MORTIFERA. Markus Saxer
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Название: MORTIFERA

Автор: Markus Saxer

Издательство: Автор

Жанр: Короткие любовные романы

Серия:

isbn: 9783954885954

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СКАЧАТЬ wie ein wirbelloses Tier saß ich da und bebte. Und zum ersten Mal in meinem Leben fing ich an zu beten.

      Die Besucher der Abendmesse setzten sich auf die Bänke. Mein Blick schweifte zu der Eule, die sich gerade auf dem Kruzifix niederließ. Seltsamerweise schien außer mir keiner der Kirchgänger von dem Todesvogel Notiz zu nehmen.

      Die Flammen der Talgkerzen ließen Milanas Antlitz wie Bernstein erstrahlen. Ihre Augen funkelten wie die erlesenen Diamanten an ihren Fingerringen. Als sie sich über die Phiole beugte und dem rötlich-braunen Fluidum zerriebene Bärengalle beimischte, fiel ihr das schwarze Haar übers Gesicht. Beißender Gestank stach ihr in die Nase, sodass sie sich abwendete. Nachdem die Sanduhr abgelaufen war, füllte sie das blubbernde Elixier in eine Flasche ab. Die rußgeschwärzte Kammer, die Leonardo da Vinci für sie gemietet hatte, war bis unter die Decke vollgestopft mit Kisten und Kästen, mit Tiegeln und Töpfen, in denen sich Alraune, Arsenik, Quecksilber und dergleichen befanden.

      Milana eilte mit dem Elixier aus dem Haus, schwang sich auf den Rücken des Wallachs und ritt mit flatterndem Kapuzenumhang am Tiber entlang zu einem von Roms Galgenplätzen. Der Mond puderte das violette Dunkel des Flusses mit silberner Helligkeit. Der Inhalt des von Meister Leonardo in Spiegelschrift abgefassten Pergaments schoss ihr im Stakkato durch den Kopf:

       Das von mir untersuchte Linnen mit dem Fischgrätmuster zeigt die Blutspuren eines Gekreuzigten, haut Pabst Leo X. wurde das Linnen bei Grabungsarbeiten in einem geheimen Bogengrab in Jerusalem entdeckt, und über Umwege gelangte es in die Hände des Heiligen Stuhls. Die Nagelwunden auf dem Tuch verlaufen über Fußrücken und die Handgelenke, die Unterschenkel weisen Brüche auf. In einer Ecke auf der Geweberückseite befindet sich die Inschrift Jesus Nazarenus Rex Iudaeorum (…) Weshalb ich von Euch ein Elixier erbitte, das die Blutgerinnung einer frischen Leiche um ein paar Stunden verzögert, da Tote, wie Ihr ja wisst, üblicherweise nicht zu bluten pflegen (…) Mein Schüler Boltraffio wird Euch eine Stunde vor Sonnenaufgang bei dir Blutbuche erwarten.

      Der Eure, L

      Giovanni Boltraffio, der Malerlehrling da Vinics, wartete bereits am vereinbarten Treffpunkt. Unruhig trat der Rotschopf von einem Fuß auf den anderen, als Milana auf dem Pferd heranpreschte. Sie stieg ab, händigte dem Jungen das Elixier aus und wies ihn an: »Boltraffio, höchste Eile ist geboten! Donadini muss die ganze Flasche noch in seiner Zelle austrinken, sonst kann das Mittel die Wirkung nicht voll entfalten, verstehst du?«

      Er nickte eifrig: »Gewiss, Milana, gewiss.« Und schon hatte er sich mit der Flasche aus dem Staub gemacht.

      Die Magierin hörte den Wallach wiehern. Sie ging zu ihrem Pferd und drückte ihm die Lippen zwischen die Nüstern, aus denen das Tier Dampfkegel blies.

      Kurz vor Sonnenaufgang wurde Piero Donadini von den Schaulustigen mit lauten Rufen empfangen. Mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen wurde er vom Henker im Licht vieler Fackeln zum Galgen hochgeführt. Zwei Tage zuvor hatte der zum Tode Verurteilte im Streit einen Widersacher erschlagen, als dieser nach einem Faustkampf plötzlich ein Messer in der Hand hielt. Zu Donadinis Pech war sein Gegner mit einem hohen geistlichen Würdenträger verschwägert, weshalb man kurzen Prozess mit ihm gemacht hatte.

      Auch Da Vinci wohnte der Hinrichtung bei. Er war oft auf diesem Platz, um die Grimassen der Sterbenden zu wissenschaftlichen Zwecken zu studieren.

      Der Delinquent krümmte sich und stöhnte, denn das Elixier verursachte ihm grausame Magenkrämpfe. Zwei Schergen packten ihn unter den Armen und hielten ihn aufrecht, während ein Priester mit erhobenem Kruzifix aus der Bibel rezitierte. Die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich über den Horizont, als man dem Todeskandidaten die Kapuze überstreifte und die Schlinge um den Hals legte.

