Auge um Auge. Horst Bosetzky
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Название: Auge um Auge

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520229

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СКАЧАТЬ bei der Kripo-Ost, und deshalb ist es ihm unter hohen Strafen verboten, nach West-Berlin zu kommen, sowohl dienstlich als auch privat.»

      Oskar Kappe lachte. «Und wenn nun einmal jemand eine Leiche zerlegt und dann einen Teil in West-Berlin und den anderen in Ost-Berlin versteckt? So wie vor ein paar Jahren diese mordende Krankenschwester Elisabeth Kusian, die der ‹Kalte Engel› genannt wurde?»

      Zu dieser Frage wollten alle etwas beisteuern. Hermann Kappe hatte in solchen Momenten einige Mühe, die Mitglieder seiner Sippe auseinanderzuhalten, und deshalb schon mal vorgeschlagen, sie wie beim Fußball mit Rückennummern zu versehen. Beim Abendessen kam er wieder gehörig durcheinander. «Klaus, gibst du mir bitte mal die Butter rüber?»

      «Onkel Hermann, ich bin doch Lothar!»

      Peinlich, insbesondere für einen Kriminalbeamten! Sofort spottete sein Bruder Oskar, er solle bloß nicht mal den Täter mit dem Opfer verwechseln. «Und das so kurz vor deiner Pensionierung!»

      «Das war ein Tritt ins Fettnäpfchen!», rief Klara, denn sie wusste nur allzu genau, wie ungern ihr Mann an dieses Thema erinnert wurde. Kappe hatte schwer daran zu knabbern, dass man ihn am 31. Juli dieses Jahres in den Ruhestand schicken würde. Gnadenlos und trotz aller seiner Verdienste.

      Seine Cousine Hertha Börnicke, mit ihren 61 Jahren auch nicht viel jünger als er, wollte ihr Einfühlungsvermögen beweisen und meinte, es sei bestimmt schwer auszuhalten, wenn man plötzlich zum alten Eisen gehöre. Auf dieses Stichwort hin begann man nun, Witze über alternde Männer zu erzählen.

      Otto Kappe hatte den ersten auf Lager. «Kommt ein Achtzigjähriger zum Arzt und sagt: ‹Herr Doktor, ich habe Schmerzen im linken Knie.› Sagt der Arzt: ‹Das ist normal, das liegt am Alter.› Da staunt der Achtzigjährige: ‹Das kann nicht sein, mein rechtes Knie ist genauso alt, und in dem habe ich überhaupt keine Schmerzen!›»

      Seine Frau setzte noch einen drauf. «Kommt ein Neunzigjähriger zum Arzt und klagt über das gesamte Wohlbefinden. Sagt der Arzt zu ihm: ‹Ich verschreibe Ihnen ein paar Moorpackungen.› Der alte Mann ist skeptisch und fragt: ‹Herr Doktor, hilft das denn?› Antwortet der Arzt: ‹Hm, das nicht …Aber sie gewöhnen sich schon mal an die feuchte Erde.›»

      Die Stimmung stieg von Minute zu Minute. Das lag auch an dem italienischen Rotwein, den Oskar Kappe jetzt in seinem Laden in der Yorckstraße zusätzlich zu Zeitungen und Zigaretten verkaufte. Und als er dann zum Plattenspieler seines Sohnes ging und seine Lieblingslieder auflegte, sangen alle im Chor mit René Carol:

       Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein

       laden uns ein, laden uns ein.

       Doch wenn die Sterne steh’n,

       ist Italien doppelt schön.

       Wenn die Nacht herniederfällt,

       vergisst man die Welt.

      So richtig sentimental aber wurden sie, als Oskar Kappe die Platte mit Willy Schneider auflegte. «Für alle, die heute Geburtstag haben, und erst recht für die, die schon auf die siebzig zugehen: Man müsste noch mal zwanzig sein.» Beim Refrain hatte Hermann Kappe Tränen in den Augen.

