100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2. Erhard Heckmann
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СКАЧАТЬ und in ein Rad steckte, um die abgehende Fuhre bergab zum Stehen zu bringen. Ein anderer, dessen Gefährt auf abschüssiger Straße durch eine Kurve raste und unausweichlichem Gegenverkehr ausgesetzt war, soll seine Pferde zu Fall gebracht haben, um einem Zusammenprall rechtzeitig auszuweichen. Wirklich verletzt soll damals niemand gewesen sein, weder Pferde noch Passagiere, doch war das wohl eher eine Ansichtssache, denn es herrschten raue Zeiten. Ruhiger ging es jedoch zu, als eine talwärts fahrende Postkutsche einem entgegenkommenden Ochsengespann den Weg freimachte, im Morast stecken blieb, und nun auch noch die Ochsen die Kutsche wieder auf die Straße zurückbringen musste. Schlimmer erging es aber einem Fahrer namens Tommy Harmon. Er blieb am gefährlichen Berg in der Nähe des 101 Meilen Hauses mit seiner, aus drei schweren Planwagen bestehenden, „Packtrain“ bis zu den Achsen im Schlamm stecken. Nach zwei Tagen vergeblicher Versuche, die Fuhre wieder flott zu bekommen, holte er vom 100 Mile House mehrere Wagen, lud die 25.000 Pfund schwere Ladung Stück für Stück um und brauchte zwei weitere Tage, bis sich die Räder seiner leeren Wagen wieder drehten. Und so wie es ihm erging, widerfuhr es später auch einigen Autos.

      Die Postkutschen waren äußerst stabil und mit breiten Rädern ausgestattet. Vielfach bespannt brauchten sie für die dreihundertsechzig schweren Kilometer von Ashcroft bis Quesnel drei Tage. 1917 erreichte das letzte dieser bewährten Verkehrsmittel das nördliche Ziel, danach übernahmen Autos oder die Eisenbahn die schwere Arbeit von Pferden, Maultieren und Ochsen, die unglaublichen Einsatzwillen bewiesen hatten. Irgendwo habe ich auch eine Eisenplatte in einem Stein gesehen, auf der dieser Geschöpfe gedacht, und ihnen dafür gedankt wurde. Und es tat gut, nicht nur über Menschen zu lesen, die damals unter schwierigsten Bedingungen Großes geleistet haben. Bleibt zu hoffen, dass es ihnen im Himmel der Tiere besser erging, als auf der Erde der Menschen. Zwei dieser Postkutschen, vor denen sie ihre Arbeit verrichteten, blieben auf alle Fälle der Nachwelt erhalten. Die eine steht auf der historischen Hat Creek Ranch, die andere im „Red Coach Inn“ in 100 Mile House. Der letzte Parkplatz für diese „Rote Postkutsche“, die die Nr.14 in der BX-Flotte trug, ist gut gewählt, denn das Hotel wurde dort erbaut, wo früher das 100 Mile House seien Standort hatte, bis es 1937 abbrannte.

      Vergangenheit und Gegenwart berührten sich auf der rauen Piste schon 1910, doch hatten die Autos mit Rechtslenkung ihre Probleme, wenn sie die langsameren Gespanne auf der schmalen Straße überholen wollten. Das erste Auto im Cariboo war allerdings schon im Juni 1907 unterwegs, der McLaughlin-Buick von O.P.Berry von der Bullion Mine, die sich in der Nähe von Likely am Quesnel See befand. Die „Cariboo Automobil Company“, die mit einem 40-Ps Rumbler die Fahrt von Ashcroft nach Soda Creek in vierzehn Stunden offerierte, war äußerst kurzlebig und am Ende, als Auto und Firma während der zweiten Fahrt in der Nähe des 141 Meilen Hauses ihren Geist endgültig aufgaben. Dennoch war das Auto nicht mehr aufzuhalten, und auch B.X, deren Postkutschendienst noch voll funktionierte, hielt 1910 die Zeit für gekommen, zwei „Wintons“ für je 1.500 Dollar in Seattle anzuschaffen. Auf der Rechnung standen aber auch einige Extras, um sie den rauen Verhältnissen im Norden anzupassen: 75 $ für eine Frontscheibe, das Doppelte für Frontlampen, 75 $ für die ebenfalls mit Kerosin betriebenen Parkleuchten und 50 $ für eine Hupe. Im Preis inbegriffen waren bis Saisonende auch die beiden Fahrer, die gleichzeitig als Mechaniker fungierten und am 5.8.1910 mit den gelb-rot lackierten Autos ihr Ziel Soda Creek erstmals erreichten. Hacke, Schaufel, Ersatzteile, zwei Reifen, und bis zu achtzehn Schläuche gehörten zum Standard-Handgepäck ihrer Kutscher. Sechs weitere Autos kamen kurzfristig hinzu. Als eines der geschäftstüchtigsten Jahre auf der Cariboo Road bezeichneten Chronisten 1913, indem 188 Fuhrwerke, in der Regel mit ein oder zwei Anhängern und von sechs bis zwölf Tieren gezogen, gemeinsam mit „Wintons“ und Postkutschen, Ashcroft verlassen haben.

