Название: SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten
Автор: Joachim Gerlach
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783960087731
isbn:
Die Worte kamen nicht mehr bei dem Inquisitor an. Zu groß schon war der Abstand.
Alfonso de Torquemada befehligte, da sie ihre Arbeit verrichtet und Alberto und Bruder Manuel dingfest gemacht und weggebracht hatten, noch drei der ihn begleitenden Männer den Abhang hinunter.
»Wagt es nicht, mir ohne Erfolg wieder unter die Augen zu treten!«
Ein, zwei Minuten schon hatte Gabriel keinen Laut mehr gehört.
Sein Jäger verhielt sich geräuschlos wie eine Eule.
Endlich vernahm Gabriel weitere Stimmen. – Die Sache wurde immer gefährlicher.
Leise entfernt er sich von dem Felsbrocken. Plötzlich aber wird es noch dunkler vor seinen Augen. Einen einzigen Augenblick noch, da greift eine Hand nach ihm, um ihn festzuhalten, und eine andere hält seinen Mund zu, um zu verhindern, dass er nach Hilfe schreit oder auf seine Lage aufmerksam macht.
»Hab ich dich, Bürschlein! Einem alten Kämpen machst du nichts vor! Wag nicht, dich zu wehren!«
Gabriel gerät in Panik und versucht sich aus der Umklammerung zu lösen. Er strampelt mit den Füßen in der Luft. Die Hand seines Widersachers, die seinen Mund nahezu zum Ersticken zuhält, verrutscht. Es gelingt ihm, in diese Hand zu beißen.
Ein Schmerzensschrei des Soldaten, ein gepresstes Einatmen, ein Schrei von Gabriel in die Dunkelheit, die nicht länger mehr auf seiner Seite zu sein scheint. Dann hat sein Gegner ihn wieder ganz unter seiner Kontrolle.
»Kommt hierhin! Ich habe ihn! Schnell!«
Er wartet auf die nötige Hilfe. Gabriel wehrt sich weiter mit aller Kraft. Der Griff des Soldaten jedoch bleibt unüberwindbar.
»Wo bleibt ihr denn?«
Es ist das Einzige noch, was er sagen kann. Wie von einer unsichtbaren Macht gefällt sinkt er plötzlich zu Boden. In seinem Fallen wird eine andere Gestalt sichtbar. Gabriel mag es nicht fassen.
Pepa!
Sie lässt den Stein fallen, den sie soeben dem vor ihr stehenden, scheinbar übermächtigen Gegner auf den Kopf geschlagen hat. Zu sehr ist er mit Gabriel beschäftigt und ihr gegenüber deshalb unachtsam, gar ahnungslos gewesen.
Noch nie hat sie sich zu solch einer Tat hinreißen lassen. In ihr toben die Empfindungen von Erschrecken und Staunen. Allein die Gefahr, in welcher sie Gabriel angetroffen hat, hat sie mutig und stark werden lassen. Dieser Mann durfte Gabriel nichts antun.
Nein, es war ungerecht, was er tat. Er durfte Gabriel nicht wehtun und ihn auch nicht festhalten.
Über die Wirkung ihres Hiebs konnte sie nur einen Moment lang verblüfft sein. Schon eilten die anderen Soldaten des Inquisitors herbei.
»Komm, Gabriel! Rasch!«
Wenige Augenblicke später trafen die Verfolger am Ort des Geschehens ein.
Sie fanden nur ihren bewusstlosen Kameraden vor und auch das zersplitterte Fass.
»Einer bleibt hier! Der Rest macht sich auf die Suche! Der Herr bringt uns auf den Scheiterhaufen, wenn wir den Jungen und den, der in dem anderen Fass gesteckt hat, nicht finden!«
Die Suche nach den Flüchtigen dauerte die ganze Nacht, aber sie waren nicht dingfest zu machen. Im Hellen allerdings würden sie keine Chance haben, ihrer Entdeckung zu entgehen. Darauf setzte Alfonso de Torquemada, der Gift und Galle hätte speien können, seine ganze Hoffnung.
