Название: Tausend und eine Nacht
Автор: Max Geißler
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Märchen bei Null Papier
isbn: 9783962818647
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Der Kapitän hatte von Stund’ an kein Kommando mehr auf seinem Schiffe. Die Zwerge richteten das Steuer, landeten und nötigten alle, die an Bord waren, an Land zu gehen; das Schiff aber führten sie nach einer anderen Insel draußen im Ozean.
Die Mannschaft und die Reisenden erwarteten nun einen sicheren Tod. Alle gingen ein Stück landeinwärts und kamen zu einem großen Gebäude; das Tor tat sich auf, und sie traten in einen Hof, darin lagen auf der einen Seite sehr viele Menschenknochen, auf der anderen eine Menge Bratspieße. Kein Mensch konnte von diesem schrecklichen Orte fliehen; denn das Tor hatte sich mittlerweile lautlos geschlossen.
Als die Sonne unterging, trat mit mächtigem Geräusche ein Mann aus dem Hause, der war so groß wie ein Palmbaum, hatte lange Haare am Leibe und auf der Stirn ein Auge, das glühte wie eine heiße Kohle. Lange Zähne ragten aus seinem Munde hervor, die Oberlippe war gespalten wie bei einem Kamel, und die Unterlippe hing ihm bis auf die Brust hernieder. Seine Ohren waren wie die eines Elefanten, und an den Fingern saßen ihm Nägel wie die Klauen eines Adlers.
Das Ungeheuer ergriff Sindbad und drehte ihn um und um – wie der Schlächter einen Hammel. Als der Riese aber sah, dass er sehr mager war, ließ er ihn los. So prüfte er auch all die anderen, und weil er erkannte, dass der Kapitän unter den Ankömmlingen am besten genährt war, steckte er ihn an einen Spieß und briet ihn über dem Feuer. Dann verschwand er mit dem Braten in seinem Hause und verzehrte ihn zum Abendbrot.
Am nächsten Morgen öffnete der Riese das Tor und schickte die Männer auf die Insel, damit sie sich Nahrung suchten. Als aber der Abend kam, wurden sie alle von einer unsichtbaren Gewalt wieder im Hofe des Schreckens zusammengetrieben, der Riese kam, wählte sich den Fettesten und verzehrte ihn zum Abendbrote.
Am dritten Tage geschah es wie zuvor. Da sprach Sindbad zu seinen Genossen: »Es sind viele sehr schöne hohe Bäume an diesem Strande. Wir wollen uns heimlich Flöße davon bauen und morgen von diesem Strande fliehen; denn hier wartet der Tod sicherer auf uns als draußen auf der hohen See.«
Sie machten sich alsbald an die Arbeit und waren gerade fertig damit, als die unsichtbare Gewalt sie wieder in den Hof des Riesen trieb – alle mussten ihr folgen, wie die Nägel einem Magnet. Der Riese wählte sich abermals einen zum Mahle aus und legte sich danach schlafen. Als sie ihn draußen schnarchen hörten, sagte Sindbad: »Es ist zwar verboten, einen Menschen zu töten – aber dieser ist ein Mörder. Kommt, glühet die Bratspieße und stoßt sie ihm ins Auge, damit wir frei werden!« Neun unter den Männern hatten Mut zu dieser Tat, sie hielten die Spitzen der umherliegenden Spieße in die Flamme, schlichen sich in das Schlafgemach des Riesen und stießen ihm die glühenden Eisen ins Auge.
