Название: Auge um Auge
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783955520229
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Kappe wich aus. «Ich sorge dafür, dass Menschen bekannt werden und in die Presse kommen.»
«Ah, Sie sind vom Fülm und entdecken Schauspieler?»
«Nee, ich bin von der Kripo und suche keine Filmsternchen, sondern Mörder. Und es gibt durchaus welche, die richtige Berühmtheiten geworden sind. Der Haarmann aus Hannover zum Beispiel oder der Berliner S-Bahn-Mörder.»
Der Taxifahrer lachte. «In mei’m Beruf wer’n wir ja imma nur amordet, wir sind keene Mörda.»
Endlich waren sie in der Muthesiusstraße angekommen. Vor einem der Mietshäuser aus der Gründerzeit standen zwei Funkwagen. Das musste die Nummer 14 sein. Kappe bezahlte und ließ sich eine Quittung geben.
«Na dann, the hunt is on.»
Kappe staunte über so viel Fremdsprachenkenntnisse, aber der Mann fuhr sicher auch die englischsprachigen Stars der Filmfestspiele durch die Stadt. Kaum war Kappe ausgestiegen, kam ein junger Mann auf ihn zu: sein neuer Assistent Günter Kynast. In einem Film mit dem Titel Ein Amerikaner in Berlin hätte er die Hauptrolle spielen können. Kynast war ein Typ von Kollege, wie Kappe ihn bisher noch nicht erlebt hatte. Auf seinem Steckbrief hätte Folgendes gestanden:
Geboren: 2. Oktober 1927 in Berlin.
Wohnhaft: Neukölln, Silbersteinstraße 70 (unweit Hermannstraße).
Bildung/Beruf: Mit 17 Jahren nach Niedersachsen evakuiert, dort als Schüler zum Volkssturm gekommen, englische Kriegsgefangenschaft. Rückkehr nach Berlin und dort Ausbildung zum Schutzpolizisten. Hervorragende dienstliche Leistungen, nach Abschluss der notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen 1953 Kriminalassistent.
Familie/Privatleben: Vater Briefträger, Mutter Verkäuferin bei Koffer-Panneck in der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Nicht verheiratet, ständig neue «Bräute», Stammbesucher in der «Eierschale» am Breitenbachplatz.
Äußeres: Gutaussehend, Typ James Dean, amerikanisiert.
Charakter: Das Leben genießend, keine großen Zukunftspläne, schlagfertig bis schnoddrig, berlinert aber nur in Maßen.
Vorlieben: Tanzen, liebt Rock ’n’ Roll, alle Sportarten, vor allem Motorsport und Fußball (passiv Tasmania 1900, aktiv VfB Britz). Abneigung gegen bürgerliche Hochkultur, hasst insbesondere Opern.
Den «ersten Angriff», wie es in der Fachsprache hieß, hatten Kynast und die Kollegen von der Spurensicherung schon hinter sich, und Kappes Assistent hatte eine ganze Menge zu berichten. «Gegen 21 Uhr 45 sind vor dem Hause Muthesiusstraße 14 mehrere Schüsse auf einen gewissen Doktor Karl-Heinz Waschinsky abgegeben worden. Die ersten beiden haben ihn verfehlt. Dann zielte der Täter auf die unteren Körperpartien, und Waschinsky wurde durch Kugeln in den Oberschenkel und den Bauch lebensgefährlich verletzt. Man hat ihn nach Halensee ins Salernitana-Krankenhaus gebracht.»
«Hm …Danke.» Kappe suchte seine Gedanken zu ordnen. «Woher wissen Sie, dass der Mann auf den schönen Namen Wyschinski hört? Das ist doch hoffentlich nicht dieser berüchtigte Andrei Wyschinski?» Der hatte als Generalstaatsanwalt bei Stalins Säuberungsaktionen entscheidend mitgewirkt und war bis zum vergangenen Jahr sowjetischer Außenminister gewesen.
Kynast lachte. «Das gäbe ja was. Nee, unser Mann heißt Waschinsky, mit a vorne und y hinten. Er ist wissenschaftlicher Oberassistent an der FU, Friedrich-Meinecke-Institut. Das steht in seinen Papieren. Die Brieftasche war ihm aus dem Jackett gefallen.»
