100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2. Erhard Heckmann
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СКАЧАТЬ Mehr als achttausend Seen, siebzehntausend Kilometer Flüsse und Bäche, und fünfzehntausend Kilometern Küste bedeuten nicht nur für Angler und Wassersportler ein Paradies. Die Suche nach Gold startete einst das Abenteuer, und heute reisen die Touristen noch immer auf dem Gold Rush Trail mit Stopps zu Lillooet oder Barkerville. Sie waschen hier und da auch noch Gold, oder möchten die Zeit und Atmosphäre jener Tage schnuppern, wenn sie ihren Fuß auf alte Indianerpfade, Reste der Wagon Road, in Restauriertes oder halb Verfallenes aus jenen Pioniertagen setzen. Ganz gezielt oder rein zufällig. Aber jene Zeit war auch sehr hart, und, für Mensch und Tier, wohl auch brutal. Aber sie bot auch Chancen für die Zukunft. Für uns, die im klimatisierten Supermarkt täglich alles und jedes aus aller Welt einkaufen und per Auto, Zustellservice oder Internet beschaffen können, ist es schwer vorstellbar, dass Waren mindestens sechs Monate vorher bestellt, hunderte Pfund Seife aus Rinderfett hergestellt oder zehn Kinder in einer kleinen Blockhütte geboren werden mussten.

      In ihrem Buch „Pioneer People und Places“ gibt Irene Stangoe weiter, was ihr eine Tochter von James Wiggins, Mabel Kinvig, über jene Zeiten erzählte, als ihre Eltern 1906 in Miocene, zwischen Williams Lake und Horsefly gelegen, siedelten: Zweimal im Jahr erhielten sie aus Vancouver alles was sie brauchten, doch musste ihr Vater die Waren im 300 Kilometer entfernten Ashcroft abholen. Diese gleichen Kilometer wurden auch die Rinder zur Bahnstation getrieben, wenn sie verkauft wurden. Der Ceylon Tee war in großen Behältern aus Leinentuch verpackt, das ein Holzrahmen in der gewünschten Form hielt. Der Chinareis kam in 25-Kilo-Säcken an, und Streichholzblöcke wurden in Kanistern von 15 Litern verschickt. Die Frau des Hauses musste Kühe melken, Hühner und Schweine füttern, Garten- und Feldarbeit erledigen, aber eigentlich war sie Lehrerin. Viel Land, insgesamt siebenhundert Hektar, waren urbar zu machen, doch der Vater brauchte auch, um seine Familie durchzubringen, den Zusatzverdienst als Transporteur auf der Wagon Road und war dadurch wochenlang nicht zu Hause. Auch die Kinder, für die es einen einzigen Lehrer gab, der alle Schüler in einer Einzimmer-Blockhütte gleichzeitig unterrichtete, hatten innerhalb der Familie ihre stetigen Aufgaben. Fast nebenbei gebar Frau Wiggins neun Kinder und zog sie auf. Gewaschen wurde alles mit der Hand, und anfangs lebten sie noch im Zelt. 1908 entstand eine Blockhütte mit vier Räumen, elf Jahre später waren es zehn. Ab 1913 wurde zusätzlich noch das neue „Post Office“ betrieben und, bis es fast fünfzig Jahre später geschlossen wurde, blieb das auch so. Die Frau starb 1927, ihr Mann 1960 im Alter von sechsundachtzig Jahren, als seine große Ranch bereits aufgeteilt und verkauft war. Ein Teil davon hat aber überlebt, als Pioneer Ranch zu Miocene.

      Auch Florence Schoonover erzählte die Geschichte ihrer Eltern, die im gleichen Jahr am Meldrum Creek im Chilcotin, nordöstlich von Riske Creek, siedelten. Ihr Vater Murdock Donald Ross war, bis die Brücke gebaut wurde, Fährmann zu Chimney Creek am Fraser River. Was dann kam, war noch schlimmer. Schuhe nähten sie aus den Häuten ihrer Kühe, droschen den Weizen mit Flegeln und machten ihn mit einer handbetriebenen Steinmühle zu Mehl. Auch Räucherspeck, Schinken oder Seife wurden eigenhändig hergestellt, Wasser fast einen Kilometer entfernt geholt und Holz im Wald gesägt. Medizinische Hilfe gab es nicht, und alle zehn Ross-Kinder wurden in der Blockhütte ohne Arzt oder Hebamme geboren. Murdock Ross war ein Lehrer aus Neuschottland, der mit seiner Frau Mitte der 1880er nach British Columbia kam. 1986 erwarben sie eine kleine Ranch am Ross Gulch unterhalb von Riske Creek, doch in jenen Jahren hatten sie kein Glück. Zunächst starb die Frau, dann vielen die wenigen Rinder dem harten Winter 1900 zum Opfer. Ross musste den Job auf der Fähre annehmen und heiratete die Engländerin Florence Hunt. Auf der Westseite des Fraser Rivers, nahe der Fähre, übernahmen sie drei primitive Hütten. Drei ihrer Kinder wurden dort geboren, die anderen sieben zu Meldrum Creek. Die kleine Fähre, die der Mann über den Fraser rudern musste, hatte mit ihren 6 x 12 Fuß nur Platz für einen einzigen Transportwagen, die Pferde mussten schwimmen. 1904 zog die Rossfamilie zum Meldrum Creek um und startete eine kleine Farm. Vier Jahre später kam das Postmeisteramt der kleinen Ansiedlung dazu und besserte das knappe Einkommen ein wenig auf. Das hieß allerdings auch, einmal wöchentlich die Post von Riske Creek abzuholen und nach Hause zu kutschierten. Florence Ross hat fünfzehn Jahre lang die Ranch nie verlassen. Waschen, kochen, melken, buttern, Seife , Käse, Schinken und Speck herstellen, ihre große Familie versorgen, sich ums Vieh kümmern und all die anderen Arbeiten auf der Ranch ließen ihr keine Zeit dazu. Und, so ihre Tochter, „diese Frau hat sich nie beklagt“. Dennoch hat dieses harte Leben auch für ein langes gesorgt. Murdock Ross ritt seinen alten Schimmel „Sunny“ noch mit 86 Jahren und war frisch und aktiv bis zu seinem Tode 1949. Das Leben hatte für ihn 90 Jahre bereit gehabt. Seine Frau Florence überlebte ihn um drei Jahre und starb mit sechsundachtzig. Die fünfzig Jahre am Meldrum Creek fasste Tochter Florence wie folgt zusammen: „Wir hatten viele sehr harte Zeiten, aber es gab auch glückliche …“