      Da Vinci nahm das Barett vom Haupt. Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen. Der Henker betätigte den Holzhebel, der die Falltür entriegelte, sodass Donadini nach unten fiel. Der Strang straffte sich und das Genick brach mit einem Knacken. Ein Raunen ging durch den gaffenden Pöbel. Manch einer bekreuzigte sich. Als der Gehenkte leblos am Seil pendelte, schnitt man ihn ab, warf ihn auf einen Heukarren, breitete ein Tuch darüber und überführte den Leichnam in die Werkstatt da Vincis.

      Die Folge der Klopfzeichen an der mit Beschlagnägeln versehenen Tür drang wie eine Melodie an Da Vincis Ohr: Milana! Er wusch sich rasch das Blut von den Händen und erinnerte sich daran, wie er damals als Siebenjähriger mit einem Holzreif im Garten der Loggia gespielt hatte, als sie in Gestalt eines schwarzen Milans vom Himmel herabstürzte, mit schwingenden Flügeln Auge in Auge vor seinem Gesicht schwebte, um ihn aus dem Schnabel in den Mund zu füttern. Seitdem war die Gestaltwandlerin Milana seine geheime Mäzenin und Lehrerin, die ihn in Alchemie, Naturmystik und anderen Wissenschaften unterwies.

      Er trocknete sich die Hände mit einem Tuch und öffnete die Tür. Milana trat ein, die Haarfülle durch ein Perlennetz gebändigt. Leonardo umarmte sie herzlich und genoss die Duftwellen von Amber und Moschus die sie verströmte. Er trat zwei Schritte zurück und breitete die Arme aus: »Meine Teuerste! Hätte ich Euch Eurem Willen nach zu den Untersuchungen des Grabtuchs im päpstlichen Hof beigezogen, würdet Ihr jetzt ganz gewiss in einem Verlies der Engelsburg schmoren.«

      »Wieso meint Ihr?«

      »Allein Euer Vergehen, ein so verteufelt schönes Weib zu sein, hätte den Kierikern gewiss gereicht, in Euch eine Ketzerin zu sehen. Mal ganz abgesehen von Euren Zauberkünsten …«

      Milana lachte: »Ihr und Eure Galanterien, Leonardo! Dabei seid Ihr der Häretiker von uns beiden. Wüsste der Pontifex davon, dass Ihr in der Bruderschaft der Johanniter seid, hätte ich in der Engelsburg zweifellos Eure Gesellschaft genießen dürfen.« Ihr Blick fiel auf den mit Wunden übersäten Leichnam Donadinis auf dem Tisch. Dessen Gesicht war verfärbt und um seinen Hals zog sich ein blutunterlaufener Striemen. Die Magierin zog eine Braue hoch und fragte: »Wie brachtet Ihr diesen Mann dazu, das Elixier aus freien Stücken einzunehmen?«

      »Man schloss einen Kontrakt mit ihm ab. Nachdem er eingewilligt hatte, tischte man ihm letzte Nacht ein Festmahl auf. Den Nachtisch reichte man ihm in Form einer jungen, in ihrem Metier höchst bewanderten Edelkurtisane. Nun, Ihr versteht schon …« Da Vinci strich sich den Bart.

      »Verstehe«, sagte Milana und blickte auf Leonardos Leinenhemd, das voller Blutspritzer war. »Doch was genau hat es damit auf sich?«

      »Als ich dem Pabst die Einzelheiten meiner Entdeckungen auf dem Grabtuch erläuterte, wurde sein Blick ein schwarzer Abgrund und sein Gesicht totenblass. Einer alten Prophezeiung zu Folge, durften dem Messias nach seinem Tode die Glieder nicht gebrochen werden. Aber die Blutspuren bezeugten, dass dies der Fall war.«

      »Pabst Leo ist nicht dumm«, räumte sie ein. »Er weiß, kein Mensch kann mit gebrochenen Beinen auf Erden wandeln – nicht einmal der Messias. Diese Eure Entdeckung hat das körperliche Auferstehungsmysterium Christi hinweggefegt, doch ist ja genau dieser Ostermythos das Fundament der Kirche.«

      »Eure Schönheit wird allein durch die Schärfe Eures Verstandes überflügelt.«

      »Und weshalb lässt die Kirche dieses Tuch nicht einfach verschwinden?«

      »Weil die Ausstellung des Grabtuchs, wie der Pontifex mir sagte, vor dem Beginn meiner Untersuchungen in ganz Italien verlautbart wurde. Schon bald soll es in Turin den Gläubigen gezeigt werden. Natürlich rechnet Leo X. mit hohen Geldspenden, man weiß ja von seinem aufwändigen Lebensstil …«

      Sie nickte. »Und nun begehrt der Papst von Euch eine Fälschung, damit niemand die geheimen Details auf dem Tuch sehen kann.«

      »Ihr СКАЧАТЬ