Pläne sind zum Ändern da. Dorina Kasten
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Название: Pläne sind zum Ändern da

Автор: Dorina Kasten

Издательство: Автор

Жанр: Современная зарубежная литература

Серия:

isbn: 9783961451258

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СКАЧАТЬ durch den Alltag, alle beide. Obwohl er angeblich das Ende seines Arbeitslebens herbeisehnte, kam es ihr vor, als ob er jede Minute bis dahin auskostete - so wie ein dem Tod Geweihter, der noch möglichst viel erleben will. Das war paradox. Er führte ellenlange Beratungsgespräche mit den Besitzern seiner Patienten, trug sich freiwillig für Wochenenddienste ein und telefonierte beim Abendbrot mit Pharmavertretern. Sie hatte versucht, mit Ralf darüber zu reden.

      Er hatte ihre Gedanken belächelt und sich wieder dem Fernseher zugewandt, so als ob ihr Problem nicht existieren würde.

      Aber sie konnte doch nicht alles auf die „Zeit danach“ verschieben, die Zeit von Ralfs Rentnerdasein und ihrem Sabbatical. Sie lebten schließlich jetzt! Sie musste noch einmal versuchen, mit ihm zu sprechen. Es war allerdings schwierig, mit ihm zu diskutieren, wenn er ihre Zweifel und Gedanken nicht teilte. Dann hatte er keine Lust, all das „durchzukauen“, wie er es nannte. „Das ist eben so!“, war sein Standardsatz.

      Bald war ihr dreißigster Hochzeitstag. Sie würde ihn zu einem Ausflug einladen oder zum Essen. Sie stieg aus der Wanne und trocknete sich ab. Danach stand sie vor dem großen Badezimmerspiegel und ließ das Handtuch fallen. Sie betrachtete ihren Körper, als ob in dem Bild von ihr die Lösung lag. Sie hatte ihre Figur stets gemocht, schaute sich auch jetzt, mit über fünfzig, gern an. Sie war immer noch schlank, nicht allzu klein und nur wenig Grau hatte sich unter die blonden Haare gemischt. Wenn sie nicht gerade in den Vergrößerungsspiegel sah, konnte sie außer den Krähenfüßen um die braunen Augen herum nicht viele Falten im Gesicht erkennen. Über der Oberlippe prangte ein kleines, etwa fünf Millimeter großes, dunkelbraunes Muttermal. Mit etwas Fantasie konnte man es herzförmig nennen. Als ihre Hautärztin vorgeschlagen hatte, es zu entfernen, hatte sie abgelehnt. Es gehörte zu ihr, seit sie denken konnte. Sie wollte es behalten. Die Brüste, na ja, die waren nicht mehr so schön wie früher, aber das konnte man wohl auch nicht erwarten. Groß und schwer, ja, aber prall? Das war einmal.

      Was sah Ralf, wenn er sie anschaute? Diese Frage schlich sich sofort ein. Wann war das überhaupt zum letzten Mal gewesen? Meist liebten sie sich im Dunkeln, wobei das Wort „meist“ schon eine Übertreibung war. Irgendwas lief hier falsch. Sie musste nur herausfinden, was. Aber war das nicht auch normal in ihrem Alter, dass die Lust aufeinander nachließ? Dreiundzwanzig Uhr war jedoch eindeutig zu spät, um solche Gedanken zu wälzen.

      Nora zog ihr Nachthemd an und ging ins Bett. Irgendwann gegen Morgen wachte sie vom Motorgeräusch eines Autos auf, schlief aber sofort wieder ein.

      6

      Am nächsten Tag in der Galerie machte Nora sich als Erstes daran, den Zeitplan bis zur Ausstellungseröffnung zu aktualisieren. Wie oft hatte sie das in den letzten Wochen getan? Sie hatte sich mit Günther zusammengesetzt, und sie waren noch einmal alle Punkte durchgegangen. Ganz genau hatten sie überlegt, was alles in welcher Reihenfolge erledigt werden musste, damit sie am Tag der Eröffnung fertig sein würden.

      „Mein Kollege aus dem Museum in Wilkendorf hat erzählt, dass sie, kurz bevor die ersten Besucher vorne hereinkamen, hinten noch Schilder angeschraubt haben. Und fertig ist die Ausstellung nach wie vor nicht. Das ist heute so Mode, Nora. Damit zeigt man in unseren Kreisen, wie wahnsinnig viel man zu tun hat.“ Günther lachte und stand auf, um das Fenster zu öffnen und um sich die Hose hochzuziehen. Das tat er neuerdings dauernd.

      Kein Wunder, dachte sie, der Bauch hängt über dem Gürtel. Sie fand, dass er sich ziemlich gehenließ.