Mit einem furchtbaren Gebrüll erhob sich der Wilde und griff mit den Händen um sich, aber es gelang ihm nicht, einen seiner Peiniger zu fassen. Die flohen alle zum Strande, wo die Flöße lagen, und warteten auf das erste Licht, um zu entfliehen. Aber noch ehe sie die schwanken Fahrzeuge auf dem Wasser hatten, nahte auch schon der Riese, geführt von zwei gleichgroßen schrecklichen Gesellen … Da tat die höchste Eile not, und nicht lange, so stießen die Flöße vom Lande und schossen unter kräftigen Ruderschlägen hinaus ins Meer. Aber die Riesen brachen Felsstücke los, schleuderten sie den Fliehenden nach und warfen so geschickt, dass alle Flöße zertrümmert wurden – bis auf eines. Die Schiffsleute auf den anderen mussten ertrinken, und nur die drei jenes am weitesten entfernten Fahrzeugs blieben heil. Unter diesen befand sich Sindbad.
Als die Geretteten nun aufs hohe Meer steuerten, erfasste sie alsbald ein Sturm und warf sie an eine Insel.
Vergeblich suchten sie auch hier nach Menschen; als aber der Abend nahte, kroch eine Schlange, lang und schuppig wie ein Palmbaum, des Weges und verzehrte die Begleiter Sindbads, und auch er wäre dem Ungetüm zum Opfer gefallen, hätte er sich nicht auf eine List besonnen. Rasch trug er zu seinem Verstecke – einer kleinen Felsenhöhle – einen Haufen dürres Reisig, legte es dicht vor den Eingang und schlug Feuer. Die ganze Nacht hindurch ließ er eine Flamme aus dem Reisig emporzüngeln, und im Grauen des Tages sah er ein Schiff vorübersegeln. Er kletterte auf einen Felsen, er schrie, er gab Zeichen aller Art – doch seine Bemühungen waren vergebens. Elenden Todes zu sterben schien sein Los.
Da in der höchsten Not besann er sich auf seine Diamanten, die er noch in dem Lederbeutel am Gürtel trug. Er hielt einen der edlen Steine in das Licht der aufgehenden Sonne – und sieh, und sieh! Wie der strahlende Glanz einer zweiten Sonne flog es übers Meer! Da staunten die Schiffsleute und steuerten dem heißen schönen Lichte nach.
So wurde Sindbad gerettet und kam auch diesmal glücklich heim in seine Vaterstadt Bagdad. Aber die Genüsse und Vergnügungen, denen er sich nach den Strapazen seiner dritten Reise hingab, vermochten ihn nicht lange zu fesseln. Er begab sich alsbald nach Persien und schiffte sich von Neuem ein. In einem Unwetter war der Kapitän gezwungen, die Segel zu streichen, die Masten zu kappen, und nicht lange danach lief das Schiff auf ein Riff und zerschellte. Am Strande befanden sich zum Glücke Quellen und Früchte, und die zu Tode erschöpfte Mannschaft konnte wieder zu neuen Kräften kommen.
Kaum erschien die Sonne des nächsten Tages, so machte sich Sindbad mit fünf seiner Gefährten auf; denn sie hatten von ihrem Felsen aus menschliche Wohnungen gesehen. Als sie sich denen näherten, brach eine Schar schwarzer, wilder Menschen daraus hervor, umringte die Fremden und geleitete sie unter großem Freudengeheul in eine der Hütten. Dort setzten sie ihren weißen Gästen ein sehr wohlschmeckendes Kraut vor, von dem diese in ihrem Hunger aßen. Sindbad aber, der eine List witterte, weil er merkte, dass die Schwarzen die Speise verschmähten, kostete nur ein wenig davon, und bald wurde er gewahr, dass der Genuss des Krautes seinen Genossen den Verstand vollständig verwirrte. Sie gebärdeten sich wie trunken und aßen nun große Mengen Reis, der mit Kokosöl zubereitet war, und den die Wilden nur reichten, um die Fremden zu mästen.
Sindbad, der als der einzige seinen klaren Verstand behalten hatte, erkannte sein trauriges Schicksal, und die Not seiner Tage machte ihn fast zum Skelett. Darum verschonten ihn auch die Wilden und trösteten sich mit der Hoffnung, dass auch dieser eine in späterer Zeit ihnen noch СКАЧАТЬ