      All diese Pioniere haben vor noch gar nicht so langer Zeit die Grundlagen dafür gelegt, dass der heutige Tourist ein wunderschönes Land unbeschwert bereisen kann. Auf guten Straßen und in grandioser Natur; mit Luxus-Lodges, urigen Blockhütten oder romantischen Campingplätzen. Da sind so großartige Flüsse wie der Chilko, Chilcotin oder Fraser, wo das Vergnügen Wildwasser oder Speed-Boot heißt. Für ein Ozeanabenteuer an der Küste bieten sich Kajak, fischen, bergsteigen oder wandern an, oder die Kreuzfahrtschiffe und Fähren, die an der Küste entlang gleiten und unglaubliche Blicke freigeben, auf Gletscher oder wunderschöne Täler. Man kann Wale beobachten, verspielte Seeottern oder Grizzlys, und mit etwas Glück auch den weißen Kermote Bären begegnen. Oder man spielt Golf, reitet mit oder ohne Packpferd, erfährt sich das Land im Wohnmobil, Pick-Up oder Auto, oder genießt ganz einfach die herrliche Natur auf welche Art auch immer. Kanada ist wirklich ein Land ohne Limits.

      Der nächste Morgenkaffee duftet schon sehr früh, denn wir möchten heute den Clearwater Lake bei Kleena Kleene erreichen. Dass wir dort auf eine deutsche Familie aus Bonn treffen werden, die sich vor einigen Jahren einen Traum erfüllte, ahnten wir natürlich nicht. Kurz nach sechs Uhr rollen wir bereits Richtung 150 Mile House und Williams Lake, wo die Nummer Zwanzig nach Westen abbiegt, und ihren 450 Kilometer langen Weg an die Westküste nach Bella Coola antritt. Bevor man aber die Kreuzung in der Provinzhauptstadt erreicht, bleibt weiterhin Pionierboden unter den Rädern. 150 Mile House, während des Goldrausches ein wichtiger Halt auf dem Weg zu den Goldfeldern, ist heute eine ruhige Gemeinde mit etwa 1.000 Einwohnern und einem Geschäftsbereich am Highway, der diesen Namen trägt. Die alte Schule von 1890 findet man allerdings erst siebzehn Meilen nördlich am Cariboo Highway. Unweit ihres Originalstandortes, auf neuem Fundament und gut restauriert, bietet sie Touristen ein kleines Fenster in die Vergangenheit. Der alte Gold Rush Trail, der am 150 Mile House nordostwärts nach Horsefly und Likely abbiegt, bringt in unseren Tagen Touristen auf Schotter zu den Seen Horsefly und Quesnel. Letzterer, sein Hauptarm zieht sich mit 101 Kilometern bis zum Wells Grey Park hin, ist für seine Achtkilo-Forellen bekannt und der größte der Region, die von Koppelzäunen, Gras- und Farmland, Gäste-Ranches, Pferden und Rindern geprägt ist. Horsefly, wo 1859 Gold gefunden wurde und seinen Namen von den damals dort verstärkt vorkommenden Pferdefliegen erhielt, wird nach sechzig Kilometer erreicht. Entlang des gleichnamigen Flusses, dessen jährlicher Sockey-Lachszug als der zweitstärkste der Provinz gilt, gibt es zahlreiche Wanderwege, die auch zu den Horsefly Fällen, den Viewland Bergen oder durch Zedernwald zum Quesnel Lake führen. Über Big Lake Ranch, Likely, entlang des Cariboo Lakes, und Keithley Creek lässt sich auch Barkerville am Ende der von Quesnel kommenden 26 erreichen, doch muss man sich über den Zustand der geschotterten Straßenabschnitte vorher erkundigen.

      Für mehr als fünfzig Jahre war das 150 Mile House ein Knotenpunkt der Region, dem die Komplettierung des Pacific-Great Eastern Railways ein Ende setzte. Jene startete allerdings mit der Lake Valley Ranch und Roadhouse der Davidson Brüdern am Valley Creek, und als diese in Schwierigkeiten gerieten und das Anwesen verkauften, ging das kleine Haus durch viele Hände. Mit dem Goldrausch, und unter der Regie der neuen Besitzer Samuel Adler und Thomas Berry, wurde das Roadhouse zu einem weiteren Meilenhouse am Caribo Goldrausch-Trail, und als „150 Meilen House“ plötzlich zum Dreh- und Angelpunkt, als die im Bau befindliche Wagon-Road vom ursprünglichen Plan abwich, das alte Williams Lake liegen ließ, und stattdessen über die „Davidson Farm“ nach Deep Creek in der Nähe von Quesnel führte. Chilcotin, Barkerville, Quesnel Forks, Horsefly oder Lillooet hießen hier СКАЧАТЬ