Название: Das Heilige Fest
Автор: Fritz Steinbock
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180526
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Die beiden Pole der Heiligkeit
Um das auszudrücken, was die moderne Sprache unterschiedslos „heilig“ nennt, hatten unsere Vorfahren zwei verschiedene Wortstämme: hail für die uns zugekehrte, Heil wirkende Seite der Götter, in der wir sie als Verwandte und Freunde erfahren, und den Stamm wîh, der in „weihen“ und im nordischen Wort vé (Heiligtum) erhalten ist. Er bezeichnet die göttliche Eigenschaft des hoch Erhabenen, Unfassbaren oder Numinosen, denn das lateinische numen ist dasselbe wie das germanische guþ oder guð, nach Tacitus „jenes Geheimnis, das sie in einziger Ehrfurcht schauen.“
Das Ritual spricht beide Pole der Heiligkeit an. Wir rufen die Götter um ihr Heil an, und wir verehren sie für ihre Erhabenheit und Größe, in der sie unabhängig davon, wie heilvoll ihr Wirken für uns ist, heilig im Sinn des altgermanischen wîh sind. Man kann auch sagen, dass hail den nahen und wîh den fernen Aspekt der Götter ausdrückt, hail ihre Gegenwart in Midgard, ihr Natur-Einssein um uns und in uns, und wîh ihre Besonderheit, in der sie in Asgard leben, oder ihre Verwandtschaft mit uns und das Mysterium ihrer Göttlichkeit. Denn obwohl das Heidentum Welt und Götter, Diesseits und Jenseits nicht kategorisch trennt, wie es die dualistischen Religionen tun, weiß es um die Unterschiede: Menschen und Götter gehören derselben Wirklichkeit an, aber sie sind natürlich verschieden. Beide Aspekte, Angehörigkeit und Verschiedenheit, gehören zusammen.
Beide lässt ein gutes Ritual auch erfahren: Wir spüren das Heil, das von den Göttern kommt, und wir sind ergriffen, von Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt und manchmal auch erschreckt von ihrem Geheimnis, dem – wie es der Religionsforscher Rudolf Otto bezeichnete – mysterium fascinosum und mysterium tremendum, dem begeisternden und dem erzittern lassenden Geheimnis des Numinosen.
Verehrung der Götter
Ein heidnisches Ritual auszuüben hieß in altnordischer Sprache blóta und auf Althochdeutsch bluozan oder ploazzan. Der Begriff ist sprachwissenschaftlich nicht ganz geklärt, hat aber sicher nichts mit dem Blut (nordisch blóð) von Opfertieren zu tun, sondern hängt wahrscheinlich mit blotna, nass werden, und eventuell deutsch platschen zusammen, bezieht sicht also ursprünglich auf das Benetzen der Erde oder des Altars beim Trankopfer, das nordisch blót oder althochdeutsch bluostrar heißt. Die schwedische Religionsgeschichtlerin Britt-Mari Näsström zitiert auch eine Ableitung aus der indogermanischen Wurzel *bhle (schwellen) und erklärt diese damit, dass das Opfer etwas vermehrt oder neu schafft, wie es in manchen Schöpfungsmythen – in der Edda beispielsweise das Opfer Ymirs – vorkommt.
Wie schließlich blót jedes Opfer bezeichnete, wurde auch blóta für jede Opferhandlung verwendet, wobei man nicht sagte, dass man den Göttern Gaben opferte (goðum gjöf), sondern man „blotete“ die Götter mit Gaben (goð gjöfum). Das lässt manche an ein magisches „Stärken“ denken, geht in Wirklichkeit aber auf die allgemeine Bedeutung von blóta zurück, die schon das gotische blotan hatte: „verehren“.
Bloten heißt im traditionellen Verständnis einfach „die Götter (mit Opfern) verehren“, und das ist auch typisch für das Heidentum. Es ist eine polytheistische Religion, in deren Mittelpunkt nicht magische Kräfte, mystische Einweihungen oder Verheißungen gleich welcher Art stehen, sondern die Götter und ihre Verehrung in kultischen Riten. Was immer sonst noch mit einem Ritual verbunden sein mag – und das kann vieles Verschiedenes sein – immer wendet es sich primär an die Götter und dient dazu, ihnen die gebührende Ehre zu erweisen.
