Название: Arabidopsis – ein Leben ist nicht genug
Автор: Gottfried Zurbrügg
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783960085577
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„Was wollen Sie? Haben Sie nicht das Schild an der Tür gelesen?“
„Doch, Professor Dr. Dr. Scherrer. Das heißt: Dr. rer nat und Dr. phil mit dem Spezialgebiet Ägyptologie. Sprechstunde nur nach Voranmeldung.“
„Woher wissen Sie das?“, fragte Scherrer.
„Was?“
„Den Doktor der Ägyptologie.“
„Ihre Arbeiten über das Totenbuch der Ägypter sind bemerkenswert.“
„Aber sie sind in der Bibliothek und nicht allgemein zugänglich.“
„Es gibt Wege, sich zu informieren“, lachte Meyer. „Jetzt enttäuschen Sie mich, Herr Professor.“
Scherrer sah seinen Gesprächspartner ungehalten an. Das Gespräch lief nicht nach seinen Wünschen. „Was wollen Sie?“
„Ich bin Ihr neuer Mitarbeiter. Die Forschungen …“
„Was wissen Sie von unseren Forschungen? Wir hatten strengste Geheimhaltungsstufen in Tübingen“, unterbrach ihn Scherrer heftig.
Meyer sah ihn mit schwarzen, unergründlichen Augen an. „Ihre veröffentlichten Arbeiten habe ich gelesen, und ich sagte schon, dass es verschiedene Wege gibt, Informationen einzuholen. Es ist Zeit, dass ich mit Ihnen persönlich zusammenarbeite.“
„Sind Sie schon länger in der Gentechnik tätig?“, fragte Scherrer. „Nehmen Sie doch Platz!“
Meyer setzte sich in den Sessel vor dem Schreibtisch und sah Scherrer unverwandt an. Der durchdringende Blick seines neuen Mitarbeiters ließ ihn stiller werden. Ich kann mich gegen ihn nicht wehren. Ich brauche ihn, und weiß nicht warum, dachte Scherrer.
„Sie brauchen mich“, sagte Meyer und lächelte, „weil Sie ein Forschungsgebiet betreten, das neue Dimensionen erschließt.“
Was weiß er wirklich?, überlegte Scherrer.
Ein Kratzen im Hals rief einen Hustenanfall hervor, wie er ihn bisher noch nicht erlebt hatte. Keuchend versuchte er Luft zu bekommen. Krächzend rasselte der Atem. Todesangst befiel ihn. Das Büro begann sich zu drehen. Krampfhaft hielt sich Scherrer an seinem Schreibtisch fest. Meyer saß ihm ruhig gegenüber und sah zu. „Helfen Sie mir“, keuchte Scherrer, als er wieder ein wenig Luft bekam. „Dort, dort!“ Er zeigte auf die kleine Sprayflasche, die unerreichbar für ihn auf dem Schreibtisch stand. Gelassen stand Meyer auf, nahm das Spray, kam zu ihm, nahm seinen Kopf, beugte ihn nach hinten, öffnete mit geschicktem Griff den verkrampften Mund und sprühte die Flüssigkeit hinein. Sofort ließ der Husten nach. Scherrer holte tief Luft und atmete freier. Die Nebel verzogen sich. Er sah nach Meyer. „Danke, dass Sie mir geholfen haben. Sie kennen sich aber aus! Sind Sie auch Arzt?“
„Könnte man fast meinen“, bestätigte Meyer. „Ich habe neben dem genetischen Fach auch medizinische Seminare besucht. Wer sich mit dem Tod beschäftigt, muss viele Kenntnisse haben.“
„Sie beschäftigen sich mit dem Tod?“, fragte Scherrer.
