Название: Schwarzer Kokon
Автор: Matthias Kluger
Издательство: Автор
Жанр: Сказки
isbn: 9783960085355
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Sam trat aus seinem Versteck hervor, als er die Silhouette von Tumelo erkannte. »Wo warst du so lange?«
Ohne darauf zu antworten, zeigte Tumelo den Ledersack.
»Gut, dann los.«
Schlechte Sicht, des starken Regens wegen, sowie die stockfinstere Nacht machten es ihnen leicht, unentdeckt bis in die Nähe des Ufers zu gelangen, wo sie sich tagsüber von Aba und Zola getrennt hatten. Sie erkannten viele helle Fackeln, die wie Glühwürmchen in Flussnähe unterwegs waren. Hinter Gestrüpp versteckt warteten sie auf Aba und Zola. Nichts regte sich. Tumelo griff nach zwei Steinen und klopfte diese leise und vorsichtig aufeinander. Sein Klopfzeichen hatte Erfolg. Nicht unweit vor ihnen hörten sie ebenfalls einen Klopflaut.
»Zola«, zischte Tumelo weiterhin geduckt, um nicht gesehen zu werden, sollte das Zeichen nicht von Aba und Zola gekommen sein.
Es raschelte, bis zwei Schatten vorsichtig gebückt aus dem Unterholz schlichen.
»Leise«, mahnte Sam, der sie als Erster erkannte. Anschließend erklärte er ihnen seinen Plan.
Sam lief zum Ufer und sah einen Wachposten, der mit einem Gewehr im Anschlag direkt auf ihn zukam. »Nicht schießen!«, schrie Sam durch den Regen. »Ich bin es, Sam Haskins.«
Die Wache trat näher und erkannte Sam.
»Mr. Baine hat mich beauftragt, mitzusuchen. Aber meine Fackel ist ausgegangen.«
Der Neger griff an seinen Hosenbund und gab Sam eine neue. Mit seiner eigenen entzündete er das am Holzstiel in Wachs getränkte Baumwolltuch.
»Habt ihr schon irgendwas entdeckt?«
»Nichts«, sagte sein Gegenüber, während Regenwasser ihm über das dunkle Gesicht lief. Er fixierte Sam mit hellen wachen Augen.
»Ich werde weiter flussabwärts suchen«, schrie Sam, denn ein erneut lauter Donner dröhnte durch Mark und Bein. Zustimmend nickte der Neger, deutete auf eine Gruppe Suchender, derer sich Sam augenblicklich anschloss.
Nach zehn Minuten entlang des Ufers fand er die Stelle, an der er Tage zuvor seine Barke vertäut hatte. Langsamer werdend ließ er sich vom Rest der Gruppe zurückfallen und verschwand im Ufergestrüpp. In der Hoffnung, unbeobachtet zu sein, entfernte er hastig das der Tarnung dienende, durchnässte Geäst und Gestrüpp von seinem Boot. Der Augenblick war günstig, den Kahn ins Wasser zu lassen. Er zog an dem kleinen Schiff, welches sich sonst leicht über den sandigen Boden bewegen ließ. Doch der Kiel sank tief in den weichen, schlammigen Untergrund, was das Gleiten erheblich erschwerte. Sam benötigte wesentlich mehr Zeit und Kraft als erhofft – ständig in Gefahr sich nähernder Wachposten. Seine Muskeln brannten unter der Anstrengung, bis er endlich, den matschigen Ufersand hinter sich gelassen, das Boot ins Wasser schob. Mit einem Satz landete er im schaukelnden Kahn, legte seine brennende Fackel vorsichtig auf den Bootsboden, holte sein Paddel und ruderte leise einige Meter zur Mitte des Flusses. Hoffend, man könne in der Dunkelheit das Boot vom Ufer nicht mehr ausmachen.
So flach wie möglich paddelte er gebeugt gegen die Strömung an. Nach fünfzehn Minuten erreichte er die Höhe des Verstecks der drei anderen. Er setzte alles auf eine Karte und ruderte ans Ufer. Sam rechnete damit, denn sofort waren auch schon drei Farbige bei ihm. Einer von ihnen war der Wachposten, welcher ihm noch kurz zuvor die Fackel gegeben hatte.
