Streben nach der Erkenntnis. Klaus Eulenberger
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Название: Streben nach der Erkenntnis

Автор: Klaus Eulenberger

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783957449665

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СКАЧАТЬ einen strafenden Blick von der Kommandozentrale, welche die Zettel einsammelte und nachschaute, wer am wenigsten geleistet hatte. Für Lothar und mich – die Küken der Runde – war es mit Sicherheit am schwersten, schnell und gut das Notwendige zu wissen. Es ging immerhin um die Gebiete Name, Stadt, Land, Beruf, Fluss, Berg, Schauspieler. Ich hatte hingekrakelt Friedrich, Frankfurt, Frankreich, Fliesenleger, Fulda – das war’s dann. Lothar war aber nur bis Land gekommen und musste einen Pfand abgeben. „Helga, jetzt bist du mit dem Alphabet dran.“

      „Stopp“ schrie diesmal Waltraud. „I“. Schon ging der Zirkus weiter. Ich grübelte – verflucht, ein Name fiel mir partout nicht ein, eine Stadt mit I gibt es auch nicht, Land, auch nicht existent, aber halt – Indien gibt es, ist ja wie verhext – ein Beruf ist auch nicht in meinem Kopf, als Fluss Iller hatte ich schon einmal gehört. Marion hatte längst „Schluss“ gerufen und fragte ab, bzw. kontrollierte die Zettel. „Na, kleiner Klaus, was hast du denn alles? Ich beantworte es gleich selbst – Indien und Iller sind zu wenig – wir verlangen von dir einen Pfand!“ Ich sah es ja ein, dass ich dran war. Ich kramte in meiner Hosentasche. Rechts hatte ich eine grüne Murmel und eine mit blauen und roten Streifen sowie ein Stück Bindfaden, mein Taschentuch und lauter Holzspäne, die von unserer gestrigen Schnitzaktion irgendwie dahin gelangt waren. In meiner linken Hosentasche fand ich zusammengebundenen Kupferdraht, eine Kastanie und den Brocken eines knochenharten Brötchens von Tante Frida. Ich versuchte zu vermeiden, dass Marion all meine Schätze sah, was aber offensichtlich nur teilweise gelang, denn sie sagte zu mir: „Das Stück Bindfaden können wir nicht als Pfand einordnen – gib mir doch die Murmel.“ So ging das halt immer weiter – Lothar und ich verloren viel. Längst musste mein Bindfaden anerkannt werden und Lothars Katapult, welches er erstaunlicherweise in seiner Hosentasche mitführte. Ich hatte mich schon gewundert, was bei ihm rechts so beulte. Ab und zu verlor auch eines der Mädchen, dies war aber eher die Ausnahme. Im Anschluss an Name, Stadt, Land kam nun Alle Vögel fliegen hoch in die Luft an die Reihe. Alle strahlten, sogar die zurückhaltende Janine. Es war aber auch immer wieder lustig. Hauptmacher war auch hier wieder Marion. „Alle Vögel fliegen hooooch in die Luft – Schwalben fliegen, Gänse fliegen, Blumenstöcke fliegen, was ist denn, Klaus und Lothar? Blumenstücke können nun einmal fliegen, wenn sie jemand aus dem dritten Stock herunterwirft, zum Beispiel auf laut grölende Betrunkene. Bälle fliegen, Schweine fliegen – Lothar, du hast wieder einmal nicht aufgepasst. Liefere das Pfand ab! Deinen Kupferdraht kannst du stecken lassen. So was hatte schon der Klaus, aber die Spielkarte kannst du ruhig geben, die gilt als Pfand.“ So in dieser Art ging es dann weiter, aber als ich meine Kastanie als Pfand geben wollte, stoppte Marion das Spiel. „Ich würde vorschlagen, wir hören auf damit und es geht jetzt an das Einlösen aller Pfandsachen. Wem gehört denn dieses leicht angeschmutzte Taschentuch?“ Lothar meldete sich. „Ach, ja – du kleines Ferkel. Was soll der Pfand in meiner Hand, was soll derjenige tun?“ Alle schrien bunt durcheinander. „Zehn Liegestütze machen, ein Gedicht aufsagen, ein Lied singen, Gewitter machen.“

      „Ja, mache ein Gewitter Lothar!“ Lothar verdrehte die Augen, kratzte sich mit dem rechten Finger am Kopf (das tat er grundsätzlich immer, wenn ihm etwas nicht passte) und ging zur Tür, welche von Tante Fridas Zimmer auf den Flur führte. Er öffnete die Tür, ging in die Hocke und rubbelte mit seiner Stirn von unten nach oben und dann wieder nach unten am Türgewand. Teilweise schepperte es leicht (eben so wie Gewittergrollen), dann rutschte die Stirn ein Stück und dann gelang es wieder. Alle klatschten begeistert und Lothar kam mit einer roten Stirn, welche er aufgeregt rieb, von seiner Aktion wieder ins Zimmer. „Das tut mitunter ganz schön weh, vor allem dort, wo die Lackfarbe weg ist.“