      Als sie ihn kennenlernte, hatte er sich noch mehr Mühe mit seinem Aussehen gegeben und war auch wesentlich schlanker gewesen. Aber schließlich wurde er bald sechzig; das Alter machte eben auch vor den Männern nicht halt. Sie hatten ja sogar so etwas wie Wechseljahre.

      Nachdem ihr Chef sich wieder hingesetzt hatte, äußerte Nora etwas spitz: „Ich weiß ja nicht, in was für Kreisen du verkehrst, aber in dieser Galerie haben wir bisher immer alles bis zum Termin geschafft, und das werden wir auch diesmal.“ Dann fuhr sie versöhnlicher fort: „Ich gebe zu, dass nichts dazwischenkommen und auch niemand krank werden darf. Natürlich werden wir in den letzten vier Wochen sicher mal länger machen müssen. Urlaubssperre versteht sich von selbst. Lass uns noch über die Eröffnungsfeier reden! Gibt es schon genaue Pläne? Da wird ja sicher deine Schneekönigin mitmischen wollen. Jetzt, wo klar ist, dass der Minister kommt.“ Den Seitenhieb konnte sie sich nicht verkneifen. Sie sah ihren Chef gespannt an.

      „Frau Barkow ist meine Vorgesetzte, Nora, und ich muss sagen, nach dem unrühmlichen Abgang ihres Vorgängers, der im Übrigen keinen Finger für uns gerührt hat, bin ich ganz froh, dass sie sich ein bisschen für unsere Galerie interessiert.“

      Nora warf empört „ein bisschen?“ ein, wurde aber sofort von Günther unterbrochen. „Nein, Nora, lass mich ausreden! Sie zeigt uns, dass sie die Galerie will. Andere Städte haben sich längst von ihren Kultureinrichtungen getrennt, Museen geschlossen oder in andere Trägerschaften überführt. Da kann ich dir Dutzende von Beispielen aufzählen. Letztendlich ist mit unserem Stadtmuseum auch nichts anderes passiert. Für die Politik ist Kultur keine Pflichtaufgabe, das weißt du ganz genau. Aber Politik wird nun mal von Menschen gemacht, und da kann es nicht schaden, die Bürgermeisterin auf unserer Seite zu haben. So, und jetzt du!“

      „Okay, okay, du hast ja recht, wir werden das Beste draus machen. Was bleibt uns auch anderes übrig.“

      „Und wenn Frau Barkow und das ganze Stadtparlament sich am Ende mit unserer neu präsentierten Stadtgeschichte schmücken und hier mit ihren Gästen herkommen, kann das ja nur gut für uns sein. Vielleicht wird dann auch wieder mehr Geld für Sonderausstellungen fließen“, schloss Günther.

      „Was ist denn nun mit der Eröffnung? Hast du schon Musik?“, hakte Nora noch einmal nach.

      „Ja, Musik ist klar. Ich hab eine Big Band engagiert, die ich von einem Konzert kenne. Ziemlich abgefahren, die Jungs.“ Er grinste und sah plötzlich sehr jung aus. „Ich dachte, das ist mal was anderes. Büfett ist auch geregelt, wird vom DEUTSCHEN HOF gesponsert. Dann das Übliche, Reden, Grußworte und so weiter. Und die Schneekönigin wollte noch Kinderballett, also hab ich das auch organisiert. Natürlich Schwanensee.“ Er verdrehte die Augen. „Find ich ja bisschen übertrieben, aber was soll’s! Den Sekt servieren dann die älteren Ballettmädchen der Jugend-Theatergruppe.“

      „Na, das klingt ja ganz toll. Da hast du wohl deine Hausaufgaben schon gemacht.“

      „Nur die Einladungsliste fehlt noch, das Plakat und die Kleinigkeit der Ausstellung.“ Nora tippte auf ihren Zeitplan. „Wie gesagt, wir tun alles, deshalb muss ich jetzt los. Lass uns nächste Woche wieder reden, und bitte, unterschreib die Leihverträge und schick sie ab! Mit der Versicherung hab ich telefoniert, Herr Meyer ist mit der Summe einverstanden.“

      „Wird gemacht, Frau Schönemann.“

      Günther schloss hinter Nora die Tür und atmete tief durch. Er setzte sich an den Schreibtisch und fühlte sich auf einmal sehr erschöpft. Langsam drehte er sich um und zog den Thieme/Becker aus dem Regal.

      7

      Es klopfte. Johannes steckte seinen Lockenkopf durch den Türspalt. „Sie wollten mich sprechen, Chefin?“

      „Setzen Sie sich, Johannes. Ich hab Ihnen den neuen Zeitplan gemailt. Wie wir ja nun seit gestern wissen, haben wir nicht mehr so viel Zeit bis zur Eröffnung. Schauen Sie sich’s mal an! In diesem Monat muss unbedingt noch die Liste mit den exakten Nummern für die einzelnen Exponate fertig werden. Die Nummern sind ja dann später identisch mit den Beschriftungsnummern СКАЧАТЬ