»Ich habe den Fluss abgesucht«, schrie Sam und sein Ton wurde fordernd, während er den Kahn zu einem Drittel auf Sand setzte. »Ich bin mir sicher, dort hinten am Ufer Schatten gesehen zu haben.« Er deutete flussabwärts. »Es waren zwei Gestalten, die ohne Fackeln unterwegs waren. Sie können nicht weit sein! Ihr müsst dort suchen.«
Die Wachen sahen sich etwas unsicher an, dennoch folgten sie seiner Anweisung. Immerhin kam sie von Mr. Haskins, einem Weißen.
Sie waren keine zwanzig Meter entfernt flussabwärts, als Tumelo, der aus sicherem Versteck heraus die Szene beobachtet hatte, gefolgt von den Fliehenden angeschlichen kam. Sam rief laut durch den peitschenden Regen, an Zola und Aba gewandt: »Rudert so weit, wie es geht, ans andere Ufer und lasst euch dann flussabwärts treiben. Jetzt seid ihr auf euch gestellt.«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, geschah es! In dem Moment, als Zola ins Boot stieg, traten zwei Wachen aus dem Unterholz und eilten auf die Flüchtigen zu. Tumelo warf geistesgegenwärtig den Proviantbeutel zu Zola ins Boot, stieß es ins Wasser, drehte sich dann blitzschnell zu Sam und schlug unvermittelt mit seiner Faust zu. Von der Wucht des überraschenden Schlages getroffen, fiel Sam in den matschigen Ufersand. Aba verpasste die Chance, ins Boot zu springen, und ging mit erhobenen Fäusten schreiend auf den vermeintlichen Verräter Tumelo los. Dieser packte Aba, riss sie nieder, warf sich auf sie und flüsterte in ihr Ohr: »Es tut mir leid. Vertraue mir.«
Dann schrie er laut: »Ich habe sie, ich habe sie!«
Abas Verhaftung
Schüsse fielen.
Die beiden Wachen feuerten in Richtung des Bootes. Sam rappelte sich auf und warf sich dazwischen: »Hört auf zu schießen, ihr Idioten! Glaubt ihr, da irgendjemanden zu treffen? Da ist niemand im Boot! Wir haben sie!« Hektisch deutete er auf Aba, die noch immer unter Tumelo lag.
Durch die Schüsse alarmiert, hetzten umgehend vier weitere Wachen auf die Gruppe zu. Tumelo blieb regungslos liegen, während er leise zu weinen begann.
Trotz des Fausthiebes von Tumelo, der noch an seinem Kiefer pochte, behielt Sam einen klaren Kopf. »Packt das Miststück, das mich niedergeschlagen hat, und bringt es in den ›Schlund‹.«
Die Wachen staunten sichtlich verwirrt. Einer von ihnen ergriff als Erster das Wort: »Mr. Baine haben befohlen zu erschießen.«
»Und ich sage euch, bringt sie in den ›Schlund‹, die anderen suchen weiter. Nur so haben wir eine Chance, die Zweite zu finden! Solange die Mutter noch lebt, wird die Tochter nicht abhauen. Los jetzt!«
Sam war so bestimmend, dass keiner es wagte, ihm zu widersprechen. Zwei der Wächter zerrten Aba unsanft in die Höhe, verschwanden mit ihr in der Dunkelheit, während Sam und Tumelo Abas Silhouette nachsahen, die sich stolpernd im Vorhang des Regens auflöste. Dann wandte sich der Blick beider Männer aufs Wasser. Vom Boot war nichts mehr zu sehen.
Der Fluch
Eine Stunde später saß Aba durchnässt und schlammbedeckt, scheinbar hilflos, im ›Schlund‹. Ein schweres Vorhängeschloss an der Türe verhinderte jeden weiteren Fluchtversuch. Sie hatte ihre Tochter verloren! Wieder spürte sie den Zorn in sich aufsteigen. Dunkles Grollen und stärker werdende Donnerschläge hüllten sie ein. Regen prasselte ihr ins Gesicht, als sie sich langsam erhob. Wie bei einem Hurrikan, den ›Schlund‹ in dessen Auge, wirbelten fluoreszierende Wellen um den Käfig. Ohrenbetäubendes Tosen umgab Aba. Wie ein Wesen der Unterwelt, beide vom Morast bedeckten Arme in den Himmel gestreckt, schrie sie aus tiefster Seele heraus: »Zooooolaaaaa.«
Der Schrei Abas explodierte in den Nachthimmel, füllte die pechschwarzen Gewitterwolken, begleitet von einem Feuerwerk an Blitzen, die vom Himmel gespien kamen. »Zooooolaaaaa« erzitterte über die gesamte СКАЧАТЬ