Diese Ehre ist keine Anbetung, denn das wäre eine Huldigung mit Demutsgesten und der inneren Haltung des Dienens und der Unterwerfung, die nach germanischen Begriffen wertlos wäre. Diener und Kriecher können den Göttern keine Ehre erweisen, denn nur wer Ehre hat, kann welche geben. Mit Würde und Stolz, die uns als ihren Verwandten auch zustehen, müssen wir vor die Götter treten, sonst würden sie uns erst gar nicht beachten. Oder schlimmer: Sich ihnen unwürdig zu nähern, wäre sogar eine Beleidigung.
Auf dem heiligen Fest sind die Götter die Ehrengäste. Wir geben es ihnen zu Ehren und stellen sie, ihre Würde und ihre ehrenvollen und heilbringenden Taten in seinen Mittelpunkt. Die übliche Art, in der unsere Vorfahren das bei verdienten Menschen taten, bestand darin, sie mit Trinksprüchen, Reden und Liedern über ihre Taten, einem festlichen Mahl und Geschenken zu ehren, und genauso verfuhren sie mit den Göttern.
Ihre Verehrung war nicht anders als die eines Helden oder erfolgreichen Königs, und wie von ihm erwartete man von den Göttern ebenfalls eine Gegenleistung. Und dazu hatte man auch das Recht.
Die Gabe will stets Vergeltung
Neben bluostrar gab es im Althochdeutschen für ein heidnisches Opfer auch das Wort gelt oder gilt, das manchmal davon unterschieden wurde: Die Franken mussten bei der christlichen Taufe allem them bluostrum indi den gelton, allen Blótar und Opfern, abschwören – sie dürften genau zwischen bluostrar für Trank- und gelt für Speise- und Sachopfer unterschieden haben. Im sächsischen Taufgelöbnis ist dagegen mit nur einem Wort von allum diobolgeldae, allen „Teufelsopfern“, die Rede.
Gelt, gotisch gild, hängt mit vergelten zusammen, die nordische Form gildi bedeutet direkt „Rückzahlung, Vergeltung“. Ein Opfer an die Götter wurde von den germanischen Völkern als eine Vergeltung für ihre Wohltaten aufgefasst und unterscheidet sich vom römischen Brauch nach der Formel do ut des – „Ich gebe, damit du gibst“ – wohl darin, dass im Vordergrund nicht die Bitte um kommende, sondern der Dank um erwiesene Segnungen steht, folgt ansonsten aber derselben Logik. Opfern unterliegt den Regeln des Gabentauschs, die auch innerhalb der menschlichen Gesellschaft gelten. Die Edda bestätigt dies durch den Vers: „Die Gabe will stets Vergeltung.“
Der vorangehende Satz „Besser nicht gebetet als zuviel geboten“ ist vordergründig eine Warnung. Man soll die Götter nicht durch übertriebenen Dank beschämen und bei Bitten nicht versuchen, sie durch große Opfer ungebührlich in die Pflicht zu nehmen. Der Hintergrund ist, dass das Opfer genauso gesehen wurde wie das Geschenk unter Menschen, das in der germanischen Kultur mehr als nur ein Dank für erbrachte Leistungen, Zeichen der Wertschätzung oder wie auch bei den Indianern ein Maß für die Ehre der Edelmänner war, die an ihrer Freigiebigkeit gemessen wurden.
Geschenke und Gegengeschenke wurden auch bewusst eingesetzt, um gegenseitige Bindungen herzustellen und zu festigen. Ein Gefolgsherr band seine Männer nicht nur durch einen Treueeid an sich, sondern auch durch reichliche Geschenke. Ebenso wurden Ehen durch Mitgift und Morgengabe und Bündnisse zwischen Sippen und Stämmen durch den Austausch von Geschenken besiegelt. Verwandte brachten bei Besuchen Geschenke mit und erhielten welche, Freunde, die nicht verwandt waren, tauschten Geschenke aus, und Blutsbrüder festigten ihren Bund auch durch ein Geschenk.
Die Bedeutung von Geschenken ging so weit, dass Männer, die sie СКАЧАТЬ