       Man müsste noch mal zwanzig sein

       und so verliebt wie damals,

       und irgendwo am Wiesenrhain

       vergessen die Zeit.

       Und wenn das Herz dann ebenso

       entscheiden könnt’ wie damals,

       ich glaube, dann entschied es sich

       noch mal, noch mal für Dich!

      Da nahm Hermann Kappe dann seine Klara in den Arm und drückte sie an sich.

      In diesem Moment klingelte das Telefon. Otto Kappe machte eine abwehrende Handbewegung. «Ich geh nicht ran, heute am Geburtstag habe ich keinen Bereitschaftsdienst.»

      «Ich aber!», rief Hermann Kappe und eilte zu dem kleinen Tischchen im Flur, auf dem das schwarze Telefon stand. Und richtig, der Anruf war für ihn.

      «Mordanschlag in Steglitz, Muthesiusstraße. Vor der Nummer 14 sind mehrere Schüsse auf einen Mann mittleren Alters abgegeben worden. Der oder die Täter sind flüchtig.»

      «Ich komme!»

      Das war leichter gesagt als getan, denn Kappe besaß keinen eigenen Wagen, und sein Bruder wie sein Neffe hatten schon zu viel getrunken, als dass sie sich noch hinters Steuer setzen konnten. Also musste Kappe sich eine Taxe rufen.

      «Dein letzter Fall!», rief ihm sein Bruder Oskar hinterher. «Den musst du noch mal so richtig genießen!»

      Diese Bemerkung traf Kappe wie ein Pfeil in den Rücken. Der letzte Fall – danach würde ein tiefes Loch folgen. Ein Leben ohne Sinn und Ziel. Blieb nur noch das Warten auf den Tod.

      Das Taxi kam. Als Privatmann hätte er sich einen solchen Luxus nicht leisten können, und Kappe konnte nur hoffen, dass ihm sein Dienstherr den Fahrpreis erstattete. Er stieg hinten ein und nannte das Fahrziel.

      Der Taxifahrer lachte. «Wenn Se da noch wat essen woll’n, wer’n Se Pech ham. Det heißt zwar Steaklitz, aba et jibt da keene Steaks.»

      Kappe brauchte eine Weile, um das zu begreifen. Dann sagte er: «Nein, nein, ich komme gerade von einer Geburtstagsfeier und habe schon gegessen.»

      «Und jetz’ jeht et nach Hause?»

      Kappe fühlte sich wie in einem Verhör und antwortete deshalb vage: «Wo ist man schon zu Hause?» War er an jedem Tatort zu Hause? Er hatte Marlene Dietrichs Stimme im Ohr:

       Ich bin von Kopf bis Fuß

       auf Liebe eingestellt,

       denn das ist meine Welt.

       Und sonst gar nichts.

       Das ist, was soll ich machen,

       meine Natur …

      Seine Natur war seit Jahtzehnten auf Mordermittlungen eingestellt, sonst gab es da nicht viel. Sicher, er hatte Klara, die Kinder, die Familie, aber sein Beruf war für ihn immer die Erfüllung gewesen. Und nun?

      Seit 1910 lebte Kappe in Berlin und war stolz darauf, nahezu jede größere Straße zu kennen. So hatte er auch jetzt die optimale Route im Kopf. Wollte der Taxifahrer Umwege fahren, konnte er ihn sofort zurechtweisen. Es war zwar nicht sein Geld, aber trotzdem. Kappe hatte schon einige schlechte Erfahrungen mit Taxifahrern gemacht. Nicht nur, dass sie oft ein paar Kilometer mehr herausschlagen wollten, viele von ihnen redeten auch ohne Unterbrechung.

      Sein Fahrer heute war keine Ausnahme und zählte ihm alle bekannten Persönlichkeiten auf, die er in letzter Zeit gefahren hatte, vom Boxer Bubi Schulz über den Schlagersänger Bully Buhlan bis hin zum Volksbildungssenator Joachim Tiburtius.

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