, die Zusammenhänge für andere klar und anschaulich zu formulieren, stellt sich bei mir oft selbst ein verändertes Verständnis ein.
Gaßner: Bevor wir zwei aber jetzt loslegen und das aktuelle Modell der Kosmologie ausbreiten, gilt es noch eine übergeordnete Frage zu beantworten: Woher wissen wir das alles eigentlich? Wie können wir uns so sicher sein mit dem heißen Urknall? Schließlich war doch niemand dabei. Dafür begeben wir uns weit zurück ins 20. Jahrhundert, dahin, wo alles seinen Anfang nahm.
Lesch: Damals, in den Goldenen Zwanziger Jahren, da konnte es schon mal vorkommen, dass aus einem Boxer und Rechtsanwalt ein Kämpfer für die Naturgesetze wurde.
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Woher wissen wir das Alles?
Auf den Schultern von Riesen
Gaßner: Es sollte einer jener wenigen, denkwürdigen Tage werden, an denen ein Weltbild zu Fall kommt. Ironischerweise war es ein ehemaliger Preisboxer, der den entscheidenden k.o.-Schlag versetzte.
Edwin Hubble hatte über Jahre hinweg eine besondere Klasse der Riesensterne beobachtet, die sogenannten Cepheiden. Sie verändern ihre enorme Helligkeit streng periodisch – typischerweise innerhalb von wenigen Tagen –, wodurch Hubble sie über Millionen von Lichtjahren hinweg bis ins Innere unserer Nachbargalaxien aufspüren konnte. Mit Hilfe der zugrunde liegenden Theorie dieser veränderlichen Leuchtkraft gelang es ihm, Entfernung und Geschwindigkeit dieser Objekte in einem Diagramm zusammenzutragen.
1.4 Edwin Powell Hubble (1898 - 1953)
Lesch: Langsam, langsam! Warum hat Hubble sehr leuchtstarke Objekte ausgewählt? Weil die über weite Entfernungen beobachtbar sind. Die Cepheiden sind sehr hell und weisen zusätzlich eine weitere äußerst nützliche Eigenschaft auf: Ihre Leuchtkraft lässt sich theoretisch berechnen.
Gaßner: Und die passende Theorie verdanken wir Henrietta Leavitt.
Lesch: Ja! Endlich taucht auch mal eine Frau auf. Übrigens, die Bibel war in dieser Hinsicht schneller.
Gaßner: Dort liest sich die Schöpfungsgeschichte „Urknall, Weltall und das Leben“ auch deutlich kompakter, verglichen mit dem, was wir hier erzählen. Aber nicht ablenken, Harald, jetzt wird es spannend!
Henrietta Leavitt war eine wirklich tragische Figur. Krankheitsbedingt verschlechterte sich ihr Gehörsinn bereits in jungen Jahren so sehr, dass sie ihr Berufsziel – Konzertpianistin – aufgeben musste. Während ihres Musikstudiums hatte sie im Nebenfach Astronomie belegt, weil es ideal in ihren Wochenplan gepasst hatte. Mit zunehmender Behinderung machte sie aus ihrer Not eine Tugend und verdiente ihren Lebensunterhalt am Observatorium in Harvard mit der Auswertung von Photoplatten. Ihre Akribie und Konzentrationsfähigkeit waren legendär und 1912 – tausende ausgewerteter Photoplatten später – erkannte sie eine Beziehung zwischen der Periodizität, mit der Cepheiden strahlen, und ihrer absoluten Leuchtkraft. Benannt sind sie übrigens nach Delta-Cephei im Sternbild Cepheus, dem ersten beobachteten veränderlichen Riesenstern.
1.5 Henrietta Swan Leavitt (1868 - 1921)
Lesch: Hubble wusste also, wie stark diese Sterne dort strahlen, wo sie sich befinden. Das hat er verglichen mit der Strahlung, die bei uns ankommt. Aus diesem Verhältnis konnte er die Entfernung bestimmen.
Gaßner: Das Prinzip kennt jeder vom Lagerfeuer. Je weiter man vom Feuer weggeht, umso weniger Wärmestrahlung trifft auf den Körper. Näher am Feuer wird es einem wärmer.
Lesch: In doppelter Entfernung bekomme ich nur noch 1/4 der Strahlung ab. In dreifacher СКАЧАТЬ