      Als moderne Automobiltechnik Einzug hielt, verließen „BX“ und die „Stagecoaches“ die Szenerie. 1928 bot die „I.T.Company“ mit fünf Studebakers zwischen Ashcroft und Williams Lake dreimal pro Woche Personenverkehr an und erweiterte diese Linie kurz darauf bis Quesnel und Prince George. In den 1940er Jahren wurde der Service weiter ausgebaut und auch ab Vancouver angeboten. Das heute weltbekannte Greyhound Zeichen erschien auf der Cariboo Wagenroad erstmals 1943, als „I.T.“ aufgekauft worden war. Und im „Greyhound-Bus“ lässt sich diese Straße auch heute noch befahren, äußerst bequem und auf dem Asphaltband des Highways 97. Von dem Schlamm, den tiefen Spurrillen, den geschundenen Männern und Kreaturen, die sich in seinen Pioniertagen hier entlangquälten, oder den harten Schicksalen rechts und links dieser Straße, werden die meisten seiner modernen Passanten noch nie etwas gehört haben. Woher auch, denn die meisten sind Touristen, und die Zeit des „Wilden Westens“ ist längst Geschichte, wie auch die der Nuggets, die nicht mehr gefunden werden. Die moderne Goldsuche findet heute in großen, tiefen Gruben statt, wie man sie in Nordamerika aus Montana oder Nevada kennt. 2002 kostete dort die Produktion einer einzigen Unze 200 $, 400 $ brachte ihr Verkauf, und neun Jahre später wurden diese reichlich 31,1 Gramm 999er Feingold an der Börse bereits mit mehr als 1.000 Euro gehandelt. Dass beim Abbau auch irreparable Schäden zurückbleiben, weil Gift in Flüsse gelangt, Grundwasser abgesenkt wird oder gigantischen Krater entstehen, deren Rückfüllung zu teuer ist und sich in giftige Seen verwandeln, scheint uns Menschen wenig zu stören. Das glänzende Metall betört auch im 21. Jahrhundert noch immer unsere Sinne.

       Barker Ville – lebendige Goldgräberzeit

       Ins Chilcotin

      Chilcotin ist die Gegend westlich vom Cariboo und bedeutet „Leute des Blauen Wassers“. Es ist ein Land von beeindruckender Schönheit. Mit Flüssen, Hunderten von Seen und fantastischen Felsformationen. Eisfelder und alpine Wiesen stehen im Kontrast mit Tälern und Grasland. Grizzlys, Caribous, Elche, Bergziegen, Bighorn-Schafe und Rehe sind hier zu Hause. Neben vielen Vogelarten gibt es auch die mit Motoren, denn Buschflugzeuge sind unerlässlich und verkehren hier so selbstverständlich, wie andernorts die Taxis, zwar teurer als diese, aber wesentlich günstiger als in Europa. Es ist auch ein Land, das von Cowboys beherrscht wird, die hier ihre Rinder züchten. Die Charaktere sind freundlich, voller Geschichten und Lebensfreude.

      Die Straße, die als Nummer zwanzig ampellos über 460 Kilometer westwärts bis zu Bella Coolas Fährhafen zieht, galt lange als eine äußerst raue, nervenzehrende Piste, die so manche Panne verursachte. Heute ist sie, bis auf die 50 Kilometer im Tweedsmuir Park, asphaltiert, mehr oder weniger eben und gut befahrbar. Im Schutzgebiet schlängelt sie sich vom 1.524 Meter hohen Heckman-Pass auf teils einspuriger Fahrbahn und manchmal schlechtem Schotter mit 18 Prozent Gefälle hinunter ins Atnarkotal. Einige Ausweichstellen für den Gegenverkehr sind zwar vorhanden, Begrenzungen oder Leitplanken an Felswänden oder tiefen Schluchten gibt es jedoch nicht. Acht Jahre später war dieser Straßenabschnitt weiter verbessert, doch hat das Wort „langsam“ noch immer Priorität. Unterwegs gibt es zahlreiche Seen, kleine Frühstückspensionen, Freizeiteinrichtungen, Campingplätze, Tour-Veranstalter, ein paar Läden in den kleinen Ortschaften, Raststellen und Lodges. Einige davon sind anfahrbar, andere liegen in der Wildnis und sind nur mit dem Buschflieger zu erreichen. Ab und zu trifft man auf eine Ranch, auch auf längst verfallene. Am Wegesrand grüßt die alte Zeit mit den berühmten historischen „Russel-Fences“, nagellosen Koppelzäunen, die als Symbol dieser Region im Zickzackkurs ihres Weges ziehen. Heute wird in den kleinen Ortschaften mit Tankstelle, Restaurant und „Store“ fast alles angeboten, was im weiten Rund tagtäglich gebraucht wird, von Bohnen bis zum Sarg; fünfzig Zentimeter lange Nägel, Marmelade, Bücher, Regenkleidung, Pflugschare, Hemden oder Ersatzteile für Maschinen. Sofern die Lebensmittel nicht in großvolumigen Behältern abgepackt sind, schaufelt man sie persönlich aus einem Fass oder Sack in kleinere Gebinde. „Groß“ ist hier nicht nur ein typisch nordamerikanisches Merkmal, sondern die Anwesen der Rancher liegen oft viele Meilen vom kleinen Ort entfernt, so dass in größeren Abständen eingekauft werden muss, und dann natürlich nicht nur kiloweise. Einige dieser Ortschaften, die Ausgangspunkte zu Seen, Lodges und Freizeiteinrichtungen im Hinterland sind, bieten mit Wasserflugzeugen oder Heli-Hicking auch schnelle Verbindungen zum Endziel. СКАЧАТЬ