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СКАЧАТЬ Sprache nur deshalb so prägend werden, weil er eine Zeit lang für bestimmte Milieus im Sinne der Kirche durchaus erfolgreich war. Die neue kirchliche Sprache hat dazu beigetragen, eine junge Generation zu gewinnen. Viele junge Leute fanden sie faszinierend. Sie ließen sich davon anstecken oder, kirchlich gesprochen, berühren. Hinzu kommt ein generationeller Effekt, auf den der katholische Theologe Michael Seewald aus Münster aufmerksam macht: „Man wird die Sprache, die man gelernt hat, nicht los. Diejenigen, die heute in der Kirche Verantwortung tragen, also im besten bischöflichen Alter sind und dadurch auch die Sprache prägen, wurden in den Siebzigerjahren groß.“ Auch deshalb prägt die Sprache der Siebzigerjahre noch heute die Kirchen.

      Bis hierhin war viel davon die Rede, wie die politische und gesellschaftliche Entwicklung in Westdeutschland die kirchliche Sprache prägte – und umgekehrt. Gibt es da Unterschiede zur Entwicklung in der DDR und Ostdeutschland?

      Ellen Ueberschär, geboren in Ost-Berlin, bejaht das, die Sprache und Ansprache in der DDR in christlichen Kreisen sei oft ganz anders gewesen: „Es gab bei vielen Protestanten in der DDR eine strenge kirchliche Sprache, fast preußisch, vor allem in den Kirchenleitungen.“ Außerdem: „Es gab ein existenzielles Empfinden für Christen in der DDR, es war ein Leben mit der kirchlichen Sprache und den Geschichten des Neuen Testaments, die ja geschrieben wurden genau für Leute, die wie die Christen in der DDR extrem unter Druck standen.“ Die alten Texte hätten für sie in der DDR eine Unmittelbarkeit gehabt. „Gerade die Sprache einer christozentrischen Theologie mit ihren Deutungen des Kreuzes und Leids sprachen mich unmittelbar an.“

      Im Westen habe es dagegen auch eine sehr anspruchsgeladene Sprache gegeben, denn viele der kirchlichen Mitarbeiter hätten sich weniger als Christen gefühlt, denn als Arbeitnehmer, die ihre Rechte sprachlich durchsetzen wollten, meint Ellen Ueberschär. Sie erzählt, wie sie nach der Wiedervereinigung Anfang der Neunzigerjahre durch die Westberliner Gemeinden getingelt sei – und die Worte, die sie damals ihrer Erinnerung nach am wenigsten gehört habe, seien Gott und Christus gewesen. Dafür sei die Frage brennend gewesen, wie hoch man noch die Heizung stellen dürfe. Jan Fleischhauer glaubt, dass es noch heute eine Kirchensprache im ostdeutschen und eine im westdeutschen Duktus gibt. Die Sprache der Kirchenleute aus dem Osten sei oft immer noch anders: „Das finde ich angenehmer. Denn es ist auch meist besseres Deutsch. Man fragt sich bei vielen Kirchenleuten aus dem Westen: Wo lernen die so zu reden? Das klingt nach Otto – etwa diese rhetorischen Fragen.“ Den Duktus könne jeder auf der Stelle imitieren, das mache ihn so satirefähig.

      Am Ende dieses Kapitels über die Herkunft der kirchlichen Sprache noch ein kleiner Exkurs: Hatte womöglich auch die NS-Sprache als Gegenentwurf Einfluss auf die neue kirchliche Sprache einer neuen Generation, etwa ab den Sechzigerjahren – dass man also in Kirchenkreisen bewusst anders sprach als die Nationalsozialisten, zu denen ja gerade die NS-treuen evangelischen „Deutschen Christen“ eine allzu große Nähe hatten? Das ist umstritten. Der Historiker Paul Nolte hält das für möglich: „Da ist viel NS-Kompensatorisches zu finden. In den sozialen Bewegungen der Siebzigerjahre und bei den Grünen ist sogar noch mehr als bei den Achtundsechzigern sehr viel Wiedergutmachung für den NS-Schaden. Das Weiche, Rücksichtsvolle und Empathische dieser Haltung spielt eine Rolle.“ In der Sprache spiegele sich das.

      Andere halten dagegen. Valentin Groebner sieht weniger die Nationalsozialisten als vielmehr die Achtundsechziger oder Altachtundsechziger am Werk. Er argumentiert ein wenig boshaft: „Die Nazisprache war ab den Fünfziger Jahren gesellschaftlich unmöglich geworden.“ Diese „hart-gefühlige Sprache“, wie Groebner sie beschreibt, war bereits weitgehend verschwunden – und er verweist auf die schon genannte Prägung der neuen kirchlichen Sprache als eine Gegenreaktion auf den betont aggressiven marxistischen Jargon von Objektivität und Härte, wie er in den Siebzigerjahren von den K-Gruppen gepflegt wurde. Denn: „Beide Gruppen, Theologen wie Marxisten, kamen ja zum großen Teil von den selben Schulen, Jesuiten- und Stifts-Internaten.“ Groebner gibt ein Beispiel: „Die evangelische Pastorin Antje Vollmer war auch Mitglied einer K-Gruppe.“ Man habe in dieser Zeit problemlos mehreren dieser Gruppen angehören können, sowohl im marxistischen wie im kirchlichen Milieu. „Dabei war die Hackordnung der Kämpfe im Großraumbüro der Weltrevolution kein Spaß. Die super sanfte kirchliche Sprache war eher eine Reaktion darauf.“

      So ist die weiche kirchliche Sprache wohl eher kein bewusster Gegenentwurf zu der harten NS-Sprache, eher eine Reaktion auf die schroffe Sprache der Achtundsechziger-Bewegung. Die neue kirchliche Sprache schwamm in der Flut der größeren Transformation der bundesrepublikanischen Gesellschaft, hin zum Antiautoritären, hin zu einer friedlicheren und emanzipatorischen Gesellschaft, in der das Bewusstsein wuchs, dass Sprache Gewalt auslösen kann. „Die Absetzung von den Nationalsozialisten ist eher Begründungsschmuck“, meint Reiner Anselm.

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