«Ah ja.» Kappe hatte noch immer die Stimme seines Bruders im Ohr: Dein letzter Fall! Den musst du noch mal so richtig genießen! Nach dem, was er eben gehört hatte, schien die Sache Waschinsky recht ungewöhnlich zu sein. Es musste schon einen sehr gewichtigen Grund geben, einen Mann aus dem akademischen Mittelbau der Freien Universität auf offener Straße zu erschießen. Und Kappe wäre kein Kind der Frontstadt West-Berlin gewesen, wenn er nicht sofort an ein politisches Motiv gedacht hätte. Hoffentlich kamen nicht die Amerikaner und rissen die Ermittlungen an sich! Immerhin gehörte der Bezirk Steglitz zu ihrem Sektor. Wollte Kappe den Anschlag auf diesen Waschinsky selbst aufklären, musste er den Eindruck vermitteln, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Beziehungstat handelte. Aber welche enttäuschte oder verlassene Frau in West-Berlin konnte schon auf eine Schusswaffe zurückgreifen?
«Sie sind so schweigsam.» Kynast sah ihn fragend an.
«Nun, nach so vielen Dienstjahren, wie ich sie auf dem Buckel habe, sucht man erst einmal sein Gedächtnis nach ähnlichen Fällen ab, um Ansatzpunkte für die Tätersuche zu finden. Haben Sie schon Zeugen auftreiben können?»
«Ja, den Mann da im Funkwagen.» Kynast zeigte auf die andere Straßenseite hinüber. «Das ist der Tischlergeselle Herbert Friemel. Leider hat er einen über den Durst getrunken, was seine Wahrnehmung etwas getrübt haben dürfte.»
Kappe war verblüfft angesichts der geschliffenen Sprache seines neuen Kollegen. Erstaunlich für einen Neuköllner! Wenn Kynast so weitermachte, landete er bestimmt noch mal im höheren Dienst. «Gut, gehen wir zu unserem Tischler hinüber, dann werden wir ja sehen, ob sich aus Friemels Beobachtungen etwas friemeln lässt.»
«Wie?» Kynast hatte dieses Verb noch nie gehört.
«Friemeln bedeutet basteln.»
Herbert Friemel schien schon wieder halbwegs nüchtern, als sie ihn befragten. «Also, ick komme von da Haltestelle inna Schloßstraße und will nach Hause. Ick wohne da hinten inne Lepsiusstraße und muss imma durch die Muthesius durch. Da kommt ’n Pkw vonna Schloßstraße her, janz langsam. Und dann wird ooch schon jeschossen. Ick hab ma lang uff’n Boden jeworfen, schließlich war ick mal bei da Infantrie. Als ick den Kopp wieda hebe, rast der Pkw los Richtung Lepsiusstraße.»
«Können Sie uns sagen, was der Wagen für eine Nummer hatte, oder wenigstens, um welche Marke es sich gehandelt hat?» Kappe holte schon hoffnungsvoll seinen Notizblock hervor, wurde aber bitter enttäuscht.
«Nee, kann ick nich, so dunkel, wie det uff da Straße hier is, bei die Funzeln alle. Und wat für ’ne Marke det war – keene Ahnung.»
Sie ließen sich die Adresse des Tischlergesellen geben und machten sich dann auf die Suche nach weiteren Zeugen. Es fanden sich jedoch keine mehr.
«Bleibt uns wohl nichts weiter, als abzuwarten», zog Kappe ein erstes Resümee. «Über die Waffe, aus der die Schüsse abgegeben worden sind, werden wir frühestens morgen etwas erfahren. Die Frage ist, ob wir noch bei den Nachbarn klingeln oder gleich ins Krankenhaus fahren. Möglicherweise ist Waschinsky schon ansprechbar. In seine Wohnung kommen wir so ohne weiteres ohnehin nicht rein.»
Kynast überlegte einen Augenblick. «Ich würde vorschlagen, es erst einmal bei seinen Nachbarn zu probieren.»
Kappe nickte. «Die liegen wahrscheinlich sowieso alle in den Fenstern und warten schon auf uns.»
In der nächsten Stunde erhielten sie ein einigermaßen detailliertes Persönlichkeitsbild des Niedergeschossenen. Am besten hatte es Waschinskys direkte Nachbarin zu formulieren gewusst, Frau Dr. Isolde Lauchstädt, Oberstudienrätin für Deutsch und Latein: «Ein sehr verschlossener Mensch, der immer darauf geachtet hat, dass er im Treppenhaus niemandem begegnet ist. Wenn es sich einmal nicht vermeiden ließ, ist er an einem vorbeigehuscht wie ein Schatten. Nun, seine Figur СКАЧАТЬ