      „Du hast vollkommen Recht, Lothar – tust mir richtig leid. Hier, nimm mal die Creme und reibe ein. Das wird dir gut tun“, half die süße Janine dem traurig in die Welt schauenden Lothar. Dann kam Helga an die Reihe, welche zur Pfandeinlösung jemand drücken musste. Sie wählte ihren Bruder Lothar, den sie, nach seiner Gewitteraktivität, bemitleidete. Leider kam ich auch noch häufig an die Reihe, um meine Pfande zurückzuholen. Unter anderem musste ich ein Lied unter dem Tisch singen. Da ich damit rechnen musste, hatte ich mir schon vorher überlegt, was ich bieten könnte und hatte es schon mehrfach mit Lothar einstudiert. Widerwillig, denn es passte mir überhaupt nicht in den Kram – singen war einfach nicht mein Ding –, kroch ich unter den Tisch und hub an: „Friiiiiiidolin, wir braten eine Leiche, Friiiiiiidolin im Leichenhaus, Friiiiiiidolin, die Knochen sind schon weiche, Friiiiiiidolin zum Leiiiiiichenschmauuuuuus.“ Der Singsang war derb, aber er kam im Allgemeinen gut an. Hätte ich Am Brunnen vor dem Tore … gesungen, wäre es sicherlich zu keinem Beifall gekommen, den ich aber bei meinem kessen Lied, trotz Schelte einzelner Mädchen, dass es zu frech sei, erhielt. Die Aufgaben, um seinen Pfand wieder zu erhalten, waren wahnsinnig breit und interessant gefächert. Ein Mädchen musste zeigen, dass es bügeln kann, dass andere musste gegen eine Wand ballen, sich umdrehen und so den zuvor geworfenen Ball auffangen. Mit am lustigsten war die Aufgabe – sie betraf Helga – das Nachtgeschirr (sprich – den Nachttopf) von Tante Frida heranzuschaffen. Es dauerte sehr lange, bis Helga mit dem Nachttopf in der Tür erschien – alle hatten den Eindruck, dass Helga den Inhalt erst ausschütten und dann den Topf noch ausspülen musste. Endlich aber erhielt ich den von mir sehnlichst erwünschten Auftrag „Kirschen kosten!“ – und zwar bei Janine. Das hatte ich Marion zu verdanken, die genau wusste, was mein sehnlichster Wunsch war. Obwohl es für mich natürlich eine Riesenfreude war, dies von Marion zu hören, so war es doch zunächst ein Schock. Das Blut schoss mir in den Kopf, es wurde heiß, sicher stieg der Adrenalinspiegel enorm – ich wurde zittrig und fisblich. Sofort sah ich zu Janine. Auch sie errötete, schlug die Augen nieder. Langsam erhob ich mich – sicher war ich in der letzten Zeit nie so langsam wie jetzt – ging bedacht um den Tisch herum auf Janine zu. Dabei gingen mir in diesen wenigen Sekunden wahnsinnig viele Gedanken durch den Kopf. Der Hauptgedanke war: Hoffentlich ist sie nicht zu schüchtern und so zurückhaltend wie das letzte Mal, wo erst Marions Machtwort dafür sorgen musste, dass Janine mir ihre wunderschönen Lippen entgegenstreckte. Als ich vor ihrem Stuhl stand, schaute sie immer noch brav nach unten. Langsam ging ich in die Hocke, so dass mein Kopf in ihrer Höhe war und – verhielt mich einfach still in dieser Stellung. Das war alles unbewusst, aber sicherlich richtig, wie ich mir im Nachhinein überlegte. Janine dauerte es zu lange. Als Mädchen war sie natürlich super neugierig und wollte nun endlich wissen, was los war. Also schlug sie die Augen auf und sah meinen Kopf in gleicher Höhe. Ich verhielt mich ruhig (wollte mich ja schließlich auch nicht bis auf die Knochen blamieren) und schaute sie sehr lieb an. Alle schauten gebannt zu und riefen plötzlich, wie im Chor: „Jetzt muss es aber endlich losgehen – wir wollen einen großen, langen Kuss sehen!“ Jetzt wurde Janine aber so richtig rot, blutrot. Ich bewegte meinen Kopf zu ihr hin, aber nicht zu schnell, damit sie nicht geschockt wegdrehte. Plötzlich bekam ich aber doch Angst, dass sie ihren Kopf wegdreht und ich nahm einfach ihren Kopf in meine zwei Hände und küsste sie auf ihre Lippen – na ja, vielleicht war es eine Sekunde zu lang (wenn ich im Nachhinein überlege, man konnte schon in Ruhe die Zahl 2134 in dieser Zeit aussprechen). Danach zog ich mich zurück – ich war wie benebelt und selig. Alle klatschten wie verrückt, riefen laut „Bravo, na endlich!“ oder irgendetwas anderes. Ich setzte mich wieder neben Lothar, der mich zornig, mir kam es fast vor, hasserfüllt, anschaute. Aus meiner Stimmungslage war ich kaum herauszubringen, aber da mir das mit Lothar auffiel, fragte ich nur: „Was hast du denn nun schon wieder zu meckern?“

      „So ein Rotz mit diesen Weibern – ich möchte wissen, was der Zirkus soll?“, zischte er.

      Anschließend spielten wir alle noch Friseur. Ei, war das fein – ich konnte das so richtig genießen. Dabei ging es mir weniger darum, andere zu kämmen und Haare zu schneiden. Daran hatte ich eigentlich überhaupt kein Interesse. Ich wollte nur selbst genießen, wenn andere mir die Haare waschen, schneiden, föhnen, kämmen oder was weiß ich, sonst noch alles. Also half ich den Mädels bei ihren Aktionen – holte Kämme, Scheren, eine Schüssel mit lauwarmem Wasser von Tante Frida und so weiter und so fort. Irgendwann kam ich dann endlich auch einmal an die Reihe und ergötzte mich am Herumwerkeln an meinem Kopf. Es war einfach ein Riesengenuss. Ich verdrehte die Augen wie ein Schellfisch, später schloss ich sie dann ganz. Es war einfach wunderschön, entspannend, beruhigend, СКАЧАТЬ