Pläne sind zum Ändern da. Dorina Kasten
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Название: Pläne sind zum Ändern da

Автор: Dorina Kasten

Издательство: Автор

Жанр: Современная зарубежная литература

Серия:

isbn: 9783961451258

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СКАЧАТЬ gemeinsame Weltreise vorgeschlagen hatte. Er war fest entschlossen, seine Tierarztpraxis zu verkaufen und sich fortan nur noch der Pferdezucht zu widmen. Sie wusste, dass ihm dieser Schritt nicht leichtfallen würde. So von hundert auf null, das ging eben nicht, hatte er ihr erklärt. Früher oder später musste es sein, und letztendlich hatte er genug von der schweren Arbeit eines Landtierarztes, die durchaus körperliche Spuren hinterlassen hatte. Nora fand auch, dass er seine Knochen den tretenden Rindern und ausschlagenden Pferden genug hingehalten hatte. Von seichten Vorabendserien war die Realität des Berufes weit entfernt. Sollte er in tausend Jahren ausgegraben werden, so prophezeite sie ihm, würden die Archäologen denken, sie hätten angesichts der Verletzungen einen Ritter vor sich. Ihr Ritter, ja, das war er eigentlich noch immer.

      Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, damals vor dreißig Jahren. Er war als junger Absolvent in ihr Heimatdorf gekommen und hatte seine langjährige Beziehung am Studienort zurückgelassen. Nora hatte gerade ihre von Anfang an verkorkste Verlobung gelöst und war mit ihren Eltern zum Dorffasching gegangen, fest entschlossen, sich gut zu amüsieren. Der Fasching im alten Feuerwehrhaus war legendär. Jung und Alt kamen dort zusammen, extra angereiste ehemalige Einwohner und auch ein paar Leute aus benachbarten Orten füllten bald die Tanzfläche.

      Nora hatte sich als Burgfräulein verkleidet, ziemlich einfallslos angesichts des Mottos „Mittelalter“, und sich nach etlichen Tänzen mit Kollegen ihres Vaters allein an die Bar gesetzt, gegenüber der Eingangstür. Sie trank einen Wermut und wollte wieder aufstehen, weil es zog. Da sah sie ihn hereinkommen: groß, das dunkle Haar kurzgeschnitten, runde Brille, in einem komischen, zu kurzen Umhang und mit einem zum Ritterhelm umfunktionierten Motorradhelm unter dem Arm. Sie hatte ihn angestarrt wie eine Erscheinung. Ihre Augen schossen Blitze in seine Richtung ab; ihr Gehirn sendete unablässig eine Botschaft: Das ist er!

      Erleichtert registrierte sie, dass er sich neben sie auf den schäbigen, ungepolsterten Barhocker setzte. „Bin ich zu spät?“, hatte er lächelnd gefragt.

      „Genau richtig.“

      Von da an waren sie unzertrennlich. Keine acht Wochen später wusste Nora, dass sie schwanger war...

      „Guten Morgen, Nora!“ Der Gruß des Hausmeisters riss sie aus ihren Gedanken. „Warum guckst du denn so verbiestert? Hast du etwa wieder geträumt, dass die Ausstellung nicht fertig wird?“

      Das hatte sie in letzter Zeit tatsächlich. Sie reichte ihm die Hand. „Guten Morgen, Lindemann! Sie muss wohl fertig werden, was? Viel Zeit haben wir ja nicht mehr. Kannst du mir heute noch ein paar Kartons ins Büro bringen? Ich will schon einige Sachen einpacken, die nicht gebraucht werden, wenn ich weg bin.“

      „Für dich doch immer, bin gegen zehn da“, versprach er.

      Nun hatte sie es plötzlich eilig. Wie konnte sie nur so in Gedanken versinken? Eigentlich sollte sie andere Dinge bedenken, als ihre Ehe, die doch eigentlich ganz gut lief. Mit schnellen Schritten verließ sie den Parkplatz und eilte zum Verwaltungseingang der Galerie.

