Название: Arabidopsis – ein Leben ist nicht genug
Автор: Gottfried Zurbrügg
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783960085577
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„Dieser Vorgang ist ganz eng mit dem Absterben der Pflanze verbunden“, sagte Anne aufgeregt. „Wo liegt der genetische Bereich?“
„Geduld, Geduld“, mahnte Scherrer. „Hier steht es: Die vorzeitige Öffnung der Schoten beim Raps führt zu 20 % Ernteverlusten. Zur genetischen Regulation der Fruchtöffnung liegen erste Befunde vor. Es wurden nun zwei Gene identifiziert, die für die Öffnung der Schoten verantwortlich sind. Die Wirkung der Gene ist redundant, eine Mutation in nur einem führt also nicht zu einem veränderten Phänotyp. Solche Redundanzen findet man nicht selten bei Genen, die wichtige Entwicklungsvorgänge kontrollieren; hierdurch wird der richtige Ablauf des Vorgangs besonders gesichert. Wenn beide Gene mutiert sind, unterbleibt die Verholzung der Fruchtblattwandung und es wird kein Trenngewebe ausgebildet, sodass sich die Schote nicht öffnen kann. Durch Ausschaltung der SHP-Gene könnte eine vorzeitige Schotenöffnung vermieden werden. Dies könnte rasch über transgene Pflanzen oder langsamer durch klassische Züchtung erreicht werden.“
Scherrer ließ das Blatt sinken. „Denken Sie an die großen Kulturpflanzen“, sagte er leise, „an Mais, Baumwolle, Raps, Weizen, an die Pflanzen, welche die Menschen ernähren und kleiden.“ Anne sah ihn verwundert an. Scherrer spürte ihren Blick. „Ich dachte an ein Gespräch mit einem Kollegen“, erklärte er. „Man wies mich darauf hin, dass wir an den wichtigen Pflanzen arbeiten sollen.“
„Aber das tun wir doch“, meinte Anne. „Sehen Sie, so weit sind wir auch. In diesen Bereichen sind die MADs-box-Gene. Hier müssen auch die neu identifizierten Gene liegen. Waren auch Genkarten im Internet veröffentlicht?“
„Natürlich“, erklärte Scherrer. „Ich habe Ihnen alles mitgebracht. Schauen Sie es morgen durch. Die gleichen Abzüge liegen bei mir im Labor. Wenn Sie Ergebnisse oder neue Interpretationen haben, kommen Sie zu mir. Die Ausschaltung der Gene erscheint mir interessant und auch die Doppelfunktion gerade bei Entwicklungsgenen. Wir müssen also die jeweiligen Genbereiche auf den homologen Chromosomen suchen. Die Todesgene müssen auf beiden Genen in gleicher Weise vorhanden sein, denn Gene sind redundant. Sie werden nur dann wirksam, wenn sie auf beiden Chromosen vorhanden sind. So kann immer eins wirksam werden. Das ist nicht neu, aber bei diesen Genen ist gerade die Redundanz so entscheidend. Vielleicht könnte auch eine Veränderung an nur einem Gen die Aus- und Anschaltung der Todesgene möglich machen.“
Scherrer musste erneut in ein weißes Taschentuch husten. „Haben Sie einmal mit Dr. Meyer darüber gesprochen? Er scheint mir in diesen Bereichen besonders kompetent zu sein“, fragte er, als er wieder Luft bekam.
„Noch nicht“, erwiderte Anne viel abweisender, als sie es wollte, „aber danke für den Internetausdruck. Das wird uns erheblich weiterbringen.“
Scherrer gab ihr die Blätter und wünschte „Gute Nacht“. Sie ging mit ihm zur Tür und sah ihm nach, wie er durch die langen Gänge des Institutes ging. Unwirklich blau leuchteten rechts und links die Pflanzenkästen.
Anne hielt die langen Ausdrucke in der Hand und dachte nach. Wichtige Entwicklungsvorgänge werden auch doppelt abgesichert? Bestimmt auch die Todesgene.
Scherrer und Meyer hatten recht. Es war genug. Morgen war wieder ein Tag. Morgen gab es vielleicht brauchbare Ergebnisse.
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