Phrase unser. Jan Feddersen
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Phrase unser - Jan Feddersen страница 2

Название: Phrase unser

Автор: Jan Feddersen

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783532600542

isbn:

СКАЧАТЬ einer Sprache zu bedienen, zu der man in einem gestörten Verhältnis steht.“ Schließlich: „Die überlieferte Sprache des christlichen Glaubens bedarf einer Interpretation, weil sie – aufs Ganze gesehen – nicht mehr unmittelbar die unsere sein kann.“

      Das bedeutet, schon vor fast einem halben Jahrhundert erkannte manch hellsichtiger Kopf die Problematik der Sprache des Glaubens. Denn sie beschreibt das Unbeschreibliche, versucht es zumindest – „Denn wie soll das gehen, von Gott sprechen?“, fragt der Theologe und Dichter Christian Lehnert in einem denkwürdigen Vortrag an der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt a.M. Anfang 2019, auf den wir noch zurückkommen. Der Glaube bewegt sich, so er sich selbst beschreiben soll, an der Grenze des Sagbaren – und es ist ganz natürlich, dass die kirchliche Sprache an dieser Grenze oft verrutscht, unpassend wirkt und sich im besten Fall ihrer eigenen Schwächen bewusst ist, wenn sie ehrlich zu sich ist. Gleichzeitig bleibt es ihr Auftrag, zu sprechen, zu verkünden, sie kann sich nicht wie Wittgenstein elegant aus der Affäre ziehen mit der demutsvollen Aussage: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“

      Deshalb schreiben wir über die kirchliche Sprache – nicht als Besserwisser, aber ernsthaft, und hoffentlich nicht ohne Humor. Dieses Buch widmet sich dabei ausdrücklich der kirchlichen Sprache.

      Der Begriff ist etwas unscharf. Denn innerhalb der kirchlichen Sprache gibt es verschiedene Teilsprachen, die leicht unterschiedlich klingen, weil sie verschiedene Funktionen haben oder von unterschiedlichen Menschen gesprochen werden.

      So gibt es die biblisch-liturgische Sprache des Gebets und des Gottesdienstes. Sie ist meist sehr alt, dient in der Regel der inneren Sammlung, wird aus guten Gründen in der Regel nur zaghaft verändert, hat oft einen poetischen Einschlag und richtet sich vor allem an die Gläubigen, oder vorsichtiger gesagt: die Menschen im Gottesdienst.

      Eine weitere Teilsprache der kirchlichen Sprache ist die theologische Fachsprache der akademischen Welt. Sie dient wie alle wissenschaftlichen Fachsprachen der internen, oft verknappten Kommunikation der Wissenschaftsgemeinde, der scientific community. Sie schleppt eine fast 2.000-jährige Geschichte mit sich, erfordert viel Vorwissen und wird von Nicht-Fachleuten meist nur schwer verstanden.

      Es gibt die besondere Teilsprache der Predigt in der Kirche. Die Predigtsprache ist der biblisch-liturgischen Sprache nahe, denn natürlich finden sich in ihr Gebete und Bibelzitate, die die biblisch-liturgische Sprache prägen. Auch theologische Fachausdrücke nutzt sie recht oft, manchmal zu oft. Vor allem aber wird die Predigtsprache bestimmt durch ihren appellativen Charakter, ihr Ziel der Seelsorge und die direkte Ansprache an eine Zielgruppe, die vor allem aus Christinnen und Christen besteht, bei denen also religiöses Vorwissen vermutet werden darf und ein gewisser Predigt-Duktus geradezu erwartet wird.

      Ihr nahe ist die Sprache der Verkündigungssendungen in öffentlich-rechtlichen Sendern, die seit Jahrzehnten tausendfach unser Bild von der kirchlichen Sprache prägen – das „Wort zum Sonntag“ ist die bekannteste Verkündigungssendung der Bundesrepublik. Die Verkündigungssendungen sind in den Staatsverträgen der öffentlich-rechtlichen Sender vorgeschrieben. Viel Mühe steckt in ihnen, die Volkskirchen stellen eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab, die sich um sie kümmern – die Sender haben so gut wie keinen Einfluss auf sie. Wegen der Kürze dieser Sendungen (oft nur wenige Minuten) und die meist völlig diffuse Zielgruppe aus Gläubigen, Nicht-Gläubigen und Desinteressierten am Fernseher, Radio oder Rechner hat sich bei den Verkündigungssendungen ein ganz eigener Duktus heraus gebildet, der schon oft reformiert werden sollte und häufig karikiert wurde – aber offenbar nur schwer zu ändern ist.

      Die kirchliche Sprache hat als Teilsprache die kirchenintern-synodale Sprache, die vor allem in Kirchenverwaltungen oder auf Synoden, also Kirchenversammlungen, zu hören ist. Am auffälligsten ist auf den recht häufigen evangelischen Synoden die Anrede als „Bruder“ und „Schwester“, also zum Beispiel: „Bruder Huber“ oder „Schwester Schwaetzer“. Hier mischen sich biblisch-liturgische Versatzstücke, Elemente der Predigtsprache und theologische Fachausdrücke mit einer Politik- und Verwaltungssprache.