„So wie Sie“, sagte Meyer. „Seit ich ihm begegnet bin, kommt er mir nicht mehr aus dem Sinn. Ich fühle mich ihm nahe und ich glaube, dass wir mit der modernen Forschung die Möglichkeit haben, ihn zu entschlüsseln.“
„Glauben Sie?“, fragte Scherrer. „Glauben Sie wirklich?“
„Professor Scherrer“, sagte Meyer. „Erinnern Sie sich an Ihren Aufenthalt in Ägypten?“
Plötzlich war Scherrer wieder dort. Ein Sandsturm tobte mitten in der Wüste. Der Staub legte sich auf alles. Eine feine, gelbe Schicht überzog die Windschutzscheibe des Jeeps. Vergeblich versuchten die Scheibenwischer gegen den Staub anzukommen. Nubi, sein Freund und Geschäftsmann aus Luxor, kannte die Wüste wie kein Zweiter, aber in diesem Sturm war jede Orientierung unmöglich. Feiner gelber Staub legte sich auch auf den Sarkophag, der auf der Ladefläche des Kleinlasters stand, als wolle die Wüste ihr Eigentum zurückholen. Scherrer öffnete das Seitenfenster, um mit der Hand die Windschutzscheibe zu reinigen. Sofort breitete sich der Staub auch im Innenraum des Autos aus. Entsetzt drehte er die Scheibe hoch.
„Wir müssen anhalten, Scherrer“, sagte Nubi. „Wir haben keine Chance mehr weiterzukommen. Gebe Allah, dass der Sandsturm sich bald legt.“
„Was ist, wenn sie uns einholen?“, fragte Scherrer.
Nubi drehte sich um, wickelte den Turban langsam vom Kopf und sah den jungen Wissenschaftler lächelnd an. „In dem Falle gnade uns Gott. Du kennst die Beduinen nicht.“
Scherrer versuchte aus dem Fenster zu sehen, aber der feine Staub machte jede Sicht unmöglich. „Warum haben sie uns den Sarkophag verkauft, wenn sie uns nun verfolgen, um ihn uns wieder abzunehmen?“, fragte er.
Nubi nahm die Hände vom Lenkrad und bückte sich nach vorne, um eine Flasche Wasser aus dem Handschuhfach zu nehmen. Er hielt sie Scherrer hin. „Trink, mein Freund! Deine Lungen sind den Staub nicht gewöhnt. Er könnte dir schaden.“
Scherrer nahm die Flasche, öffnete sie und hielt sie hoch wie ein Weinglas. „Auf unsere Freundschaft. Möge sie ein Leben lang so ungetrübt wie dieses Wasser sein.“
Nubi lachte. „Du wählst einen guten Trinkspruch. Klares Wasser ist die größte Kostbarkeit in der Wüste. Unsere Freundschaft ist auch für mich eine Kostbarkeit, sonst hätte ich mich auf dieses Abenteuer nicht eingelassen.“
Scherrer genoss das klare Wasser und reichte seinem Freund die Flasche zurück. „Der Sturm wird unsere Spuren auch für den besten Fährtensucher verwischen.“
„Auch die Straße“, ergänzte Nubi. „Uns bleiben nur die Sterne, wenn der Sturm bis zur Nacht abflaut. Der Sirius wird dann unser Leitstern sein. Wenn wir Luxor erreichen, sind wir in Sicherheit. Der weitere Transport ist dann kein Problem.“
„Warum verfolgen uns die Beduinen?“, wiederholte Scherrer seine Frage. „Haben sie nicht ein gutes Geschäft gemacht?“
„Du kennst die Beduinen nicht“, sagte Nubi. „Sie sind Kinder der Wüste, aber auch Nachfahren der Pharaonen. Jedenfalls empfinden sie sich so. Wenn sie Geld sehen, verfallen sie ihm wie wir alle, aber wenn sie wieder allein mit der Wüste sind, dann hören sie tausendfach Vorwürfe. Der Sand, die Ruinen, die Zelte wispern: ‚Was habt ihr getan? Sie sind eure Feinde! Sie haben euch betrogen! Der Geist des Pharao wird euch verfolgen!‘ Dann erwachen wieder die Gefühle für das Land, für die Tradition. Dann wird der Fremde zum Grabräuber, den man verfolgt und tötet.“
„Sind sie nicht selber seit Jahrtausenden Grabräuber? Es gibt kaum eine Grabstätte, die nicht ausgeraubt wurde!“, regte sich Scherrer auf. „Diesen Widerspruch verstehe ich nicht!“
„Sie holen das Gold aus dem Wüstensand, weil es sie lockt, weil es ein einfaches Leben verspricht, mein Freund. Menschen sind so. Zwischen religiösen Ansprüchen und der Wirklichkeit liegen auch bei euch Welten, oder?“, sagte Nubi.
Scherrer nickte. „Das ist leider wahr. Aber der Sarkophag von Ammenemes VII wurde doch nie benutzt.“
„Nein, СКАЧАТЬ