Er war nah dran, den Prior aufs Schärfste anzugehen und ihn zur Rede zu stellen, wie es zu dieser Flucht nur hatte kommen können und ob er das Mindeste zu seiner Unschuld vortragen konnte. Doch der Inquisitor war ein durchtrieben schlauer Mensch, der längst schon wusste, dass der Prior sicher war vor seinem Zugriff. Er wusste um seine verwandtschaftlichen Bande zu seiner Obrigkeit, dem Herzog von Medina Sidonia, in dessen Diensten er selbst schon so lange stand.
Wenigstens erwartete Alfonso de Torquemada genaue Auskunft darüber, wer in dem zweiten Fass gesteckt hatte, nachdem er die vage Hoffnung, dass der Satan in Kindsgestalt doch im Kloster zurückgeblieben war, nach erfolgloser Durchsuchung aller Räume hatte begraben müssen. Dass auch in dem zweiten Fass ein Mensch gesteckt haben musste, war in dem Zeitpunkt offensichtlich, als die Soldaten des Inquisitors es leer vorgefunden hatten.
»In dem Fass wird der Novize gewesen sein«, log der Prior, »der Bruder Manuel so nahe gestanden hat.«
Hoffentlich spielte Bruder Manuel, wenn er überhaupt noch mit dem Leben davon kam, bei dieser Lüge mit. Er wollte Pepa unerwähnt lassen, um weiteren Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen, und verschaffte ihr damit ungewollt einen Vorteil bei ihrer Flucht.
»Wir können auch ihn nicht auffinden!«
Die Antwort befriedigte den Inquisitor keineswegs.
»Warum hat er nicht bei Tag den Weg durchs Tor gewählt. Er hatte keinen Grund, sich bei Nacht davon zu stehlen. Oder legen schon eure Novizen die ewige Profess ab?«
Der Prior bemerkte, dass seine Erklärung wirklich nicht überzeugend war.
»Vielleicht war es die Scham vor den Mitbrüdern, die ihn zu diesem Entschluss gebracht hat. Vielleicht wusste er, dass er den hohen Anforderungen unseres Ordens nicht gerecht werden konnte und dass er sich nicht über die ewige Profess an unsere Gemeinschaft würde binden können. Vielleicht fürchtete er auch, dass die Flucht von Bruder Manuel, dem er, wie ich sagte, sehr nahe stand, ein schlechtes Licht auf ihn werfen würde.«
Vielleicht, vielleicht!
Der Inquisitor hasste den Prior für sein dünnes Gerede. Er brauchte Fakten und wenn er sie mit kurz überlegten Erklärungen selbst in die Welt bringen musste.
Bruder Benicio war voller Sorge. Geweckt durch ein heftiges Schlagen gegen die Tür seiner Zelle, hatte er schlaftrunken aus seinem Lager gefunden und geöffnet, die schlimme Mitteilung aus dem schnell sprechenden Mund eines Mitbruders hatte ihn jedoch zu eiligem Tun veranlasst.
»Kommt schnell herbei! Bruder Manuel ist schwer verletzt worden und dem Tode näher als dem Leben!«
Das waren die Worte, die ihn alarmiert hatten.
Bruder Benicio brauchte nichts zu richten, all seine Utensilien befanden sich auf der Krankenstation. Dort lag Bruder Manuel auf einer Trage, die von seinem Blut schon durchnässt war.
»Um Himmels Willen, was ist geschehen?«
Konnte er hier überhaupt noch helfen? So etwas hatte er noch nicht zu Gesicht bekommen.
Knappe Sätze, weiterer Erklärung bedurfte es nicht. Geahnt hatte er es, dass Bruder Manuel eines Tages in große Schwierigkeiten kommen würde, doch Bruder Benicio hatte sich lieber um Salbei, Fenchel, Liebstöckel und Minze draußen im Garten und um seine Tinkturen und Salben und Destillate gekümmert anstatt schwierige Gespräche zu führen.
Jetzt war die Sorge da.
Er hatte sie um Bruder Manuels Leben und auch um das seinige. Würde man ihn irgendwelcher Mittäterschaft beschuldigen?
СКАЧАТЬ