      Schließlich gibt es noch als vielleicht kleinste Teilsprachen der kirchlichen Sprache die Sprache der kirchlichen Verlautbarungen (also vor allem „Denkschriften“ oder Gemeinsame Worte der Volkskirchen zu gesellschaftlich-politischen Themen), die Pressemitteilungen vor allem der bischöflichen oder landeskirchlichen Medienabteilungen (von denen es, geschätzt, immerhin rund 50 gibt) und die ganz eigene Sprache der Evangelischen Kirchentage und Katholikentage beziehungsweise seit ein paar Jahren der Ökumenischen Kirchentage. Kirchentage oder Katholikentage sind eine deutsche Besonderheit, die seit rund 170 Jahren existiert, vor allem „einfache“ Gläubige anspricht und mit großen Schwankungen und Pausen Jahr für Jahr bis zu 200.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer anlockt – auch die dort gesprochene Sprache hat die kirchliche Sprache beeinflusst, wie wir zeigen werden.

      All diese Teilsprachen der kirchlichen Sprachen beeinflussen sich logischerweise gegenseitig, denn ihre Trägerinnen und Träger sind ja im ständigen Austausch miteinander – und deshalb gibt es nach unserer Ansicht und nach der Ansicht der von uns befragten Fachleute eben doch eine übergreifende, ganz eigene kirchliche, viel zu oft blutleere Sprache, der wir uns in diesem Buch widmen wollen.

      Die kirchliche Sprache ist Fluch (und Segen) der Kirchen in der Bundesrepublik, in jedem Fall von enormer Bedeutung, denn das Wort ist nach wie vor ihr zentrales Verkündigungsinstrument in die Gesellschaft hinein – oder, kirchlich gesprochen, an die Mitmenschen. Eine Kirche, die mit ihrer Sprache nur noch die Ihrigen, die Gläubigen, erreicht und nur noch von ihnen verstanden wird, verliert sich in einer selbst gewählten Wagenburg, in einer splendid isolation. Um es mit einem Jesus-Wort zu sagen: „Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, zu rufen die Sünder zur Buße, und nicht die Gerechten.“ (Markus 2,17). Oder, um es etwas moderner mit dem Jahrhunderttheologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer auszudrücken: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Das heißt, etwas überspitzt gesagt: Wo die Kirche nur noch in den Innenraum spricht oder aufgrund ihrer ganz eigenen Sprache nur noch von ihren Gläubigen verstanden wird, verfehlt sie ihren wichtigsten Auftrag, hört auf, Kirche zu sein.

      Aber es gibt ein Problem mit dieser kirchlichen Sprache: Bei der Recherche zu diesem Buch haben wir festgestellt, dass es, auch und gerade in Kirchenkreisen, einen „Überdruß an der Sprache“, an der kirchliche Sprache gibt – und gleichzeitig keine oder nur sehr wenig Literatur dazu. Gelegentlich erscheinen in der einschlägigen Fachpresse kleinere Artikel zur Kirchensprache – so etwa im „Kirchenbote Osnabrück“ im August 2019 eine Sammlung von 17 Wörtern des Kirchenslangs. Überschrift: „Wenn Kirchensprech nervt“. Ein verwandtes Beispiel ist eine Sammlung von knapp 50 Redewendungen wie etwa „Das Gewordene und das Gewesene“ oder „Gott sieht Ihre Sorgen“, die die evangelische Monatszeitschrift „chrismon“ im gleichen Jahr unter der Überschrift „Lexikon Evangelisch-Deutsch“ auf einer Seite veröffentlichte (06.2019) – samt einem ziemlich peinlichen roten Button „Achtung Satire!“, der hoffentlich ironisch gemeint war.

      Der evangelikal angehauchte Journalist und Publizist Andreas Malessa hat schon vor Jahrzehnten „Das fromm-deutsche Wörterbuch“ heraus gegeben, das in unterschiedlichen Auflagen auch andere Titel trägt. Er konzentriert sich jedoch vor allem auf die Sprache, die in evangelikal-pietistischen Kreisen gesprochen wird, und dies ist nur ein kleiner Teil der kirchlichen Sprache, wie wir sie heute kennen, auch weil diese besonders frommen Gruppen des Protestantismus immer kleiner werden. Früher nannten manche diese besonders fromme, heute vor allem evangelikal geprägte Sprache „Die Sprache Kanaans“. Ein schöner Ausdruck, denn er zeigt ja an, dass sie geheimnisvoll ist – aber auch fast verschwunden. Uns geht es aber um die noch ziemlich lebendige, öffentliche Sprache der Kirche.

      Der katholische СКАЧАТЬ