      2

      „Jawohl, Frau Barkow, das machen wir so. Ja, ich habe Ihre E-Mail schon gelesen. Wir sehen uns dann nächste Woche. Schönen Tag noch!“ Günther Börner legte den Hörer auf und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Diese Frau schlief wohl nie. Ihre erste E-Mail war heute Morgen um fünf gekommen. Ihm war heiß. Und das nicht nur wegen der Heizung, die, obwohl es schon Mai war, noch immer lief. Er musste unbedingt Lindemann deswegen Bescheid sagen. Andererseits, dann beschwerten sich wieder die Frauen. Die froren ja dauernd. Er wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und ließ sich schwerfällig auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Komischerweise stand er jedes Mal auf, wenn die Bürgermeisterin anrief. Und das kam in letzter Zeit oft vor. Seit sie vor einem Jahr ins Amt gewählt worden war, schien sie einen Narren an der Galerie gefressen zu haben. Das war ihm einerseits unheimlich, andererseits schmeichelte es ihm. Sie galt als ziemlich kaltschnäuzig und wurde von den Mitarbeitern der Stadtverwaltung nur die „Schneekönigin“ genannt. Nach der Schließung des hiesigen Stadtmuseums - offiziell von der Bauaufsicht, hinter vorgehaltener Hand jedoch war davon die Rede, das Gebäude zu verkaufen - war es ihre Idee gewesen, dessen nicht allzu umfangreichen Fundus in die Städtische Galerie zu integrieren. Freilich musste Börner zwei Räume der Galerie, die in einer Jugendstilvilla untergebracht war, nun für die neue Dauerausstellung zur Stadtgeschichte abzweigen, aber im Grunde fand er den Gedanken gar nicht mal so übel. Ständig hatte sich das Stadtparlament über sinkende Besucherzahlen bei ihm beschwert und größeres Engagement gefordert. Wenn er allerdings mehr Geld für Sonderausstellungen und Marketing brauchte, beriefen die Abgeordneten sich darauf, dass Kultur ja schließlich keine Pflichtaufgabe sei. Darüber konnte er sich jedes Mal wieder neu empören. Ja, was glaubten denn die Damen und Herren, wie man zu mehr Besuchern kam? Mit der geplanten neuen Präsentation der Stadtgeschichte eröffneten sich nun aber ganz andere Möglichkeiten. Plötzlich stellte die Stadtverwaltung Förderanträge und warb Sponsorengelder ein. Ihm sollte das nur recht sein.

      Er lehnte sich etwas in seinem Schreibtischstuhl zurück, legte die Hände auf den üppigen Bauch, über dem sich das zu eng gewordene, nicht ganz saubere Hemd spannte und lächelte versonnen. Bis jetzt waren sie ganz gut im Plan. Sein Blick fiel auf seinen Schreibtisch. Da stapelte sich mal wieder die Post, wie er zerknirscht registrierte. Der schöne Jugendstilschreibtisch, der noch aus der Ersteinrichtung der Villa stammte und den die ehemaligen Besitzer zurückgelassen hatten, war mit Katalogen, Schriftstücken und Einladungen zu Ausstellungseröffnungen übersäht. Er rieb sich das Kinn und betrachtete das Chaos. Im nächsten Moment fiel ihm die E-Mail der Bürgermeisterin wieder ein. Er hatte sie noch gar nicht zu Ende gelesen. Gut, dass sie nicht nach Einzelheiten gefragt hatte. Er scrollte im Text weiter nach unten und überflog die Zeilen. Dann stutzte er. Der Termin für die Eröffnung der neuen stadtgeschichtlichen Abteilung passte dem Minister nicht, deshalb hatte die Schneekönigin ihn einfach um vier Wochen vorverlegt und ihm das in ihrer gestrigen E-Mail mitgeteilt, schrieb sie. Angeblich habe er zugestimmt. Da bis heute Morgen um acht Uhr keine Antwort von ihm eingegangen sei, habe sie das als Einverständnis gewertet und den Minister informiert, der seinerseits nun sein Kommen zugesagt habe. Das meinte sie also vorhin mit ihrem „Ich vertraue Ihnen voll und ganz, Herr Dr. Börner“. Das durfte doch nicht wahr sein! Sie hatte ihn aufs Kreuz gelegt! Na ja, genau genommen hätte er einfach nur ihre E-Mails lesen müssen. Ganz abgesehen davon, auch ohne diesen billigen Trick hätte sie das Eröffnungsdatum willkürlich festlegen können.

      Er schwitzte und fuhr sich mit der Rechten über den fast kahlen Schädel. Hastig lockerte er den Schlipsknoten. Der ganze Plan geriet durcheinander; es war fraglich, ob sie das schaffen konnten. Nora würde außer sich sein. Ratlos blickte er aus dem Fenster.

      Es regnete noch immer. Die Turmuhr von St. Josef zeigte halb zehn. Noras Teamsitzung hatte wohl schon begonnen. Besser, er beichtete ihr gleich das Dilemma. Wie sie reagieren würde, mochte er sich nicht vorstellen. Dabei konnte er doch gar nichts dafür! Er hasste es, zwischen Baum und Borke zu stehen. Es kam ja kaum infrage, der Schneekönigin öffentlich die Schuld zu geben. Er stöhnte.

      Jetzt brauchte er eine Stärkung. Er drehte seinen Stuhl herum zum Bücherregal. Mit der linken Hand zog er zwei Bände des Thieme/Becker heraus und griff mit der rechten in die Lücke. Die Flasche war noch halbvoll. Er goss einen Schluck in seine Teetasse und stellte Flasche und Bücher zurück. Dann füllte er die Tasse mit schwarzem Tee auf und trank.

      3

      Nora nippte an ihrem Kaffee, der inzwischen kalt geworden war. Sie behielt den Schluck einen Moment lang im Mund, um den leicht bitteren Koffeingeschmack auf der Zunge zu haben. Es war warm in ihrem nicht allzu geräumigen Büro. Sie zog ihre Strickjacke aus, stand auf und öffnete das Fenster. Anschließend setzte sie sich wieder СКАЧАТЬ